Dienstag, 29. Dezember 2009

Rote Karte für das System: Deutschland braucht einen neuen Sozialvertrag

Deutlicher hätte der Vertrauensentzug für das politische und wirtschaftliche System Deutschlands nicht ausfallen können. Ausgerechnet die konservative Bertelsmann-Stiftung hat das in einer Studie anhand von Tiefeninterviews jetzt festgestellt ("Vertrauen in Deutschland, eine qualitative Wertestudie"). Danach haben nur noch 31 Prozent ein entgegen dem gesellschaftlichen Gesamttrend relativ hohes Vertrauen und hoffen auf eine Verbesserung des bestehenden Systems. Eine zweite Gruppe von etwa 24 Prozent erklärt sich zwar mit dem bestehenden System grundsätzlich einverstanden, fordert aber einen tiefgreifenden Zielwechsel und eine Neudefinition in zahlreichen Bereichen. Eine dritte Gruppe von ungefähr 20 Prozent der Befragten verlangt als Konsequenz einen "Systemwechsel" in Bezug auf Marktwirtschaft und Demokratie mit mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger. Und 25 Prozent der Befragten erklären, dass sie ihr Vertrauen in "das System" grundsätzlich verloren haben. Sie glauben nicht, dass es überhaupt eine Lösung für ihr Vertrauensproblem gibt.



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Wie unser Essen manipuliert wird

Brot und Milch, das klingt nach unverfälschtem Geschmack. Doch unsere Grundnahrungsmittel verkommen zu Industrieprodukten – durch Zusatzstoffe aufgepeppt, mit Hightech haltbar gemacht.

Falls Sie heute morgen ein Brötchen gegessen haben, könnte es sein, dass sich jetzt diese Stoffe in Ihrem Magen befinden: Mono- und Diacetylweinsäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren (E 472 e), Guarkernmehl, Diphosphat, Calciumphosphat, gehärtetes pflanzliches Öl, Ascorbinsäure. Dies klingt schlimmer, als es ist, Calciumphosphat haben wir sogar in den Zähnen, Ascorbinsäure ist auch als Vitamin C bekannt und die anderen Backzutaten sind wahrscheinlich nicht giftig, auch wenn das noch niemand genau untersucht hat. Aber: Ist es das, was wir wollen, wenn wir morgens beim Bäcker Brötchen holen?

Unverpackte Backwaren dürfen in Deutschland ohne Zutatenliste vertrieben werden, daher erfährt niemand, was er kauft. Brötchen mit gerade diesem Chemiecocktail nehmen viele aber besonders gern, weil sie groß, leicht und luftig sind. "Mono- und Diacetylweinsäureester machen Brötchen groß und hohl, dafür schmecken sie aber auch nach nichts", spottet der Lebensmittelkritiker Udo Pollmer. "Sie sind ein Beispiel dafür, wie man mit Zusatzstoffen Lebensmittel pervertieren kann: Man fügt einen Stoff hinzu, um ein Produkt schlechter zu machen." Und steigert dadurch den Absatz, weil die Kunden gerne mehr Geld für große Brötchen ausgeben, auch wenn es Luft ist, die sie kaufen. Das Aufblähverfahren macht gleichzeitig den traditionellen Bäckern das Leben schwer, weil deren Brötchen dagegen mickrig aussehen. (...)

Dabei steht das Grundnahrungsmittel Milch nur beispielhaft für eine allgemeine Entwicklung. Milch ist nicht mehr Milch und Brot nicht mehr Brot. Erdbeerjoghurt ist nicht Joghurt mit Erdbeeren, sondern mit Aroma aus Pilzkulturen versetzt, die nach Erdbeeren schmecken. Käse wird heimlich durch Analogkäse ersetzt und Schinken durch zusammengepresstes Fleisch.

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Grippepanik: Jahrelange Desinformation im "Spiegel"

Jedesmal, wenn eine Virus-Panik wie die Vogelgrippe oder die Schweinegrippe von den Gesundheitsautoritäten losgetreten und von Medien wie dem Spiegel noch mal so richtig angeheizt wird, hieß es immer wieder, alles werde so schlimm wie bei der so genannten "Spanischen Grippe", die zwischen 1918 und 1920 gut 50 Millionen Menschen dahingerafft haben soll. Für dieses Drama soll angeblich das so genannte H1N1-Virus allein verantwortlich [gewesen] sein, hieß es bis dato stets. Dies wollte uns der Spiegel zum Beispiel 2007 in seinem Artikel "Spanische Grippe: Millionen starben an Überreaktion des Immunsystems" weismachen, und auch bei der diesjährigen Schweingegrippe-Panikmache war es nicht anders (...).

Doch nun zitiert Spiegel Online plötzlich eine aktuelle Studie, in der Forscher zitiert werden, die das Fazit ziehen: "Die Spanische Grippe" ist "weit mehr als nur eine Sache von 'ein Erreger verursacht eine Krankheit' gewesen".

Spiegel und Spiegel Online haben also seit Jahren ihren Lesern die Unwahrheit erzählt - und dies, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre herauszufinden, dass es keine Beweise dafür gibt und es auch nicht plausibel ist anzunehmen, dass am Ende des 1. Weltkriegs und kurz danach 50 Millionen Menschen allein durch ein Virus umgekommen sind. Dr. med. Claus Köhnlein und ich haben bereits in der 2006 erschienenen ersten Ausgabe unseres Buches "Virus-Wahn" (S. 239 ff.) dezidiert dargelegt, dass eine solche Annahme nicht begründet ist.

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Oberster "Wirtschaftsweiser" will Hartz IV um 30% kürzen

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Wolfgang Franz, fordert eine grundlegende Reform der Hartz-IV-Gesetze. Das Arbeitslosengeld II müsse zu einem Kombilohn ausgebaut werden, sagte Franz unserer Redaktion mit Verweis auf ein Reformmodell des Sachverständigenrats. "Es beinhaltet als Kernstück eine Absenkung des Regelsatzes um 30 Prozent und gleichzeitig bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten."

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Anmerkung: So stellt sich also ein "Wirtschaftsweiser" die Zukunft von Millionen von Menschen vor: Man senke das ohnehin vollkommen unzureichende "Existenzminimum" um ein sattes Drittel ab, damit die betroffenen Menschen jede auch noch so erbärmliche "Arbeit" annehmen - die es in der erforderlichen Anzahl gar nicht gibt -, um nicht verhungern oder kriminell werden zu müssen. Und gleichzeitig sollen die verbliebenen Steuerzahler auf diese Weise auch noch Niedrigstlöhne subventionieren. - Merken wir uns dieses Gesicht!


