Mittwoch, 17. Januar 2018

Der bombastische Niedergang: Zurück ins Neandertal


Mal wieder ist es "die Wissenschaft", die darüber aufklärt, auf welcher degenerativen Stufe der Rückentwicklung zum Affen sich der Mensch inzwischen befindet. Der WDR berichtete vor einigen Tagen kurz über eine soziologische Studie der Universität Düsseldorf zum Thema "Wahlerfolg", die dort allerdings weder verlinkt noch sonstwie näher erläutert wird (wie sollte es auch anders sein). Dort heißt es:

Einer Studie der Universität Düsseldorf zufolge ist die [physische, Anm.d.Kap.] Attraktivität die zweitwichtigste Eigenschaft der Kandidaten für den Wahlerfolg. Allein der Bekanntheitsgrad habe größeren Einfluss, teilten die Studienautoren am Mittwoch (10.01.2018) mit.

Wer nähere Informationen dazu erhalten möchte, muss wie immer selber suchen, denn die per Gerichtsvollzieher eingetriebenen Zwangsgebühren für den Rundfunk gehen ja für ModeratorInnen und IntendantInnen mit Millionengehältern, Spocht-Sendungen und sonstigen Boulevard-Quatsch drauf, da bleibt kein Geld für einen halbwegs sauberen oder auch nur informativen Journalismus übrig. Aber das nur am Rande.

Bemerkenswert daran ist aus meiner Sicht vor allem, dass ausgerechnet eine schmierige Schlips-Borg-Figur wie Lindner von der FDP hier als "attraktivster männlicher Politiker" ausgemacht wurde. Das allein sagt aus meiner bescheidenen Sicht weit mehr über den Zustand dieser verkommenen, im kapitalistischen Dreck wühlenden bzw. zum Wühlen gezwungenen Bevölkerung aus als die gesamte Studie. Ein windiger Typ, dem zumindest ich nicht einmal einen gebrauchten Kühlschrank abkaufen würde, weil ich ohne Zögern Betrug witterte, rangiert auf dem ersten Attraktivitätsplatz? Ich habe auch in der Vergangenheit ja schon sehr oft nicht verstanden, was irgendwelche Menschen an so mancher Gestalt "attraktiv" fanden (ich erspare allen Mitlesenden eine entsprechende Liste) – aber hier ist eine neue Grenze überschritten.

Dass die angebliche Attraktivität sowie der Bekanntheitsgrad irgendwelcher Flitzpiepen dann auch wichtiger für die Wahlentscheidung des "Bildungsbürgers" sind als politische Inhalte und (vorgebliche) Ziele, rundet das Bild nur ab: Der schnaufende Gorilla, der sich am lautesten auf die Brust trommelt, und die geschickt agierende Gorilladame, die am besten für die Nachzucht der Brut geeignet erscheint, ernten die meiste Zustimmung. Was zur Hölle unterscheidet diese Bevölkerung doch gleich vom Affen?

Nicht erklärlich sind vor diesem Hintergrund allerdings noch wesentlich exzentrischere Phänomene wie Helmut Kohl, Angela Merkel, Donald Trump, Maggie Thatcher, Martin Schulz, Markus Söder oder Beatrice Storch, um nur wenige Beispiele zu nennen. Womöglich handelt es sich bei dieser Studie doch nur um einen sehr spezifischen, auf einen bestimmten Bevölkerungsteil zutreffenden Teilaspekt, der in der Gesamtheit tatsächlich vielschichtiger, aber gewiss nicht weniger gruselig ist. Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer Lindner attraktiv findet, ist doof. Wer Merkels Politik gut findet, ist doof. Wer Storchs rassistische Ausfälle mag, ist doof. Wer Wagenknecht toll findet, weil er sie gerne mal im Bett hätte, ist doof. Und so weiter und immer so fort – die Liste ist schier endlos.

Eine wesentlich sinnvollere, aber in diesem System bestimmt nie zu realisierende soziologische Studie wäre doch eine, die beispielsweise der Frage nachspürte, weshalb manche oder auch viele Menschen "innerlich" immer hässlicher werden und dann konsequenterweise "innerlich" hässliche Figuren – nicht nur, aber auch – in der Politik verehren und unterstützen. Das Ergebnis wäre vermutlich nicht sonderlich überraschend, denn es liegt ja auf der Hand, dass das menschenfeindliche kapitalistische System hier zumindest einen nicht unerheblichen Einfluss besitzt. In dieses Szenario passt das "Attraktivitäts"-Modell aus Düsseldorf – für eine gewisse Klientel – vorzüglich, das sich im Übrigen auch auf viele andere gesellschaftliche, politische oder sonstwie abgrenzende Gruppen anwenden lässt: Radikale VeganmissionarInnen finden Fleischesser unattraktiv, während für esoterische Geistergläubige und sonstige Religioten die Realisten, Aufgeklärten und sonstigen Atheisten der "unschöne", zu verdammende Feind sind. Letzten Endes bleibt es dabei, dass all das nur das grunzende Geschrei einer dummen Affenhorde ist, die sich nicht darauf verständigen kann und will, das finstere Neandertal endlich hinter sich zu lassen.

Die Evolution hat beim Menschen schon vor Jahrzehnten den Rückwärtsgang eingelegt – eine derartig offensichtliche Sackgasse wie der inzwischen "alternativlose" Kapitalismus kann ja gar keinen anderen "natürlichen" Ausweg mehr anbieten: Selbst Genies wie Albert Einstein, Thomas Mann, Stephen Hawking oder Hector Berlioz (das ist eine nicht repräsentative Auswahl) haben trotz ihrer immensen "Influencer"-Möglichkeiten letztlich nichts bewirken können: Heute sind "Influencer" stattdessen auf youtube und in Blogs unterwegs, um im Auftrag kapitalistischer Konzerne Käufer für lächerlichen Tand anzuwerben. Welch ein grandioser, geradezu bombastischer Niedergang einer Spezies, die sich – ich kann das nicht ohne tiefstes Glucksen formulieren – für die "Krone der Schöpfung" hält.

Das Neandertal ist unsere gesicherte Zukunft – und falls irgendein Schlaumeier jetzt darauf hinweist, dass Neandertaler ohnehin keine Vorfahren des "homo sapiens" waren: Ja, das weiß ich. Eben deshalb wählte ich dieses Bild.

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Zukunftsbild


"Die letzten Menschen haben einander umgebracht. Jetzt heißt es, wieder von vorn anfangen."

(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 23 vom 06.09.1922)

Dienstag, 16. Januar 2018

Zitat des Tages: Trübes Lied


[oder: Wohin soll man flüchten?]

Herr, wissen Sie einen Ort auf der Welt,
wohin Sie gern führen, wo's Ihnen gefällt?
Ich selbst muss die Frage verneinen:
ich weiß nämlich leider keinen –

Bei uns ist überall Elend und Not,
man redet, verleumdet und schießt sich tot;
statt Silberstreif-Horizonten
grün-rot-braun-eiserne Fronten!

In Amerika gibt's keinen Alkohol,
in Indien fühlt man sich auch nicht wohl,
und China und Japan bereiten
sich vor zu "großen Zeiten".

In Spanien ist immer noch Revolution,
in Polen hängt man dich auf als Spion –
und wo die Gewehre nicht knallen,
hört man die Währungen fallen.

Am liebsten führ' man nach Afrika,
doch leider sind nur noch Filmleute da,
die alles niedermähen,
um einen Kulturfilm zu drehen.