Afghanistan: Briefe von der Front

  1. "Gestern Abend mit einem komischen Gefühl meine Ausrüstung fertig gemacht. Es geht nach Kundus. In den Krieg? Jedenfalls sterben dort Menschen." - Die Weihnachtspost der deutschen Soldaten aus Afghanistan.

    Hallo, mein Liebling, ich bin kaum aus der Tür und vermisse Euch jetzt schon so sehr. Wir fliegen in einer halben Stunde ab, und Du kannst Dir nicht vorstellen, was es für ein Gefühl ist, von Euch getrennt zu sein. Ich melde mich, sobald ich die Möglichkeit habe. Mach Dir keine Sorgen. Ich liebe Dich.
    Oberstleutnant Markus Mossert*, 35, Masar-i-Scharif 2009.
    (*Namen von der Redaktion geändert)

    Nach 6 Stunden Flug ab Köln landeten wir gegen 22:30 Uhr örtlicher Zeit in Termes, Usbekistan. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Kabul, endlich mal wieder Transall fliegen. Dieser Lastesel der Bundeswehr fliegt seit knapp 40 Jahren. Zum Pinkeln hätte ich eine Klappe im Flugzeugheck benutzen dürfen, immerhin mit Anstandsvorhang. Ich habe verzichtet.
    Oberstabsarzt Jens Weimer*, 34, Kabul 2006.

    Es war schon ein komisches Gefühl, in Termes aus dem Luftwaffenairbus zu steigen, in den am nächsten Morgen der Sarg mit dem gefallenen deutschen Hauptfeldwebel eingeladen wurde, um ihn nach Deutschland zu fliegen. Die Stimmung als gelöst zu beschreiben würde es nicht treffen.
    Stabsoffizier Hermann West*, 40, Kabul 2008.

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  2. Qualitäts-Journalismus, wie er selten geworden ist: In einer akribischen Recherche sammelte die Redaktion des "SZ Magazins" Feldpostbriefe, SMS und E-Mails, die deutsche Soldaten vom Einsatz in Afghanistan in die Heimat schickten. Die Schreiben zeigen Einblicke in den Alltag inmitten kriegerischer Auseinandersetzungen. "Dieses Heft", so Chefredakteur Dominik Wichmann, "sollte eigentlich auch der Bundeswehr ein Anliegen sein." Tatsächlich haben die Streitkräfte den "SZ"-Report mit allen Mitteln torpediert.

    Für die Dokumentation hatten etliche Soldaten, vom Gefreiten bis zum Oberstleutnant, ihre Briefe und Unterlagen zur Verfügung gestellt. Die Folge: Wochenlang verschickte die Bundeswehr Mails, mit denen das Erscheinen der Titelgeschichte verhindert werden sollte. Unter dem Druck musste die Redaktion in 18 Fällen die Namen betroffener Soldaten ändern, um diese vor Repressalien zu schützen.

    Mit welcher Intention und Geisteshaltung die Stabsstellen der Bundeswehr vorgingen, zeigen Mails, die dem "SZ Magazin" zugespielt wurden. "Ziel des Artikels", heißt es darin etwa, "ist es nach Aussage der Redaktion, den Lesern einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben." Und weiter: "Ggf. besitzen die Journalisten bereits Kontakte zu Soldaten, die sich für das Projekt zur Verfügung stellen würden." In typischer Armee-Diktion wird nüchtern festgestellt: "PrInfoStab hat entschieden, das Vorhaben nicht zu unterstützen. Anfragen der 'SZ' nach Kontakten zu Soldaten sind daher abzulehnen."

    Die Redaktionsleitung des Magazins merkt dazu im Editorial an: "Uns ist nicht klar, inwiefern das Ziel, 'einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben', nicht vereinbar mit den Interessen des Militärs in einem demokratischen Land sein kann."

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Vom Sozialstaat profitieren die Reichen am meisten

Der Mittelstand hingegen hat das Nachsehen und wird bald den Aufstand proben.

Der Untergang der kommunistischen Staaten in Osteuropa hat den sozialdemokratischen Sozialstaat westeuropäischer Prägung unter zunehmenden Druck gesetzt. Und in der Tat: Der westliche Sozialstaat war, historisch gesehen, in erster Linie eine Maßnahme gegen den Aufstand der Massen, gegen die kommunistische Gefahr, gegen die drohende totale Enteignung der vermögenden Klassen. Solange die Angst vor dem Kommunismus akut war, war auch die Bereitschaft des Bürgertums durchaus vorhanden, in erheblichem Maß Steuern zu zahlen, um die Massen zu pazifizieren und die kommunistische Gefahr zu bannen. Der Sozialstaat, wie jeder Staat überhaupt, dient nämlich weder der Gleichheit noch der Gerechtigkeit, sondern vielmehr der Sicherheit. Und jeder weiß, dass Sicherheit Geld kostet – manchmal auch viel Geld. Allerdings hat das Ende des Weltkommunismus bei vielen das Gefühl erzeugt, dass die Sicherheitslage sich verbessert hat und die Investitionen in die Pazifizierung der Massen dementsprechend gesenkt werden können.

Ob dies stimmt oder nicht, ist eine empirische Ermessensfrage, die nicht theoretisch behandelt werden kann. Es stellt sich aber eine andere Frage, die durchaus von theoretischer Relevanz ist: Gibt es für die vermögenden Klassen einen anderen Grund, den Sozialstaat zu pflegen, außer der etwas antiquierten Aufgabe, die kommunistische Revolution zu verhindern? Nun, ich würde sagen, dass es diesen Grund gibt, denn es ist der Sozialstaat, dem die heutigen vermögenden Klassen ihr Vermögen verdanken. (...)

In letzter Zeit redet man viel über den neuen immensen Reichtum der Superreichen. Auf den Listen mit den Namen dieser Superreichen, die hin und wieder publiziert werden, finden sich die Namen der Besitzer von Aldi oder Ikea neben denjenigen der Ölmagnaten aus Saudi-Arabien und Russland. Nun fragt man sich: Welchen Rohstoff besitzen Deutschland und Schweden, der mit dem Öl verglichen werden könnte? Dieser Rohstoff ist der Sozialstaat. Denn der Sozialstaat erzeugt eine riesige Masse von armen, aber nicht völlig verarmten Konsumenten, die in großer Zahl billige Produkte konsumieren – und somit große Vermögen entstehen lassen. Das heutige Kapital verkauft den Sozialstaat an ihn selbst – und verdient dabei in einem Ausmaß, das früher unvorstellbar schien.

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Anmerkung: Ein bemerkenswerter Artikel für die Zeit. Angesichts der dort vertretenen Ansicht darf man allerdings gespannt die Frage stellen, wieso die "Elite" dennoch so vehement und unnachgiebig daran arbeitet, den Sozialstaat weiter zu zerstören?