Auch die Südsee war schön. Doch gerade zur Zeit
treten dort Vulkane in Tätigkeit.
Weshalb ich abends oft bete:
Herr, schenk' uns die Mondrakete!

-- Na und? Dann wäre sofort der Mond
von Kapital-Flüchtlingen bewohnt
und man träfe am Ende der Mondfahrt
womöglich grad Herrn von Gontard

Groß war die Welt und schön war die Welt,
bis der Mensch sie verkleinert und bös entstellt!
Man kann nur auf geistigen Gleisen
per Alkohol flüchtend verreisen ---

(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956]: "Trübes Lied", in "Simplicissimus", Heft 45 vom 08.02.1932)

Anmerkung: Wer mehr von Reinhard Koester lesen möchte, kann das kostenfrei hier tun (pdf): "Reinhard Koester: Lesebuch. Zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Dieter Sudhoff", Köln 2004.

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Taverne



(Gemälde von Andrei Petrowitsch Rjabuschkin [1861-1904] aus dem Jahr 1891, Öl auf Leinwand, Tretjakow-Galerie, Moskau, Russland)

Samstag, 13. Januar 2018

Die verbündeten Kontrahenten


Oder: Das Märchen vom Osterhasen; oder: Die Quadratur des Kreises; oder: Orwell Reloaded

Eigentlich müsste ich ja etwas über jenen verrottenden, bedenklich stinkenden Kadaver schreiben, die sich hierzulande "SPD" nennt. Das jedenfalls sagt mir mein Gehirn anlässlich der täglichen Lektüre der Propagandmedien. Es ist schließlich eine wahre Wucht, wie die "Genossen" da in Richtung CDU "sondieren", während sie mit eben dieser indiskutablen Partei völlig geräuschlos "geschäftsführend" weiterhin regieren und es immerhin fertiggebracht haben, sich selbst die "Löhne" ("Diäten") fürstlich zu erhöhen und – auch ohne "Mandat" – weiter am kapitalistischen Schlachtprinzip des Kriegsterrors in anderen Ländern festzuhalten bzw. ihn sogar auszuweiten. Auch weitere "Maßnahmen" (also so etwas wie "Hartz V") für "arbeitsscheue Volksgenossen" (vor 90 Jahren nannte man Arbeitslose in braunen Kreisen ganz offen "arbeitsscheues Gesindel") sind geplant:

Unser Ziel ist Vollbeschäftigung. Insbesondere Langzeitarbeitslose gilt es, besser zu fördern und zu aktivieren und ihnen den (Wieder)Einstieg [sic!] in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Das ganze, gestern veröffentlichte "Sondierungs"-Papier [pdf] liest sich wie eine dystopische Neusprech-Persiflage aus der Feder George Orwells – ich bitte um Nachsicht, dass ich nicht weiter daraus zitiere – und gleichzeitig um große Vorsicht, sollte jemand das Pamphlet selbst lesen wollen. Ich kann ein solches Schlips-Borg-Blabla nicht kommentieren, ohne ausfällig zu werden. Jedenfalls habe ich die Lektüre bis zum Ende durchgehalten und fühlte mich danach wie dreimal vom LKW überfahren und weich im Enddarm des Merkelmonsters gelagert – es stank himmelschreiend. Diese SPD ist nicht nur korrupt bis in die Haarspitzen (ich erinnere nur an die "Landesmutti" Hannelore Kraft, die seit ihrer Abwahl abgetaucht ist und sich ausgerechnet beim Kohle-Konzern RAG eine goldene Altersnase für ihre Hurendienste zur Erhaltung der Kohlekraftwerke erschwindelt) und völlig realitätsfern, sondern geradezu bösartig und äußerst gefährlich für ganz Europa.

Die gesamte Propaganda, die seit Wochen in den hiesigen Medien zum Thema "Sondierung" zelebriert wird, ist eine einzige, intellektuell nicht mehr fass- und kommentierbare Farce: Während Hinz (CDU) und Kunz (SPD) weiterhin gemeinsam regieren, melden unsere Kuhmedien jeden Tag aufs Neue, welch bedeutende Rück- oder Fortschritte in der Annäherung der beiden "Kontrahenten" es gegeben habe. Das ist Surrealismus der obersten Qualität, wie er auf der politischen und medialen Ebene wohl nur in einer der Endzeit zugeneigten Dystopie gefunden werden kann. Selbst die wirtschaftlichen Jahrespläne aus der ehemaligen DDR waren da noch weit aussagekräftiger.

Kay Sokolowsky hat in seinem Blog eine kleine, freilich nur fragmentarische Chronologie zusammengestellt, die das "Umfallen" verschiedener korrupter SPD-Stricher und -Huren seit der Bundestagswahl bis heute deutlich dokumentiert. Ich empfehle vor der Lektüre einen großen Vorrat an Kotztüten.

Wie gesagt, eigentlich müsste ich etwas über diese zombiegleich durchs Land und die albernen Medien wankende SPD und ihren unchristlich-asozialen-demokratiefeindlichen Klon CDU/CSU schreiben (wobei Grüne, FDP und große Teile der Linkspartei natürlich nicht zu vernachlässigen sind). Aber ich verspüre keinerlei Lust dazu, weil ich sinnlose Tätigkeiten generell äußerst ungerne übernehme – sei es nun der Verkauf von Kühlschränken am Nordpol, die Errichtung eines Wasserkraftwerkes in der Wüste oder eben die SPD. Deshalb klinke ich mich hier aus und widme mich stattdessen lieber dem Studium der viel spannenderen Frage, weshalb meine Brille eigentlich jeden Tag verschmutzt, obwohl ich die Gläser mit den Fingern gar nicht berühre.

Gottfried Benn und Erich Kästner, beide zu ihrer Zeit durchaus privilegiert, nannten das damals "innere Emigration". Für mich und unzählige andere Menschen ist diese Geisteshaltung heute allerdings die letzte noch verbliebene Fluchtmöglichkeit angesichts des omnipräsenten, global erstarkenden kapitalistischen Irrsinns. Wohin um alles in der Welt soll man denn auch flüchten?

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Die Neugewählten


"Das war ein harter Kampf, Herr Kollege ... aber jetzt haben wir ja ein paar Jahre Zeit zum Ausschlafen."

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 11 vom 09.06.1920)

Freitag, 12. Januar 2018

Song des Tages: Consign To Oblivion




(Epica: "Consign To Oblivion", live in Frankreich 2017; Original aus dem gleichnamigen Album, 2005)

How can we let this happen and
Just keep our eyes closed till the end
The only thing that counts is the prosperity of today
Most important to us is that our bills get paid

Our good intentions have always been delayed

How can we let this happen and
Just keep our eyes closed till the end
When we will stand in front of heaven's gate
It will be too late!

Try to unlearn all that you've learnt
try to listen to your heart
No, we can't understand the universe
by just using our mind

We are so afraid of all the things unknown

A must we appease is the lust to get laid
Nothing really matters, just devouring our prey
Our good intentions have always been delayed so
Our generous acts have always come too late

How can we let this happen and
Just keep our eyes closed till the end
When we will stand in front of heaven's gate
It will be too late!

Try to unlearn all that you've learnt
try to listen to your heart
No, we can't understand the universe
by just using our mind

We are so afraid of the things unknown
We just flee into a dream that never comes true

Low, low, low to the ground we feel safe
Low, low, low to the ground we feel brave

Oblivisci tempta quod didicisti

Open your eyes; we're not in paradise
How can't you see, this stress is killing me
Fulfill your dreams; life is not what it seems
We have captured time

So time made us all hostages without mercy
Seemingly generous fooling ourselves
Selfishly venomous time tells

Too much thinking goes at the cost of all our intuition
Our thoughts create reality
But we neglect to be!
So we're already slaves of our artificial world
We shoudn't try to control life
but listen to the laws of nature

Open your eyes: we're not in paradise
How can't you see, this stress is killing me
Fulfill your dreams; life is not what it seems
We have captured time

So time made us all hostages without mercy

Low, low, low to the ground we feel safe
Low, low, low to the ground we feel brave

We all think we're generous
But we only fool ourselves
The only thing that matters is
Our way and our vision

Selfishly we're venomous
But you know the time tells us
There is more to life than our
Higher positions, race for perfection
Better, faster

We must return to the laws of the nature
Free ourselves from madness


Donnerstag, 11. Januar 2018

Die Wanzen im Wohnzimmer: Killefit und Pallepap


Mit der "smarten" Technik ist das so eine Sache: Die einen preisen sie hymnisch als großartigen Fortschritt in eine güldene Zukunft, die anderen speien Galle und sauren Magensaft angesichts dieser Entwicklungen – die breite Masse jedoch, das habe ich beispielsweise in meinem persönlichen Umfeld bitter lernen müssen, konsumiert sie schlicht und ergreifend.

Da gibt es keine erkennbare Tendenz, dem kaum mehr aufzuhaltenden Dumpfphone-Wahn irgendwie entgegenzutreten und erst recht keine Ambitionen, den noch viel bescheuerteren lauschenden Lautsprechern namens Alexa oder Google zumindest mit einem kleinen Mindestmaß an Skepsis zu begegnen. Stattdessen stellen sich Hinz und Kunz diese debilen Geräte, für die sie zudem ordentlich Kohle abdrücken, ganz ohne Zwang und lächelnd in die Bude und finden das richtig toll und sehr modern. Das äußert sich dann beispielsweise in einem Kommentar wie diesem, den ich unter einem sehr lesenswerten, kritischen Text zum Thema bei Zeit Online fand, wo ein gewisser Peter Laumeier die folgenden Zeilen erbrach:

Wenn ich z.B. nach der Arbeit die Wohnung betrete, muss ich lediglich einen kurzen Befehl aussprechen und alle gewünschten Lampen (samt Lichtspektrum, Lichtstärke), bestimmte Audio-Applikationen wie Tagesschau in 100 Sekunden) werden sofort aktiviert. Für jede bestimmte Tätigkeit habe ich unterschiedliche Befehle und unterschiedliche Atmosphären eingerichtet: "Aufräumen", "Aufstehen", "Nachtlicht" etc. / Ohne diese sprachlichen Befehle und Verknüpfungen müsste ich jedesmal umständlich die jeweiligen Apps öffnen und einrichten. / Oder beim Musikhören: Das Abspielen einzelner Titel, oder Alben, oder individueller Playlists kann ich von einer auf die Sekunde hören, ohne lange im Rechner zu suchen, oder gar CDs herauszusuchen, einzulegen, Anlagen einzuschalten etc. Durch meine W-Lan-Lautsprecher, die über Alexa gesteuert werden, ist ein sofortiger Zugriff auf die gesamte Datenbank (40 Millionen Songs) garantiert. Und das in allen Räumen, die man gerade beschallen möchte. / Ein Genuss.

Beim Lesen beschlich mich das dunkle Gefühl – oder eher die Gewissheit –, dass die Menschheit tatsächlich immer dümmer wird. Was hat der bedauernswerte Mann bloß getan, als es noch keine "smarte" Technik gab? Hat er etwa tatsächlich manuell einen Lichtschalter betätigt oder sein Propaganda-TV oder die Musikanlage mit dem eigenen Finger eingeschaltet? Man mag das kaum glauben! Vielleicht hat der arme Mensch ja gar keine Finger? – Aus meiner bescheidenen Sicht ist das ein schrilles Beispiel für die vollkommene Debilisierung – sprich: restlose Verblödung – dieser Gesellschaft. Da werden nicht nur die immensen Gefahren, die diese lächerliche Technologie birgt (Überwachung aller persönlicher Aktivitäten und Aufenthaltsorte, sowohl von staatlicher, als auch von wirtschaftlicher Seite etc.), ignoriert, sondern die angeblichen Vorteile, die eher mit den Worten "Killefit und Pallepap" korrekt beschrieben wären, gepriesen, als gebe es kein Morgen.

Der "Große Bruder" frohlockt orgiastisch, die Intelligenz wimmert und die Evolution gibt unter erbärmlichen Seufzern resignierend auf. Die Aufklärung ist ein Projekt der Vergangenheit, das eigene Denken wurde abgeschafft und demnächst lässt sich jeder Bürger Kapitalistans – freilich nicht ohne dafür freiwillig (!) zu bezahlen – einen Chip implantieren, der ihm das staats- und kapitaltreue Denken abnimmt.

Wir könnten gar nicht tiefer in der stinkenden, kapitalistischen Scheiße stecken.

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Nur Optimismus bringt Rettung!


"Ewig bleibt es ja nicht Winter; sobald das Eis schmilzt, kann ich wieder schwimmen."

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 15.01.1933)

Mittwoch, 10. Januar 2018

Zitat des Tages: Ansprache an Millionäre


Warum wollt ihr so lange warten,
bis sie euren geschminkten Frauen
und euch und den Marmorpuppen im Garten
eins über den Schädel hauen?

Warum wollt ihr euch denn nicht bessern?
Bald werden sie über die Freitreppen drängen
und euch erstechen mit Küchenmessern
und an die Fenster hängen.

Sie werden euch in die Flüsse jagen.
Sinnlos werden dann Schrei und Gebet sein.
Sie werden euch die Köpfe abschlagen.
Dann wird es zu spät sein.

Dann wird sich der Strahl der Springbrunnen röten.
Dann stellen sie euch an die Gartenmauern.
Sie werden kommen und schweigen und töten.
Niemand wird über euch trauern.

Wie lange wollt ihr euch weiter bereichern?
Wie lange wollt ihr aus Gold und Papieren
Rollen und Bündel und Barren speichern?
Ihr werdet alles verlieren.

Ihr seid die Herrn von Maschinen und Ländern.
Ihr habt das Geld und die Macht genommen.
Warum wollt ihr die Welt nicht ändern,
bevor sie kommen?

Ihr sollt ja gar nicht aus Güte handeln!
Ihr seid nicht gut. Und auch sie sind's nicht.
Nicht euch, aber die Welt zu verwandeln,
ist eure Pflicht!

Der Mensch ist schlecht. Er bleibt es künftig.
Ihr sollt euch keine Flügel anheften.
Ihr sollt nicht gut sein, sondern vernünftig.
Wir sprechen von Geschäften.

Ihr helft, wenn ihr halft, nicht etwa nur ihnen.
Man kann sich, auch wenn man gibt, beschenken.
Die Welt verbessern und dran verdienen -
das lohnt, drüber nachzudenken.

Macht Steppen fruchtbar. Befehlt. Legt Gleise.
Organisiert den Umbau der Welt!
Ach, gäbe es nur ein Dutzend Weise
mit sehr viel Geld ...

Ihr seid nicht klug. Ihr wollt noch warten.
Uns tut es leid, ihr werdet's bereuen.
Schickt aus dem Himmel paar Ansichtskarten!
Es wird uns freuen.