Jubiläum ohne Jubel – 10 Jahre Bologna

Hätte es noch eines Beweises dafür bedurft, dass nicht jedes Jubiläum ein Anlass zum Jubeln ist, so wäre der Bologna-Prozess ein geradezu klassischer Beleg. Im folgenden Beitrag will ich der Frage nachgehen, wer von der Umgestaltung der Hochschulen und Studiengänge profitiert und dabei der Reihe nach alle Beteiligten des Prozesses daraufhin untersuchen, welche Konsequenzen sich jeweils für sie aus dem Umstrukturierungsprozess ergeben haben. Es werden dabei auch Begleitumstände berücksichtigt, die nur indirekt zum negativen Gesamtergebnis beigetragen haben, ohne die aber bestimmte Effekte nicht so fatal ausgefallen wären.

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Globalisierung: Die trostlose Heimat des Hampelmanns

Pädagogisch bewusste Eltern schenken ihren Kindern Holzspielzeug statt Plastikware. Doch das Naturprodukt stammt meist aus chinesischer Akkordarbeit - ohne Arbeitsschutz und zu Minimallöhnen. Ein Besuch in Yunhe, wo fast alle internationalen Marken produzieren lassen.

Liu Diandians Lieblingsspielzeug ist ein grüner Traktor aus Holz. "Den hat meine Mama für mich geklaut", verrät die Siebenjährige stolz. Sie hockt zwischen leeren Bierflaschen auf dem Boden und lässt den kleinen Trecker zwischen Stuhl- und Tischbeinen Slalom fahren. Wenn ihr langweilig wird, baut sie krachende Unfälle. Die tiefen Kerben verraten, dass Diandian oft Langeweile hat. Denn sie verbringt viele Stunden allein in dem engen Barackenzimmer. Der Traktor, ein abgewetzter Stoffigel und drei dünne Bilderbücher sind ihre einzigen Spielsachen - und das, obwohl ihre Eltern in einer Spielzeugfabrik arbeiten. Doch zu klauen haben sie nur einmal gewagt, zum Kaufen fehlt ihnen das Geld, und geschenkt bekommt in Yunhe niemand etwas.

Diandian und ihre Eltern, die vor drei Jahren aus der armen Provinz Anhui in die südchinesische Industriestadt gezogen sind, haben kaum eine Vorstellung davon, welche Reise das Spielzeug aus ihrer Fabrik vor sich hat - ebenso wenig wie man sich am anderen Ende der Welt groß Gedanken über seine Herkunft macht. Dabei stammen hunderttausende Geschenke, die in den kommenden Tagen unter deutschen Weihnachtsbäumen liegen werden, aus Yunhe. Allerdings laufen hier nicht die billigen Plastikpuppen vom Band, die "Made in China" seinen zweifelhaften Ruf eingebracht haben. Yunhe fabriziert die Kinderzimmerausstattung der wirtschaftlich Privilegierten, ökologisch Aufgeklärten und pädagogisch Bewussten: Holzspielzeug.

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Montag, 28. Dezember 2009

Afghanistan: "Verglichen mit den Amerikanern waren die Russen immer noch besser"

Die stummen Zeugen der sowjetischen Niederlage sind noch vielerorts zu sehen: Am Rand afghanischer Straßen rosten Panzerwracks der Roten Armee vor sich hin, manche dienen Kindern als Spielplatz. Der sowjetische Einmarsch vor 30 Jahren war Auftakt eines Krieges, der in unterschiedlicher Intensität und mit wechselnden Gegnern bis heute anhält.

Etwas mehr als neun Jahre dauerte es, bis die Soldaten der damaligen Weltmacht geschlagen abzogen. Etwa 1,2 Millionen Afghanen starben während der Besatzung. Trotzdem verklären heute immer mehr Afghanen die Sowjet-Zeit – während die Kritik an den ausländischen Truppen, die seit acht Jahren im Land sind, zunimmt. (...)

Der Ex-Soldat und jetzige Bauarbeiter Munir Ahmad aus Kabul ist nicht gut auf die Sowjets zu sprechen. "Die Kommunisten und Russen", sagt er, seien dafür verantwortlich, dass das Land heute zerstört und ruiniert sei. Doch immerhin hätten die Sowjets – anders als heute die Amerikaner – den Armen geholfen. "Verglichen mit den Amerikanern", sagt Ahmad, "waren die Russen immer noch besser".

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Afghanistan: Es ist auch Steinmeiers Krieg

Die Kundus-Affäre hat Ex-Außenminister Steinmeier erfasst - zu Recht. Es kann nicht angehen, dass die SPD sich vor ihrer Verantwortung für den Skandal und die verkorkste Afghanistan-Politik drückt.

Was wusste Frank-Walter Steinmeier über die Lage in Afghanistan? Die schlichte Antwort muss lauten: Er hätte in seinem Amt als deutscher Außenminister alles wissen können und hätte alles wissen müssen. Zumindest im Blick auf die politische Verantwortung, die er mit seinem Amtseid bei der Berufung auf sich genommen hat. Nachdem jetzt feststeht, dass einer seiner damaligen Beamten schon unmittelbar nach der Tragödie von Kundus über den Tod von unschuldigen Zivilisten informiert worden ist, Steinmeier jedoch in den ersten Tagen nach dem Luftangriff nur vage von "möglicherweise unschuldigen Opfern" redete, steht auch das Urteil fest: Steinmeier ist seiner politischen Verantwortung nicht gerecht geworden. All das liegt auf einer Linie: Verteidigungsminister Jung wollte die Unterlagen über Kundus nicht lesen, Steinmeier war nicht sehr an verfügbaren Informationen interessiert, das Kanzleramt wollte den Vorgang auf bewährte Weise bewältigen: durch Aussitzen.

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Lobbyisten im Umweltministerium - Atomaufsicht in der Hand der Atom-Lobby

Der Umweltverband Deutsche Umwelthilfe DUH) hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) aufgefordert, eine umstrittene Personalie in seinem Haus rückgängig zu machen. Dabei geht es um den nach dem Regierungswechsel zu Schwarz-Gelb neu berufenen Leiter der Atomaufsicht des Ministeriums, Gerald Hennenhöfer, der Manager beim Stromkonzern Viag war, einem Eon-Vorläufer.

Die Besetzung des Postens sei nicht nur ein politischer Fehler, der das Vertrauen in die Objektivität der Atomaufsicht erschüttere, argumentiert die DUH. Vielmehr bestünden auch "rechtlich größte Bedenken".

Der Umweltverband verweist auf den Paragrafen 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Danach dürfe für eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren "nicht tätig werden, wer außerhalb seiner amtliche Eigenschaften in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist". Dieses "Mitwirkungsverbot" sei zeitlich unbegrenzt.