(Erich Kästner [1899-1974]: "Ansprache an Millionäre", in: "Gesang zwischen den Stühlen. Gedichte", mit Zeichnungen von Erich Ohser alias e.o. plauen, Deutsche Verlags-Anstalt 1932)




Dienstag, 9. Januar 2018

Weshalb es "uns" so gut wie nie zuvor geht


Die Verlautbarungen kennen wir inzischen schon auswendig: Aus den kapitalistischen Propagandamedien schallt der geneigten Leserschaft in regelmäßigen, gefühlt immer kürzer werdenden Abständen die Jubelmeldung entgegen, dass es "uns" oder wahlweise "den Deutschen" von Monat zu Monat immer besser gehe, da der obszöne Reichtum stetig wächst. Da reibt sich so mancher Leser angesichts der gähnenden Leere in der eigenen Geldbörse verwundert die Augen und wähnt sich in einem dystopischen Paralleluniversum.

Ende Dezember haben die elitären Herrschaften aber endlich verraten, was hinter diesen bizarren Anpreisungen aus dem religiösen Takatukaland steckt – von allein wäre im bildungsfernen Kapitalistan wohl niemand darauf gekommen. Bei n-tv hieß es beispielsweise am 2. Weihnachtstag:

1,25 Billionen Euro Umsatz: Deutsche Konzerne erleben Rekordjahr / Die 100 größten an der Börse notierten deutschen Unternehmen haben laut einer Studie gemeinsam einen Rekordumsatz erzielt.

Ah ja. Die Reichen werden also immer reicher, während beim überwältigenden Rest der Bevölkerung so gut wie nichts davon ankommt, sondern der "Wohlstand" dort sogar rapide schrumpft: Wer hätte denn so etwas auch ahnen können angesichts dieses irrsinnigen Wirtschafts- bzw. Katastrophensystemes, das dennoch weiterhin wie von Sinnen als der Weisheit letzter Schluss angepriesen wird. – Nun ist der Umsatz eines Konzerns ja bekanntlich nicht mit dem Gewinn gleichzusetzen – aber auch hier klärte die Kuhpresse, diesmal auf Zeit Online, ganz behutsam und weihnachtlich verklärt auf:

2017 war ein erfolgreiches Jahr für die globale Finanzelite. Deren Vermögen vermehrte sich viermal so stark wie im vergangenen Jahr. / Das Vermögen der 500 wohlhabendsten Menschen der Welt ist in diesem Jahr um knapp eine Billion US-Dollar gewachsen. Insgesamt besitzen sie derzeit 5,3 Billionen US-Dollar (etwa 4,5 Billionen Euro).

Dann ist ja alles gut. Die Arschlöcher wussten zwar schon vergangenes Jahr nicht, was sie mit ihren vielen gehorteten Millionen und Milliarden anstellen sollen, aber es ist für die Schafherde doch ein sehr beruhigendes Omen, dass sich die Geldspeicher der "Elite" rapide weiter füllen. – Ich frage mich seit langem, was einen Menschen dazu treibt, mehr Geld anzuhäufen, als er – auch langfristig und möglicherweise familiär gesehen – benötigt. Angesichts solcher – völlig wahnwitziger – Summen versagt mein intellektuelles Verständnis aber komplett: Was zur Hölle macht es für einen Unterschied, ob irgendein Hanswurst nun 100 Millionen, 150 Millionen oder 500 Millionen Euro "besitzt"? Welche destruktiven, suizidalen Triebe sind verantwortlich für diese völlig unsinnige, zerstörerische Habgier? Ich habe keine Erklärung dafür.

Jedenfalls wissen "wir" nun, weshalb regelmäßig angsterfüllte Schweißausbrüche zu bewältigen sind, wenn beispielsweise die Waschmaschine den Geist aufgibt, der TÜV neue Bremsbeläge am Auto verlangt oder – was für viele Millionen von Menschen in Kapitalistan längst Alltag ist – schlicht neue Schuhe, eine neue Brille, Zahnersatz oder ein Medikament vonnöten sind: Weil es "uns" eben so gut geht wie niemals zuvor.

Wie absurd muss dieses bizarre Szenario eigentlich noch werden, bis irgendjemand endlich, endlich, endlich die STOP-Taste drückt und die verkommene Bande aus dem Land jagt?

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Der Herr der Welt


"Der rüstet nicht ab!"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 26 vom 22.09.1924)

Montag, 8. Januar 2018

Musik des Tages: Violinkonzert in d-moll




  1. Allegro con fermezza
  2. Andante sostenuto
  3. Allegro vivace

(Aram Khachaturian [1903-1978]: "Konzert für Violine und Orchester" in d-moll aus dem Jahr 1940; Violine: Amaury Coeytaux, Spanish Radio and Television Orchestra, Leitung: Michael Francis, 2013)

Anmerkung am Rande: Und wieder haben wir hier ein aus rechtsradikaler Sicht schlimmes Vergehen: Das Werk eines sowjetisch-armenischen Komponisten aus der bösen "kommunistischen Ära", in der allerdings der Faschismus Europa gerade in Schutt und Asche legte, wird in Spanien von einem international besetzten Orchester mit einem französischen Solisten unter der Leitung eines britischen Dirigenten aufgeführt. Da springen die Doofrinds, Störche, Sarrazins und die gesamte blind hinterdreintappende Volxgemeinschaft wohl wild hopsend im braunen Dreieck.

Samstag, 6. Januar 2018

Der Austrofaschismus, der ein europäischer Faschismus ist


Ich habe seit Wochen darauf gehofft, dass der Blogger-Kollege Arbo etwas darüber schreibt, der sich ja südlich der Alpen aufhält, bin aber leider bislang enttäuscht worden: Also muss ich nun heute selber etwas über den wirklich schlimmen und gefährlichen Rechtsruck im Nachbarland Österreich erbrechen, der vollkommen symptomatisch für diese untergehende Zeit ist, wie sie unter vielem anderen auch an dem Empfang des ungarischen Rechtsextremen Orbán bei der ebenfalls rechtsrextremen CSU klar erkannt werden kann.

Fangen wir also an. Die FR berichtete einen Tag nach Weihnachten:

Die Asylpläne der neuen rechtspopulistischen Regierung in Österreich zwingen Schutzsuchende unter das Existenzminimum und sind voll von surrealen Verboten.

Da Österreich bekanntlich vor allem unter einer nicht einzudämmenden Asylflut zu leiden und mitnichten, wie der Rest der Welt, mit dem kapitalistischen Untergang zu kämpfen hat und zudem vor lauter "Fremden" gar in Kürze unterzugehen droht, stürzen sich Kurz und Strache mit wehenden Schlipsen schon zu Beginn ihres Zerstörungswerkes auf die Schwächsten, nämlich die Flüchtlinge, um sie brutal niederzuknüppeln und aus dem Alpenland möglichst fernzuhalten. Was liegt da näher als schutzsuchenden Menschen das "Existenzminimum" zu kürzen? So handeln eben echte Christen, Demokraten und schmutzige Kapitalhuren. Die CSU dürfte ebenso interessiert zugehört haben wie die CDU, die FDP, die SPD und die Grünen, während sich die Faschisten von der AfD nur ins braune Fäustchen lachten. Davon ist in der FR freilich nicht die Rede, denn irgendeinen sinnvollen politisch-gesellschaftlichen Hintergrund für diese üble Schmierenkomödie bietet die Zeitung nicht – es ist halt alles aus dem heiteren Himmel gefallen und niemand konnte etwas ahnen. Die bösen Ösis aber auch – sie sollten sich mal ein Beispiel am großen Bruder mit ihrer Merkel-Kaiserin oder zumindest der "funktionierenden Demokratie" nehmen, meint zumindest die FR.

In den österreichischen Medien wurde derweil klar benannt, wofür die Austrofaschisten stehen:

Als wichtige Themenpakete beschrieben Kurz und Strache vor allem jene Themen, die auch schon im Wahlkampf im Fokus gestanden waren. Geplant seien ein Sicherheitspaket und zahlreiche Verschärfungen im Asylrecht, wesentliche Änderungen gibt es etwa bei der Grundversorgung. Für Gewalt- und Sexualverbrechen soll es härtere Strafen geben, der Kampf gegen den politischen Islam soll zu den Prioritäten der neuen Regierung gehören.

Mit anderen Worten: Der überlebende Mittelmeerflüchtling, der Muselmann und der böse Neger sind schuld; andere Schuldige gibt es nicht, und faules, arbeitsscheues Pack wird künftig heftig in den Hintern getreten mithilfe eines Hartz-Terror-Gesetzes, das aus Deutschland importiert wird. Dort kennt man sich schließlich sehr gut aus mit Menschenfeindlichkeit. Gleichzeitig muss natürlich die komplette Bevölkerung rigoros überwacht werden, denn diese zwielichtigen GesellInnen sind alle arg verdächtig. Wie in Deutschland und in weiten Teilen Resteuropas folgt auch die Schlips-Borg-Bande in Österreich damit dem albernsten von allen erdenklichen Märchen – und wird dennoch ernst genommen. Ich kann Leuten, die derartigen Schmonzes immer noch glauben, nur noch mitleidig gegenübertreten, um nicht ausfällig zu werden. Die widerlichen Arschlöcher wissen, dass sie stumpfsinnigen Mumpitz erzählen, und ihnen wird dennoch geglaubt???

Kürzlich hat der Oberfaschist Strache auch noch diesen Kothaufen abgesetzt – auch wenn der stramme Hitlerknabe inzwischen medial wieder zurückgerudert ist, ohne allerdings seine menschenfeindlichen Ansichten in irgendeiner Weise zu revidieren:

Ausgangssperre vorgeschlagen / Strache will Asylbewerber kasernieren

Auf genau diesem äffischen Niveau, das intelligente Menschen eigentlich nur mit schallendem Gelächter beantworten können und das sich irgendwo zwischen 1932 und 1933 befindet, bewegen wir uns heute. Österreich ist leider nur ein Beispiel – ich könnte einen fast gleichlautenden Text über Deutschland, Frankreich, England oder die USA schreiben. Der Faschismus ist heute keine diffuse Bedrohung mehr, sondern sitzt fest im Sattel aller wesentlichen Institutionen in Kapitalistan – und er ist im Begriff, das vermoderte, kapitalistische Ruder einmal mehr zu übernehmen.

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Aus der guten alten Zeit



(Paul Konewka [1841-1871], Scherenschnitt, in: "Das schwarze Bilderbuch", hg.v. Rolf von Hoerschelmann, 1911)

Donnerstag, 4. Januar 2018

Realitätsflucht (40): Vendetta


Zu dem Spiel, das ich heute vorstellen möchte, sind einige Vorbemerkung nötig. Ursprünglich wurde das Rollenspiel "Raven's Cry" bereits 2013 veröffentlicht – damals allerdings in einer völlig unspielbaren, verbuggten und unfertigen Version, so dass es in nahezu allen Testberichten – völlig zu recht – verrissen und sogar zum "schlechtesten RPG" der Computerspielegeschichte gekürt wurde. Der polnische Entwickler Reality Pump, der u.a. das grandiose Werk "Two Worlds II" zu verantworten hat, gönnte sich daher zwei Jahre Zeit und überarbeitete das Spiel komplett, so dass es in der neuen Fassung unter dem Titel "Vendetta – Curse of Raven's Cry" im Jahr 2015 neu erscheinen konnte. Auf diese Version – genauer gesagt, auf die sogenannte "Steelbook"- bzw. "Deluxe"-Edition – bezieht sich dieser Bericht.



Ich habe das Spiel, das auch nach über zwei (bzw. fünf) Jahren noch immer sehr teuer ist, vor einigen Monaten geschenkt bekommen. Ich kannte die Vorgeschichte und bin entsprechend skeptisch an die Sache herangetreten – wer nicht viel erwartet, kann auch nicht sonderlich enttäuscht, dafür aber umso überschwänglicher überrascht werden. Aber der Reihe nach:

In "Vendetta" schlüpft der Spieler in die Rolle des unsympathischen Piratenkapitäns Christopher Raven, der mit seinen Mannen die Karibik des späten 17. bzw. frühen 18. Jahrhunderts unsicher macht. Der unwirsche Zeitgenosse befindet sich auf der Suche nach den Schurken, die seine Familie einige Jahrzehnte zuvor gemeuchelt und ihn zum einhändigen, nunmehr mit einem obligatorischen Eisenhaken statt der linken Hand ausgestatteten Waisenknaben gemacht haben, um schnöde Rache zu üben. Damit ist zur Geschichte auch schon das Nötigste gesagt – was die Entwickler jedoch daraus gemacht haben, hat mich – und das schreibe ich gewiss nicht leichtfertig – regelrecht umgehauen.

Es gibt in der frei zugänglichen Spielwelt eine Vielzahl von Orten und Inseln zu entdecken, an denen unzählige Quests und Aufgaben auf den Spieler warten – und keine einzige davon besteht aus dem in diesem Genre sonst so üblichen "Suche 10 X und bringe sie zu Y": Immer ist eine Geschichte mit den Aufgaben verknüpft, die oft sehr witzig, manches Mal aber auch sehr dramatisch ist. Der Piratenkapitän kämpft dabei wie gewohnt mit dem Schwert und der Pistole, kann sich aber auch an Gegner heranschleichen und sie still meucheln oder aus der Ferne mit Wurfmessern ins Jenseits befördern.



Glücklicherweise fehlt diesem Spiel jedwede Anbiederung an das Fantasy-Genre: Es gibt in "Vendetta" weder Magie noch irgendwelche Monster, Zombies, Skelette oder sonstiges Übernatürliches – man hat es stets mit der lokalen Tierwelt, meist aber mit menschlichen Gegnern unterschiedlichster Art zu tun. Dabei gibt es oft verschiedene Möglichkeiten, eine Aufgabe bzw. einen Konflikt zu lösen – nicht immer ist Gewalt vonnöten, und jede Entscheidung, die der Spieler trifft, hat Konsequenzen für den weiteren Verlauf des Spieles; mal sind es nur marginale Feinheiten, manchmal aber auch weitreichende, nicht mehr änderbare Folgen.

Eine zweite Ebene stellt die Schifffahrt in diesem Spiel dar. Wie es sich für einen Piratenkapitän gehört, hat Christopher Raven natürlich ein Schiff – und sticht damit regelmäßig in See. Allerdings benutzt er es nicht nur, um von der einen zur nächsten Insel zu gelangen, sondern es geht – wie sollte es auch anders sein – um Kaperfahrten und Seeschlachten. Dieser Aspekt, den ich aus keinem anderen Spiel in dieser Form kenne, hebt "Vendetta" in den Olymp der Spiele dieses Genres, auch wenn die Seeschlachten, die aus Kanonenkämpfen mit verschiedener Munition (Kanonenkugeln zur Beschädigung des Rumpfes, Ketten zur Zerstörung der Segel und Schrot zur Bekämpfung der gegnerischen Mannschaft) sowie dem optionalen Entern und Ausrauben des gegnerischen Schiffes bestehen, unglaublich schwierig sind. Zu Beginn, wenn man nur ein kleines, spärlich ausgerüstetes Schifflein hat, sollte man jedes Seegefecht tunlichst meiden, da der eigene Kahn sowieso unweigerlich schnellstens versenkt wird und man beim letzten Speicherpunkt wieder neu beginnen darf. Natürlich kann man das Schiff aber für entsprechend viel Gold, das man sich erst erarbeiten muss, aufrüsten – und wenn man durch die Lösung von Quests, durch Diebstähle, durch Kaperfahrten und/oder Handel genug Kohle erwirtschaftet hat, kann man sich auch bessere Schiffe leisten, von denen es insgesamt fünf gibt. Aber wie gesagt: diese Kämpfe sind schwierig, zumal man auch stets im Auge behalten muss, dass die Munition sowie der Proviant für die Besatzung ausreichend vorhanden sein müssen – schließlich tritt man meist allein gegen drei, vier oder sogar fünf gegnerische Schiffe an, und eine "unzufriedene" bzw. "unversorgte" Mannschaft wird meutern.