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Tennessee Eisenberg: Szene wie im Zombiefilm

Tennessee Eisenberg wurde von der Polizei erschossen - gegen die Beamten wird keine Anklage erhoben. An der Schilderung der Tat durch die Staatsanwaltschaft bleiben Zweifel.

Wenn sich der Polizeieinsatz, der zum Tod des Studenten Tennessee Eisenberg führte, tatsächlich so abgespielt hat, wie ihn die Staatsanwaltschaft schildert, dann muss es eine Szene wie aus einem Zombiefilm gewesen sein.

Zwei Kartuschen voll Pfefferspray mitten in Eisenbergs Gesicht - der Mann wischt sich über die Stirn und fängt lauthals an zu lachen. Ein Schuss von hinten durchs Knie, einer durch den linken Arm - keinerlei Reaktion.

Weitere Schüsse auf die Beine, dann auch auf den Rumpf - wiederum keine Reaktion, der Mann dreht sich nur um und geht jetzt auf die Schützen los. Weitere Schüsse, aus kurzer Distanz. Jetzt endlich geht Eisenberg zu Boden, einer der letzten Schüsse traf ihn ins Herz.

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Lohndrückerei bei der für Daimler tätigen Reinigungsfirma Klüh

Es ist haarsträubend, was Beschäftigte der in den Stuttgarter Werken des Autobauers Daimler tätigen Reinigungsfirma Klüh zu erzählen haben. Von Beschimpfungen und Schikanen, von nicht gezahltem Lohn und Schmiergeld bei der Verlängerung von Arbeitsverträgen hatten Putzfrauen in den vergangenen Wochen in den Medien berichtet. (...)

Eine wichtige Rolle bei der Skandalisierung des Falls hatte der Enthüllungsjournalist und Autor Günter Wallraff gespielt, der bei einem Auftritt im SWR Mitte November meinte, die bei Klüh herrschenden Zustände erinnerten an "frühkapitalistische Zeiten". Er betonte: "Daimler-Benz ist mitverantwortlich für das, was auf ihrem Werksgelände passiert, wenn da Menschen fertiggemacht werden."

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Volker Pispers: Es geht immer nur ums Kohle Machen

CDU/FDP: Für Krisenlasten und Steuergeschenke muss die Mehrheit zahlen

So hat noch jede Rotstift-Debatte begonnen: Angesichts des Rekorddefizits im Haushalt werde in Fraktionskreisen darüber nachgedacht, hieß es am Dienstagmorgen in der Süddeutschen, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zu erhöhen. Das ist der Streit über das Wie – das Ob war in dieser politischen Konstellation ohnehin nie eine offene Frage: Für Krisenlasten und Steuergeschenke muss die Mehrheit zahlen. (...)

Irgendwann musste die Rangelei am Rotstift jedenfalls beginnen, Merkels Politik der Vertagung von Problemen konnte nicht lange aufgehen: Sparen ja, hieß es immer, aber erst im nächsten Haushalt 2011. Angeblich, "um die konjunkturelle Erholung nicht zu gefährden". Dass es um anderes ging, ließ der Bundesfinanzminister vor ein paar Tagen wissen. Es sei "nicht klug", den Katalog der Grausamkeiten "vier Wochen vor einer Wahl" zu veröffentlichen – gemeint ist jene in Nordrhein-Westfalen im kommenden Mai. Da steht die Bundesratsmehrheit auf dem Spiel, und diese Wahl soll für die CDU nicht ein grausamer Sparkommissar gewinnen, sondern ein "Arbeiterführer". (...)

Abgesehen davon lenkt der Gestus der Unvermeidbarkeit, auf den die Debatte umgehend zusammenschnurrte, von den Alternativen ab. Die Einnahmeseite scheint nur dann interessant zu sein, wenn das ohnehin schon Wenige von den Vielen abgeschöpft werden soll. Dass man von wenigen dagegen viel holen könnte, darf keine Rolle spielen. Nicht aus Unkenntnis freilich, sondern mit Absicht: Man dürfe nicht nur einzelne gesellschaftliche Gruppen belasten, warnte ein FDP-Haushälter, ohne Ross und Reiter zu nennen: Privatvermögen, Finanzkapital, Unternehmen.

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Schäubles Milliarden - nicht für den öffentlichen Dienst

  1. Die Angestellten im öffentlichen Dienst wollen mehr Geld - Schäuble weist die Forderung entsetzt zurück. Ob der Staat mehr für seine Angestellten hat, ist jedoch keine Frage des Könnens.

    Der Staat hat kein Geld, sagt Wolfgang Schäuble. Also weist er die Forderung nach fünf Prozent Lohnerhöhung für Krankenschwestern, Erzieher, Sachbearbeiter und sonstige Angestellte im öffentlichen Dienst mit Abscheu und Empörung zurück. Hat der Staat wirklich kein Geld?

    Er hat es gehabt, als er die Konjunkturprogramme auflegte. Er hat es auch gehabt, als die Banken gerettet wurden. Er hat es gehabt, als er die Kurzarbeit in der Industrie finanzierte. Und jüngst hat er auf viel Geld verzichtet, als er den Hoteliers eine unsinnige Senkung der Mehrwertsteuer zuschusterte. Ob der Staat ein bisschen mehr Geld für seine Angestellten hat, ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens und Sollens.

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  2. Großzügig hat der Finanzminister seinen Koalitionsfreunden Guido Westerwelle und Horst Seehofer ihre Wünsche nach Milliardenentlastungen für bestimmte Kreise erfüllt. Den anderen Schäuble lernen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes kennen. Ihnen zeigt sich ein besorgter, ein mahnender Finanzminister, der via "Bild"-Zeitung Einblicke in sein Gefühlsleben gewährt und berichtet, wie ihn die Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn erschrocken habe.

    In der Sache mag Schäuble gute Argumente vorweisen können. Das aber wird ihm wenig nützen, denn bald wird er merken: Die Steuersenkungen kosten nicht nur Geld, sondern auch Glaubwürdigkeit. Wie will ein Politiker Müllmännern in den Kommunen, Erzieherinnen und kleinen Angestellten in der Verwaltung erklären, für sie sei nichts in der Kasse, wenn er zuvor mit Steuerentlastungen Milliarden verteilt hat?

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Terrorwahn: In einem Klima der Angst ist jeder verdächtig

In einem Klima der Angst ist jeder verdächtig. Das merkte ein marokkanischer Student, der während des Oktoberfestes inhaftiert wurde - ohne Tatverdacht.