Selbstverständlich gibt es auch in "Vendetta" ein Minigame, das man in den vielen Tavernen der verschiedenen Orte spielen kann. Hier waren die Entwickler leider weniger kreativ und bieten nur Würfelpoker an, das allerdings auch einigen Spaß bereiten kann, wenn man sich darauf einlässt.

Insgesamt ist das Spiel – verglichen mit den beiden letzten "Risen"-Teilen, "Skyrim" oder "The Witcher 3" – ziemlich schwierig. Dazu sei nur am Rande erwähnt, dass ich es tatsächlich geschafft habe, von den vielen "Erfolgen", die man im Verlauf des Spieles freischalten kann, bereits im Tutorial, also ganz zu Beginn, den ersten errungen habe, nämlich: "Sprenge dich selbst in Luft!". :-) Das schaffe eben nur ich, der Grobmotoriker. – Aber das Tutorial: Was so heißt, ist in Wahrheit gar keines, denn das Spiel stürzt den Spieler zu Beginn in ein völliges Chaos, in dem er weder weiß, was er tun, noch wohin er gehen soll. Erklärt wird hier fast nichts – man muss blind und von schießwütigen Feinden umgeben herumirren und hoffen, auf dem richtigen Weg zu sein – und stirbt dabei oft (jedenfalls war das bei mir so). Da gibt es keinen netten Onkel, der den Spieler an die Hand nimmt und leitet. So, genau so soll es sein!



Aus technischer Sicht ist an dem Spiel nichts auszusetzen: Die Grafik ist fantastisch – in irgendeinem Bericht las ich, sie sei gar mit "The Witcher 3" vergleichbar, was nicht ganz stimmt, aber auch nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Auf meinem Win7/64-System läuft das Spiel problemlos und ohne jeden Absturz. Steam oder irgendein anderer Krake ist zum Glück nicht erforderlich. Völlig bugfrei ist es dennoch nicht, allerdings betrifft das eher Kleinigkeiten, die nicht weiter erwähnenswert sind. Die vielen Dialoge sind professionell vertont, die Musik ist – mit einer Ausnahme – sehr passend: Natürlich gibt es in diesem Spiel eine Menge Seemannslieder zu hören, die in Kneipen oder auf der Straße geschmettert werden; allerdings gehören dazu auch einige karibische Gassenhauer, für die ausgerechnet Roberto Blanco angeheuert wurde. Deshalb gilt: Wenn du durch eine Stadt auf einer karibischen Insel schlenderst und aus der Ferne des Robertos Geheule an dein Trommelfell dringt, nimm flugs die Beine in die Hand und renne um die nächste Ecke, dann hast du es zum Glück wieder nur mit Besoffenen, Kotzenden, Dieben, Mördern, Huren und an die Häuserwände Pissenden zu tun. Wahlweise kannst du dem Sänger natürlich auch einfach den Säbel in den Hals stechen und die entsprechenden Konsequenzen tragen.



Fazit: "Vendetta" ist das Spiel, das "Risen 2" bzw. "Risen 3" hätte werden sollen und wischt mit beiden locker den Boden auf: Wer dieses Spiel gespielt hat, kann nie wieder die Biene-Maja-Welt der beiden Piranha-Bytes-Titel betreten. Ich habe mich selten zuvor so sehr in einem "politisch gänzlich inkorrekten" Spiel verloren und köstlich amüsiert. Nach der völlig verkackten Veröffentlichungsgeschichte ist es ein Jammer und ein großes Drama, dass dieses nunmehr endlich fertige und fantastische Spiel dennoch kaum Resonanz erfahren hat und weitgehend unbekannt bzw. unbeachtet geblieben ist: "Vendetta" ist das subversive "Gothic" von 2015.


Mittwoch, 3. Januar 2018

Über Korruption und ausbleibende Selbsterkenntnis


In der zweiten Dezemberhälfte ist leider einiges liegen geblieben, das ich aber nicht einfach im Kielwasser des Narrenschiffes zurück- und untergehen lassen möchte, so dass ich heute drei ausgewählte Meldungen kurz kommentiere.

1. Die korrupte Bande

"Spenden" von Privatpersonen, Unternehmen, Verbänden und anderen Organisationen machen einen nicht unerheblichen Teil der Parteienfinanzierung in Kapitalistan aus. So berichtete die FR kürzlich:

Im Wahljahr 2017 haben die CDU und die FDP mit Abstand die meisten Großspenden von Wirtschaftsunternehmen und vermögenden Gönnern erhalten. (...) / Aus Sicht des Vereins Lobbycontrol sind die bisher öffentlichen Zahlen allerdings nur ein "Bruchteil" der tatsächlich geflossenen Großspenden. Der Löwenanteil werde erst Mitte 2019 bekannt, wenn die Rechenschaftsberichte der Parteien für 2017 veröffentlicht werden.

Nun fragt sich ein unwissender Mensch wie ich natürlich, aus welchen Gründen man einer politischen Partei, die ja ohnehin schon fürstlich mit Steuergeldern gemästet wird, noch zusätzlich "Spenden" – noch dazu in solch absurden Höhen, die jede soziale Hilfsorganisation in Jubelstürme ausbrechen ließe – zukommen lassen sollte; und weshalb zur Hölle nicht peinlich genau und vor allem zeitnah darüber Rechenschaft abgelegt werden muss. Die Antwort liegt indes klar auf der Hand: Es geht um schnöde Korruption, die man aber im goldenen Westen natürlich nicht so nennen darf. So etwas Schändliches gibt es schließlich nur in Afrika oder anderen Ländern, deren Regierungen hierzulande beharrlich als "Regime" bezeichnet werden – nicht aber im freiheitlich-demokratischen Paradies mit seinen rechtsstaatlich fundierten "Regierungen".

Derweil wüsste ich ja zu gerne, wer da alles wieviel Geld gezahlt hat, um sich beispielsweise die asoziale, menschenfeindliche "Agenda"-Politik zur Zwangsverarmung ganzer Bevölkerungsteile zu kaufen. Ich werde es wohl nie erfahren.

2. Hartz-Terror für Frankreich

Der französische Präsident Macron, der hierzulande von der Kuhpresse nach wie vor beharrlich als "Linksliberaler" bezeichnet und beschrieben wird, will den in Deutschland erprobten und aus Sicht der "Elite" für sehr gut befundenen Hartz-Terror nach Frankreich importieren. Bei n-tv war zu lesen:

Arbeitslosen in Frankreich drohen nach einem Pressebericht künftig drastischere Einschnitte. Nach Informationen der Zeitung "Le Canard enchaîné" sollen ihnen die Zuwendungen künftig deutlich schneller gekürzt werden, wenn sie sich nicht ausreichend an der Jobsuche beteiligen. (...) / Macron will im kommenden Jahr den Umbau der Arbeitslosenversicherung in Angriff nehmen, nachdem er in diesem Jahr bereits den Kündigungsschutz und die 35-Stunden-Woche gelockert hatte.

Solche soziale Wohltaten kann der Bevölkerung in der Tat nur ein "Linksliberaler" bescheren, das kennen wir ja vom korrupten Herrn Schröder und seinen üblen SpießgesellInnen aus der SPD und der Grünpartei bis zum Erbrechen. Nun sind also die bedauernswerten französischen Nachbarn an der Reihe – und die kapitalistische Kampfpresse lobt wie von Sinnen den "Reformwillen" jenes verkommenen Schlips-Borg bzw. Schröder-Klons: Allein die Bezeichnung "Umbau der Arbeitslosenversicherung" ist ein ebensolcher Schlag ins Gesicht jedes denkfähigen Menschen wie die Schröder'sche Formulierung "Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe", die bekanntlich nichts anderes bedeutete als die ersatzlose Abschaffung der ehemaligen Arbeitslosenhilfe bei gleichzeitiger rigoroser Verschärfung der Sozialhilfegesetze.

Das ist alles so absurd, so überaus schrill, dass ich gar nicht anders kann als auf den folgenden Bericht hinzuweisen, den die versammelte Bagage der korrupten Kapitalisten jedoch nie verstehen oder gar verinnerlichen wird – das ist so sicher wie der Geisterglaube in der Kirche (zumal die meisten kapitalistischen Täter ohnehin sehr genau wissen, was sie da anrichten).

3. Der Griff an die eigene Nase

Mal ehrlich: Wir glauben doch alle irgendwie, dass wir sehr genau wissen, weshalb wir uns eine Meinung über diverse Dinge und Begebenheiten bilden. In einigen Fällen mag das auch zutreffen – keineswegs aber in allen, wie ich im Dezember bei spektrum.de erfuhr:

Wir halten uns im Allgemeinen für gut informiert und haben zu vielen Dingen eine feste Meinung. Doch wenn wir die Welt erklären sollen, geraten wir schnell ins Stottern. Der Grund: systematische Selbstüberschätzung!

Diesen äußerst lesenswerten Text lege ich allen LeserInnen und MitbloggerInnen sehr ans Herz und rate eindringlich dazu, sich öfter mal an die eigene Nase zu fassen, bevor man allzu laut die wie auch immer erlangte Überzeugung kundtut. Das betrifft mich selbst natürlich ganz besonders, da ich hier oft genug mein Maul weit und laut aufreiße und dabei gelegentlich auch bösen Schiffbruch erleide. Wenn es also so etwas wie einen "Vorsatz" fürs angebrochene Jahr für mich gibt, dann ist es dieser: Weniger Ekstase, dafür mehr Selbsterkenntnis.

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Ecstasy



(Gemälde von Hans Hofmann [1880-1966] aus dem Jahr 1947, Öl auf Leinwand, Berkeley Art Museum, Los Angeles, USA)

Dienstag, 2. Januar 2018

Das braune Jahr beginnt: Barbaren, kriminelle Kinder und muslimische Vergewaltiger allerorten


Das Jahr fängt erwartungsgemäß genauso irrsinnig an, wie das vorangegangene endete. Noch an Silvester schwappte der angeblich adeligen und seltsamerweise trotzdem "volksnahen" AfD-Fregatte Beatrix von Storch eine braune, übelriechende Kotwelle aus dem entzückenden, anatomisch sehr merkelähnlichen Mund, wie u.a. n-tv berichtet:

Von Storch hatte sich in dem Kurznachrichtendienst [Twitter] am Silvesterabend über einen Tweet der Kölner Polizei aufgeregt, die Neujahrsgrüße in mehreren Sprachen veröffentlicht hatte, darunter Arabisch. "Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch. Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?", schrieb von Storch.

Da sprüht der glühende Humanismus aus jedem Buchstaben – und man möchte der Dame, die in meinen subversiven Augen stets so aussieht, als habe ihr gerade jemand gewaltsam den Lieblingslolli weggenommen, beruhigend über das schmollende Haupt streicheln und ihr versichern, dass es auf diesem Planeten sicherlich so einige Perverse gibt, von denen aber nur sehr wenige ein Interesse daran haben dürften, sich an einem (solchen) Storch zu vergehen. (Asche auf mein Haupt für diese Entgleisung.)

Der Boulevard meldet unterdessen gewissenhaft:

Die Kölner Polizei zeigt die AfD-Politikerin Beatrix von Storch an: Es werde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet, sagte eine Polizeisprecherin dem Portal "faz.net".

Man kann indes sicher sein, dass dieses medial aufgebauschte Ermittlungsverfahren – wie fast immer in solchen Fällen – still und leise im Sand versickern wird und die Störchin mit dem blauen braunen Blut keinerlei ernsthafte Konsequenzen zu befürchten hat. Die im gewohnt rassistischen Jargon beschworenen "barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden" sind derweil allerdings in der Welt und befeuern die rassistischen Stammtische landauf, landab weiter.

Auf derselben braunen Welle reiten aber auch weitere politische Geistes- und Gewissensgrößen, von denen an Neujahr in den Medien die Rede war: Der bayerische Innenminister Herrmann (CSU) will beispielsweise "jugendliche Flüchtlinge konsequent abschieben, wenn diese straffällig werden. Ein schwieriger Vorsatz, mit dem Joachim Herrmann da ins neue Jahr startet: Mit europäischem Recht ist die Forderung nämlich nicht zu vereinbaren." Auch hier blinkt die pure Menschenfreundlichkeit und christliche Nächstenliebe samt postweihnachtlicher Barmherzigkeit – gerade in Bezug auf Kinder und Jugendliche – aus allen braunen Löchern. Kapitalistische Faschisten aus der CSU und der AfD (und anderen politischen Parteien der rechtsradikalen "Mitte") kommen gar nicht erst auf den absonderlichen Gedanken, dass man Menschen zunächst einmal helfen sollte – sogar dann, wenn sie "straffällig" geworden sein sollten. Ob Herrmann seine eigenen Kinder bzw. Enkel mit derselben faschistischen Haltung behandelt und entsorgt, ist bislang leider unbekannt.

In die gleiche braune Kerbe haut auch Christian Lindner (FDP): "Der Vorsitzende der FDP, Lindner, spricht sich für einen harten Kurs gegenüber minderjährigen kriminellen Asylbewerbern aus. Es müsse möglich sein, diese auch abzuschieben." Auch hier findet sich die stets gleiche, sattsam bekannte Menschenfeindlichkeit Kapitalistans, die mir regelmäßig die kalte Kotze aus dem Gesicht treibt. Fiese, korrupte GesellInnen wie diese schmierigen Schlips-Borg kloppen mit Vorliebe vehement auf die Schwächsten ein – immer in der (leider allzu berechtigten) Hoffnung, dass die etwas weniger Schwachen den miesen Trick nicht durchschauen und fleißig mitkloppen. Das perverse Prinzip Kapitalistans funktioniert aus Sicht der "Elite" auch nach hunderten von Jahren noch immer vorzüglich.

Wenn ein Jahr schon am Neujahrstag so beginnt, kann man eigentlich nur noch sehnsüchtig auf einen baldigen Kometeneinschlag hoffen.