Metallzäune, Panzerfahrzeuge, Hunderte Polizisten, bis an die Zähne bewaffnet - wer in der letzten Septemberwoche des Jahres 2009 zum Oktoberfest aufbricht, kommt leicht auf die Idee, sich im Datum geirrt zu haben. Einen vergleichbaren Großeinsatz erlebt München sonst nur zur alljährlichen Sicherheitskonferenz im Februar. Aber eine Bannmeile um die Bierzelte, das gab es bisher nie. Die Wiesn 2009, ein Fest hinter Gittern: drinnen ein Prosit der Gemütlichkeit, draußen Alarmstufe Rot. Und Tariq Samir ist draußen.

Der Informatikstudent sitzt am Morgen des 26. September zehn Kilometer entfernt im Münchner Norden am Schreibtisch und lernt für seine Diplomprüfung. Sein Blick schweift aus dem Fenster, zum Firmenparkplatz gegenüber seiner Wohnung. An Wochenenden ist der sonst wie leer gefegt, jetzt steht dort ein silbergrauer BMW. Eigentlich würde sich Samir nichts dabei denken. Aber da war dieser Mann vor drei Monaten in der Uni-Bibliothek, der ihn mit einer Handy-Kamera filmte. (...)

Als der BMW gegen zwölf Uhr immer noch nicht verschwunden ist, läuft Samir die Treppe hinunter, um sich den Wagen genauer anzuschauen. Zwei Männer sitzen darin, einer starrt ihn an, der andere wendet den Blick ab. Samir notiert das Kennzeichen und ruft mit dem Handy die Polizei an. Er hat das Telefonat kaum beendet, als der Beifahrer aus dem BMW steigt und zu Samirs Wohnblock läuft. Dann heult der Motor auf, und der BMW entschwindet Richtung Hauptstraße.

Samir ruft noch mal bei der Polizei an. Der BMW gehöre zur Polizei, beruhigt ihn der Beamte, aber "die sind nicht wegen Ihnen da". Der Informatikstudent verständigt eine Anwältin, die er schon länger kennt. Gegen 16 Uhr erhält er eine SMS von ihr: "Sind die immer noch da?" Wieder verlässt Samir die Wohnung, um nach den Beobachtern zu schauen. Nun geht alles sehr schnell: Zwei VW-Busse bremsen neben ihm, Männer springen heraus. Samir sieht eine Nachbarin und schreit, sie solle die Polizei anrufen. Einer der Männer, er trägt eine Sonnenbrille, lacht nur: "Wir sind doch von der Polizei." Samir wird in einen VW-Bus gedrängt und davongefahren.

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Anmerkung: Absolute Leseempfehlung! Dies ist eine der vielen schrecklichen Folgen, die der politisch und medial seit fast zehn Jahren verbreitete Terrorwahn hat: Im Deutschland des Jahres 2009 gibt es wieder willkürliche, tatverdachtslose Verhaftungen, weil jemand eine andere Hautfarbe hat oder einer anderen Religion angehört. Willkommen in der Zukunft.

Schwarz-gelb entsorgt den Rechtsextremismus

Die neue Bundesregierung begreift den Rechtsextremismus offenbar als bloßes Randgruppenphänomen. Ihre Gleichsetzung desselben mit Linksradikalismus und Islamismus bedeutet zugleich einen Paradigma- und Strategiewechsel. Denn laut Koalitionsvertrag sollen die bestehenden Bundesprogramme gegen den Rechtsextremismus mit einem Jahresbudget von zusammen 24 Mio. Euro "unter Berücksichtigung der Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen" in allgemeine Projekte gegen Extremismus umgewandelt werden. Dadurch werden die Gefahren des Rechtsextremismus für die Demokratie relativiert – und bei stabilem Mittelaufkommen weniger Aktivitäten dagegen finanziert. (...)

All diese wichtigen Unterschiede [zwischen Rechtsextremismus und Linksradikalismus] verwischt nun die schwarz-gelbe Koalition bis zur Unkenntlichkeit. Dass sich die neue Bundesregierung erneut auf die ausgetretenen Pfade der Totalitarismus- und, aktueller: der Extremismustheorie begibt, hat primär politisch-strategische Gründe. Denn auf diese Weise maßt sich eine fiktive "politische Mitte" an, konkurrierende Positionen links und rechts von ihr als "undemokratisch" zu stigmatisieren und so vom demokratischen Diskurs auszugrenzen. (...)

Letztlich kaschieren Extremismus- und Totalitarismustheorien, dass die parlamentarische Demokratie weniger von den politischen Rändern als von den Eliten selbst bedroht wird, die ihre Privilegien durch Massenproteste gefährdet sehen und ihre Gegner als "Extremisten" brandmarken, um sie bei unentschiedenen Dritten in Misskredit zu bringen.

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Schwarz-gelb schenkt das Land kaputt

Statt schöner Bescherung sagt unsere Kolumnistin: Liebe Regierung, deine Geschenke will ich nicht! So eine Krisenpolitik ist gefährlich!

Ab Januar bekommt meine Familie mehr Geld: Mit zwei Kindern sind das 40 Euro Plus pro Monat. Anstatt mich aber höflich und artig zu freuen und zu bedanken, möchte ich am liebsten fragen, wohin ich das Geld zurück überweisen kann – ich will es nicht. Es klebt vielleicht kein Blut daran, wohl aber übergroße Dummheit und die verbauten Zukunftschancen vieler Kinder in diesem Land. Dabei klingt es ja zunächst nett, lieb und für manche vielleicht sogar logisch: Wir wollen den Familien mehr Geld geben, denn Familien sind uns wichtig - so die Botschaft der neuen Regierung. Und: Wir wollen die Leistungsträger dieser Gesellschaft entlasten – natürlich steuerlich. Es klingt so beschaulich schön, vor allem in Krisentagen. Sollte uns nicht warm ums Herz werden bei diesen Segnungen?

Mir wird es eher kalt. All diese Geldgeschenke sind reinste Eliten-Förderungs-Politik. Es wird denen nützen, denen es in der Krise noch immer recht gut geht. Von Steuerersparnissen hat nur etwas, wer überhaupt Steuern zahlt. Vom Mehr an Kindergeld hat die Hartz-IV-Familie überhaupt nichts.

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Was schon jeder wusste: Hartz IV ist gescheitert

  1. Bilanz nach fünf Jahren Hartz IV: Die Armut nimmt zu, nicht ab. Die Löhne sinken in den Keller, die Stimmung im Land ist gedrückt. Hartz IV ist der Sumpf, nicht die Rettung.

    Ziehen wir nach fünf Jahren eine Bilanz über den Erfolg von Hartz IV. Erfolg? Erfolg haben Empfänger dieser Leistungen vor allem bei den Sozialgerichten. Die Hälfte der Klagen wegen und gegen Hartz IV ist erfolgreich. Hartz IV ist immer noch ein institutionalisiertes Chaos; es ist Fordern ohne Fördern; es ist der Sumpf, nicht die Rettung.