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Dead Planet


Montag, 1. Januar 2018

Neujahrsmusik 2018: The Last Judgement




(The Enid: "The Last Judgement / In The Region Of The Summer Stars", live in Birmingham 2010; Original aus dem Album "In The Region Of The Summer Stars", 1976)

Anmerkung: Bemerkenswert ist an diesem Musikstück neben der spätromantischen, für dieses Genre ungewöhnlichen Harmonik vor allem die Virtuosität und Leichtigkeit, mit der das schwere, mittelalterliche musikalische Thema des "Dies Irae" (der "Tag des Zorns", also das "Jüngste Gericht") in die Rockmusik eingebunden wird. Die Musiker um den inzwischen leider böse erkrankten Robert John Godfrey folgen damit einer sehr, sehr alten Tradition bezüglich dieser liturgischen Melodie aus dem 13. Jahrhundert, die im Laufe der Jahrhunderte schon viele Komponisten und in "neuerer" Zeit auch Rockmusiker inspiriert hat:



Es ist müßig zu erwähnen, dass ich als Atheist an kein solches albernes "Gottes-Gericht" glaube – die bevorstehende bzw. anbrechende Endzeit im "goldenen Westen" jedoch, die nehme ich durchaus sehr deutlich wahr. Allerdings ist sie auch heute – wie schon fast immer zuvor – menschengemacht. Aus der Historie lernen wir also wieder einmal (nicht): Es gab schon eine Menge Endzeiten auf diesem unwichtigen Planeten inmitten des unendlichen Nirgendwo am Rande der kleinen Milchstraße, und sie werden wohl auch immer wiederkehren, solange die bekloppte Menschheit immer und immer wieder dieselben fatalen Fehler macht, ohne aus der Vergangenheit tatsächlich zu lernen. Das gilt zumindest solange, bis irgendwann kein Neubeginn in der ewigen Rotationsschleife der unausweichlichen Verdammnis mehr möglich ist ...



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Nebenbei: Willkommen im Jahr 2018. Und ein großes Dankeschön an alle BesucherInnen und KommentatorInnen des "Narrenschiffes"! So lasset uns auch weiterhin den Kapitalisten, den Rassisten, den Korrupten, den Menschenfeinden, den Eigennutzmehrern, den Esos, den Faschisten und sonstigen Gruseligkeiten immer wieder vors Schienbein treten: Solange ich das noch kann und solange es jemand liest, werde ich damit nicht aufhören.

Also, auf ein Neues.

Samstag, 30. Dezember 2017

Zitat zum Jahresende: Die Fahrt nach der Irrenanstalt


I
Auf lauten Linien fallen fette Bahnen
Vorbei an Häusern, die wie Särge sind.
An Ecken kauern Karren mit Bananen.
Nur wenig Mist erfreut ein hartes Kind.

Die Menschenbiester gleiten ganz verloren
Im Bild der Straße, elend grau und grell.
Arbeiter fließen von verkommnen Toren.
Ein müder Mensch geht still in ein Rondell.

Ein Leichenwagen kriecht, voran zwei Rappen,
Weich wie ein Wurm und schwach die Straße hin.
Und über allem hängt ein alter Lappen –
Der Himmel ... heidenhaft und ohne Sinn.

II
Ein kleines Mädchen hockt mit einem kleinen Bruder
Bei einer umgestürzten Wassertonne.
In Fetzen, fressend liegt ein Menschenluder
Wie ein Zigarrenstummel auf der gelben Sonne.

Zwei dünne Ziegen stehn in weiten grünen Räumen
An Pflöcken, deren Strick sich manchmal straffte.
Unsichtbar hinter ungeheuren Bäumen
Unglaublich friedlich naht das große Grauenhafte.

(Alfred Lichtenstein [1889-1914], in: "Dichtungen", Arche 1989; Erstdruck Teil I in: "Die Aktion", Nr. 7, 1912; Teil II in: Ebd., Nr. 32, 1912)


Mittwoch, 27. Dezember 2017

Ach, wie überraschend: "Reiche Menschen sind sozial schwächer"


Nun ist die alte These, die eigentlich längst eine Gewissheit ist, auch wissenschaftlich "bewiesen": "Sozial schwach" sind vornehmlich reiche Menschen bzw. solche, die sich der "Oberschicht" zugehörig fühlen. Das jedenfalls meldete vor kurzem spektrum.de:

Wer weniger Geld hat, ist bewusster im Umgang mit den Mitmenschen.

Wer hätte denn das auch ahnen können, nicht wahr. Wir dürfen also getrost festhalten und nun auch wissenschaftlich belegt konstatieren: Reiche sind öfter asozial, Arme hingegen öfter "sozial stark". Wie um Himmels Willen soll man das nun unseren (oft asozialen) "Eliten" und ihren (ebenfalls oft asozialen) Schergen in der Politik und den Medien nahebringen? Deren Narrativ beschwört ja semi-religiös das genaue Gegenteil. Es ist wie im Tollhaus.

Mich erinnert das an die kleine Anekdote, die ich vor einigen Monaten erlebt habe: Vor dem Supermarkt, in dem ich meine Lebensmittel einkaufen wollte, stand eine ältere Dame und bot eine Straßenzeitung an. Ich kramte derweil in meiner Tasche und bemerkte, dass ich den dämlichen Chip für den Einkaufswagen zuhause vergessen hatte – eine Euro-Münze hatte ich ersatzweise ebenfalls nicht parat. Ich fragte also einige Passanten, ob sie Geld wechseln können, hatte aber keinen Erfolg. Daraufhin gab mir jene Dame, die das mitbekommen hatte, ungefragt eine solche Münze und sagte nur lächelnd: "Hier, nehmen Sie."

Ich war so verdutzt, dass ich nur verwirrt lächelnd "Danke" sagen konnte und meinen Einkauf sodann startete. Während ich durch den Laden schlich, rotierte es aber in meinem Schädel und ich begriff endlich, was da gerade geschehen war. Ich beschloss also, die Dame ebenso zu überraschen und freute mich schon – als ich aus dem Laden wieder heraustrat, war sie aber leider nicht mehr dort, denn es regnete inzwischen in Strömen. Das war sehr beschämend und hat mich noch lange beschäftigt. Ich habe die Frau leider nie wieder gesehen.

Die Frage nagt noch heute an mir: Wieso habe ich der Dame eigentlich nicht vorher schon etwas Geld gegeben? Ich gehe doch sonst auch nicht an Bettlern oder anderen offensichtlich Bedürftigen vorbei, ohne zumindest ein paar Münzen, die ich irgendwie entbehren kann, abzugeben. Wie gesagt, ich schäme mich noch heute dafür. – Gleichzeitig erinnere ich mich an den schnell durch die Straßen hechelnden Schlips-Borg, der mir vor einiger Zeit mal ins Gesicht rotzte, nachdem ich einem Bettler ein belegtes Brötchen in der Bäckerei, vor der er saß, gekauft hatte: "Wenn Sie diesem Penner etwas geben, sitzt der morgen wieder hier! Denken Sie doch mal nach!" Dann ging er hektischen Schrittes weiter.

Es ist – wie schon erwähnt – wie im Tollhaus. Und die Irren, die Psychopathen, die Asozialen haben das Sagen.

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Rationalisierung


"Seht ihr, Kinder, früher hat mein Vater noch tausend deutsche Arbeiter gebraucht, um sich ein Kapital zu schaffen, und heute braucht er nur noch eine einzige Schweizer Bank, um keine Arbeiter mehr zu brauchen."

(Zeichnung von Eduard Thöny [1866-1955], in "Simplicissimus", Heft 19 vom 04.08.1930)