    Mit Hartz IV hat die Armut im Lande zugenommen. Hartz IV hat die Stimmung im Land niedergedrückt. Das Armutsrisiko ist selbst für diejenigen gestiegen, die mit der Reform wieder in Arbeit gelangt sind: Hartz IV verändert nämlich die Struktur der Arbeitsverhältnisse, die Löhne sinken in den Keller. Die Arbeitsverhältnisse mit Tariflohn werden abgelöst von Ein-Euro- und Mini-Jobs, von befristeten Teilzeit- und Leiharbeitsverhältnissen mit Niedriglöhnen.

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  2. Der Paritätische [Wohlfahrtsverband] stellt der Politik fünf Jahre nach Einführung von Hartz IV ein vernichtendes Zeugnis aus. Diese Jahre stünden für fünf Jahre Verfassungsbruch und eine tragisch verfehlte Arbeitsmarkt- und Armutspolitik, betont Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider.

    "Hartz IV ist in der Sache gescheitert und hat zu einer massenhaften Verarmung geführt. Gerichte haben die Regelsätze, die Bescheide von hunderttausenden Betroffenen und die Verwaltungsstrukturen für nicht vereinbar mit Recht und Verfassung erklärt. Im Ergebnis steht unser Land vor einem arbeitsmarkt- und armutspolitischen Scherbenhaufen", so Schneider.

    Keines der ursprünglichen Reformziele sei erreicht worden, bilanziert der Verband. "Statt der schnellen Vermittlung in Arbeit gibt es eine Million Langzeitarbeitslose, die ohne Perspektive politisch im Stich gelassen wurden. Statt einer effizienten bürgerfreundlichen Verwaltung gibt es massenweise falsche Bescheide und häufig ungerechtfertigte Sanktionen. Statt einer Grundsicherung, die vor Armut schützt, werden sieben Millionen Menschen mit pauschalierten Armutssätzen abgespeist", kritisiert Schneider.

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Anmerkung: Trotz dieser Bilanz dürfen wir uns darauf einstellen, dass Schwarz-gelb die sozialen Daumenschrauben weiter anziehen wird. Denn natürlich war und ist gerade das, was oben negativ bilanziert wird, politisch genau so gewollt. Hartz IV ist kein "politisches Versehen".

Die neoliberale Propaganda geht unbeirrt weiter - Beispiel Süddeutsche Zeitung

(...) Anstatt angesichts des Desasters, das die neoliberale Ideologie weltweit angerichtet hat, wenigsten einen Moment der Reflektion einzulegen, macht die nach wie vor marktradikal ausgerichtete Wirtschaftsredaktion der SZ einfach fröhlich weiter, als wenn nichts geschehen wäre.

Guido Bohsem setzt bei der Rentendiskussion weiter auf die demographische Trumpfkarte; Marc Beise, der neue neoliberale Star, will Deutschland komplett deindustrialisieren und zur "Wissensgesellschaft" umfunktionieren, und Nikolaus Piper, der marktradikale Mentor des Blattes, der heiße Befürworter der "neoliberalen Einwanderungsgesellschaft", der Bejubler deregulierter Finanzmärkte, der Bewunderer von Ackermann und Konsorten, inzwischen Amerika-Korrespondent, kennt in Sachen neoliberaler Ideologie weiterhin keine Kompromisse: Er empfiehlt uns nach wie vor die Orientierung am amerikanischen Modell (...).

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Sonntag, 27. Dezember 2009

Warum das derzeitige Geldsystem unsere Demokratie aushöhlt

Zinskritik ist nicht neu, viele der großen Religionen etwa kannten aus gutem Grund lange das strikte Verbot, Zinsen zu nehmen. Dieter Petschow erklärt hier nochmals eindrücklich, warum eine "demokratische" Gesellschaft nicht gerecht sein kann, solange die Geld-"Ordnung" völlig unkontrolliert in den Händen einer kleinen Gruppe von "Feudalherren" liegt, denen damit das ganze Land gehört. (...)

Geld beherrscht uns! Wer aber herrscht über das Geld? Unser Finanzsystem verschleiert den Durchblick auf grundlegende Strukturen des Gemeinwesens. "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" lautet Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes. Was aber ist mit der strukturellen Gewalt des Geldes? Wurde das Geld eingebunden in die "freiheitlich demokratische Ordnung"? Wohl kaum. Gelten somit die Artikel 1 bis 19 GG nur innerhalb des staatlichen, nicht aber des wirtschaftlichen Bereichs? (...)

Was ist das eigentlich: Geld? Es kommt aus dem Nichts, wird "geschöpft", heißt "fiat money" in Analogie zu "fiat lux" – "es werde Licht" im Schöpfungsmythos des Alten Testaments. Unglaublich, diese Sprachregelung zur sozialen Potenz des Geldes! Wer Licht schöpft, sei Gott, glauben viele Menschen. Wer Geld "schöpft", wird irdisch-real zu ihrem ­Souverän. Das Münzrecht war immer schon ein Privileg von Monarchen. Der demokratische Staat aber schöpft kein Geld! Er vergibt auch keine Kredite, im Gegenteil, er nimmt Geld auf vom "Schöpfer", dies gegen (kommunales) Eigentum als Pfand. Er verschuldet seine Bürger beim Souverän. Auch Wirtschaft und Privatpersonen bekommen Kredite nur gegen Übereignung und Zinszahlungen an diesen Herrscher. Staatsgesellschaft und Souverän sind demnach nicht identisch. (...)

Dagegen sind die verborgenen Abgaben an den Souverän den meisten Bürgern kaum bekannt. Unser Geldsystem ist kein Gegenstand von Allgemeinbildung. Es gibt keinen Unterricht über seine Grundlagen, denn solches Wissen würde uns Bürger politisch mündig machen.

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Die Evolution des Mitgefühls

Der pessimistische Blick auf die Welt lässt wenig Raum für Hoffnung. Der Mensch, so scheint es und so haben wir es gelernt, ist ein selbstsüchtiges, hinterhältiges und über alle Maßen aggressives Lebewesen. In diesem Blickwinkel mutet es als reines Glück an, dass der Homo sapiens bisher weder den Planeten in Schutt und Asche gelegt hat, noch durch fortdauernden Krieg und rücksichtsloses Morden den Untergang seiner eigenen Spezies herbeigeführt hat. Allerdings könnte beides auch noch eintreffen - hunderttausende von Tierarten hat er schließlich schon vernichtet und der Planet ist immerhin schwer krank.

Glauben wir verschiedenen Vertretern der Evolutionstheorie, dann ist das nicht verwunderlich - die Natur ist eben so: ein blutiger Kampf von allen gegen alle, in dem nur der stärkste überlebt. Jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, es gilt das Gesetz der Konkurrenz, das "Überleben des Bestangepassten", wie Darwin es nannte. Wie von einem unterbewussten Wahn getrieben, stehen wir alle in einer rücksichtslosen Fortpflanzungs-Konkurrenz.

Auf dieser Maxime beruht eigentlich unsere ganze Gesellschaft: Konkurrenz ist der Leitfaden unseres Zusammenlebens. Schon in der Schule lernen wir, uns zu messen und zu vergleichen, spätestens im Arbeitsleben sind wir dann mittendrin im Selektionsprozess. Unsere Wirtschaft, unsere Politik: Alles Konkurrenzsysteme, in denen man dem anderen nicht trauen kann, die "Konkurrenz" gehört besiegt. Gelächelt wird nur zum Schein. Und wir alle glauben: So ist das eben.

Aber so ist es eben nicht.

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Mittwoch, 23. Dezember 2009

Zitat des Tages (23) - Weihnachten

Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich.

(George Orwell: 1984. London 1949)

Vorratsdatenspeicherung: Der gläserne Bürger

Kritiker bewerten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als Beschneidung der Bürgerrechte

Etwa 35.000 Bürger haben in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen das sogenannte "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung" eingereicht. Als "Dammbruch" hinsichtlich des Schutzes der Grundrechte wurde die Vorratsdatenspeicherung gestern im Karlsruher Gerichtssaal von den Beschwerdeführern und etlichen Sachverständigen charakterisiert. Kritische Nachfragen von der Richterbank zeugten ebenso von Besorgnis.

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Der Freiherr und die Front der Heuchler

Karl Theodor (...) Freiherr von und zu Guttenberg steht im Kreuzfeuer der Kritik. Soweit, so gut. Übersehen wird dabei leider die grenzenlose Heuchelei seiner Kritiker.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, den aktuellen Verteidigungsminister zu kritisieren. Trotz seiner zur Schau getragenen altdeutschen "Haltung" – "Man kneift nicht!" – macht der Freiherr beim Krisenmanagement rund um Kundus keine sehr gute Figur, beherzte Aufklärung sieht sicherlich anders aus, ja: man kann von einem Kommunikationsdesaster ersten Ranges sprechen.

Für von und zu Guttenberg besteht dieses Desaster, und eventuell auch das, was er als "Haltung" begreift, aber vor allem darin, dass er nun zur Zielscheibe einer Kritik wird, die ganz andere zu treffen hätte. Insofern geht es mir weniger darum, den Freiherrn in Schutz zu nehmen, als darum, die Heuchelei der Kritiker zu kritisieren.

Nehmen wir Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel. Diese Leute schwingen sich jetzt zu den Chefaufklärern des Massakers von Kundus auf. Beide haben erst kürzlich der Verlängerung des Afghanistan-Mandats zugestimmt. Ihre Parteien haben das ganze Abenteuer vor nunmehr acht Jahren beschlossen.

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Georg Schramm: Totes Humankapital

Wer gerne wissen möchte, wer vom allseits bejubelten "Aufschwung" in diesem Jahr profitiert hat, von dem die Kanzlerin nicht müde wurde zu betonen, er käme "bei den Menschen an", möge sich dieses kleine Stück Kabarett ansehen. Wer fühlt sich da nicht verarscht?


Was unsere Medien verschweigen: Schock in Kopenhagen

Routiniert wie von Beginn an plätscherte auch am Donnerstag die Berichterstattung vom sogenannten Klimagipfel in Kopenhagen durch die deutschen Medien. Es gab eine Dosis Pessimismus – Bundeskanlerin Angela Merkel (CDU) schloss vor ihrer Abreise in die dänische Hauptstadt gestern im Bundestag ein Scheitern der Konferenz nicht mehr aus. (...)

Wie es diese Repräsentanten der westlichen Wertegemeinschaft mit missliebigen Meinungen halten, bekamen auch offizielle Gäste der Konferenz zu spüren. Das Gepäck des venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez wurde laut einem Medienbericht bei dessen Ankunft auf dem Flughafen entgegen internationalen Bestimmungen erst einmal 45 Minuten lang durchsucht. Am Mittwochabend hielt die Polizei seine Wagenkolonne solange auf, bis ein Treffen mit Gewerkschaftern und Vertretern sozialer Organisationen abgesagt werden musste. Seine Rede vor der Konferenz am selben Tag verschwiegen die deutschen Berichterstatter weitgehend, ebenso wie die seines bolivianischen Amtskollegen Evo Morales. Nur der britische Guardian berichtete unter der Schlagzeile "Morales schockt Kopenhagen", die beiden Präsidenten hätten den Gipfel hochgescheucht, indem sie den Kapitalismus direkt für den Klimawandel verantwortlich gemacht und Milliarden Dollar an "Reparationen" von den reichen Ländern gefordert hätten.

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Anmerkung: Man kann zum angeblich "menschengemachten Klimawandel" stehen, wie man will - es ist wohl unzweifelhaft, dass die westlichen Industrienationen sowie deren internationalen Konzerne an der Verschmutzung und Zerstörung der Natur einen erheblich höheren Anteil haben als so genannte Entwicklungs- oder Schwellenländer. - Dass deutsche Medien die Beiträge von Chávez und Morales weitestgehend totschweigen, verwundert aber nicht weiter. Die Propagandamaschine schnurrt.

Hans-Eckhardt Wenzel: Tausend Tode

Sozialstaat ade: Die neue Kälte

Eine hoch qualifizierte Medizinerin entscheidet sich, ihre wissenschaftliche Karriere zu beenden. Stattdessen übernimmt sie in einem traditionellen Arbeiterstadtteil einer Großstadt eine Praxis als Hausärztin. Heute leben hier neben deutschen auch viele Arbeiterfamilien mit türkischem oder kurdischem Hintergrund und vor allem Hartz-IV-Empfänger. Es ist ein Stadtteil der Ausgegrenzten und des sogenannten Prekariats.

Die Ärztin weiß, worauf sie sich einlässt: viel Arbeit und wenig Verdienst im Vergleich zu ihren Kollegen. Aber sie wird nahe an der Seite derer sein, die es wirklich nötig haben. Sie ist engagierte Christin. Die Option für die Armen ist für sie kein frommes Gerede, sondern Wegweiser.

Womit sie aber nicht gerechnet hat: Ihre "Hausbank" verweigert ihr einen Kredit, mit dem sie die Praxis renovieren wollte. Begründung: Der zukünftige Verdienst aus der Arztpraxis biete nicht die nötige Sicherheit. Es fehlen wohl die Privatpatienten. Die junge Filialleiterin fragt: "Warum werden Sie nicht Therapeutin und lassen sich in diesem bürgerlichen Stadtteil nieder?"

Deutschland im Herbst 2009. Die soziale Spaltung des Landes ist nicht neu. Neu ist aber die Unverfrorenheit, mit der der Sozialstaat und die Werte von Solidarität und Gerechtigkeit infrage gestellt werden.

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Anmerkung: Es ist schön, endlich auch einmal von Seiten der Theologie ein paar deutliche Worte zu den wahnwitzigen Entwicklungen in diesem Lande und der Welt zu vernehmen. Dennoch ist zu befürchten, dass Herr Jung, der Autor des obigen Artikels, ein einsamer Rufer in der christlichen Sozialwüste bleiben wird.

Wissenschaftliche Prognosen: "Die größten Flaschen sind meistens auch die lautesten"

Die Zeugen Jehovas haben für 1975 den Weltuntergang prognostiziert. Weil ihnen aber damals die Anerkennung als öffentliche Körperschaft fehlte, konnte er bedauerlicherweise doch nicht stattfinden. Inzwischen wurde der Job des apokalyptischen Reiters von der Klimaforschung übernommen. Die Klimakatastrophe ist sozusagen die moderne Version des Jüngsten Gerichts. Früher schauten die Priester mit finsterer Mine in die Zukunft, indem sie die Anordnung tierischer Eingeweide studierten. Heute stehen in den Tempeln des Wissens summende Großrechner, die uns schonungslos zu verstehen geben: Gletscher sind Schnee von gestern.

Vor einigen Jahren untersuchte der Sozialpsychologe Philip E. Tetlock die Prognosefähigkeit von Experten. Er bat 248 renommierte Fachleute, Voraussagen zu künftigen Ereignissen abzugeben. Nach Auswertung von insgesamt über 80.000 Zukunftsfragen kam er zu dem ernüchternden Ergebnis: Obwohl es sich allesamt um hochqualifizierte Fachleute handelte, die sich ihr Wissen teuer bezahlen ließen, schnitten ihre Vorhersagen schlechter ab als Zufallsprognosen. Doch noch schlimmer: Tetlock stellte eine bemerkenswerte Korrelation zwischen der Qualität der Experten und der Häufigkeit, mit der sie im Fernsehen auftreten fest, die auch als die "Goldene Regel der Sektherstellung" bekannt ist: Die größten Flaschen sind meistens auch die lautesten.

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Klimakonferenz Kopenhagen: Der Weltuntergang fällt aus

  1. Zweifel an der These vom menschengemachten Klimawandel häufen sich. Die Alarmisten rudern vorsichtig zurück, doch die Politik schaltet weiter auf Durchzug.

    Den Klimawandel gibt's tatsächlich. Genau genommen gab es ihn schon immer. Auch jetzt erleben wir ihn, und zwar als einen langsamen Anstieg der globalen Temperatur, der allerdings seit 1998 eine Pause macht. Dieser Erwärmungstrend lässt sich seit rund 150 Jahren beobachten. Er setzte ein, als die "Kleine Eiszeit", die Europa zwischen 1500 und 1850 in zwei aufeinanderfolgenden Kälteschocks im Griff hatte, zu Ende ging. Seither nähert sich die mittlere Erdtemperatur dem Zustand einer Warmzeit, wie sie das vorletzte Mal zwischen 200 v.Chr. und 200 n.Chr. als "Römische Warmzeit" und das letzte Mal im Mittelalter zwischen 900 und 1350 n.Chr. herrschte. Damals betrieben die Wikinger im teilweise eisfreien Grönland – ihrem Grünland – Landwirtschaft. Die Rückkehr zu einer Warmzeit lässt seit 150 Jahren den Meeresspiegel langsam und gleichmäßig ansteigen. Mitte des 19. Jahrhunderts begann auch der Rückzug vieler Gletscher. (...)

    Das Problem der aktuellen Klimadiskussion beginnt jedoch schon früher, und zwar mit der physikalisch falschen Bezeichnung "Treibhauseffekt". Ein Treibhaus ist eine lichtdurchlässige, aber jeden Luftaustausch durch Glasscheiben verhindernde Hülle. Es wird darin warm, weil die von der Sonne erwärmte Luft am Aufsteigen gehindert wird. Die Erdatmosphäre ist dagegen ein offenes System, bei dem erwärmte Luft selbstverständlich in höhere Schichten aufsteigen und dort ihre Wärme durch Wärmeleitung oder Strahlung weitergeben kann. Die Erdatmosphäre ist also das Gegenteil eines Treibhauses. Sie ist ein hoch kompliziertes, turbulentes, dynamisches System, dessen physikalische Beschreibung und Berechnung ungelöst ist.

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  2. Es war schon interessant, auf der Klimakonferenz in Berlin mit den vor dem Hotel demonstrierenden Greenpeace-Aktivisten zu diskutieren (die zwei Figuren von der ÖDP habe ich, demonstrativ rauchend, ignoriert). Fast eine Stunde lang übrigens – und das in aller Freundschaft. Es hat Spaß gemacht, und wir sind mit der Erkenntnis auseinandergegangen, dass uns allen etwas an der Erde und den sie bewohnenden Menschen liegt. Aber es war auch aus zwei Gründen erschütternd. Da dachten die Aktivisten doch tatsächlich, ich wäre nun ein verbrecherischer Vertreter irgendeiner bösen Macht (wahlweise Kohle, Atom, Öl, Pharma oder Großkapital) und hätte Schlimmes im Sinn. Und zweitens waren die grünen Umweltkämpfer samt und sonders von jeglicher Vorahnung unbelastet. Schon meine Frage, ob sie denn jetzt den Emissionshandel oder die Karbonsteuer als regulierende Mechanismen zur Emissionsminderung bevorzugen, erntete fragende Blicke. Angesprochen auf ihre Heroen, beispielsweise Dennis Meadows und James Hansen, vertiefte sich die Leere in den Augen. Dennis wie? James wer? Falls jemand von Greenpeace das liest: Ladet doch mal mich zu einem Vortrag ein, ich erkläre Euch gerne, wofür Ihr da eigentlich demonstriert und was ich darüber denke.

    Für den Anfang kann ja dieser Artikel ein paar Denkanstöße liefern. Denn so spannend es auch sein mag, über natürliche Klimavariabilitäten, über die Güte von Temperaturkurven, über die Höhe der Klimasensitivität und über die korrekte Interpretation von Baumringdaten zu streiten, so wenig interessiert das jemanden in Kopenhagen. / In der dänischen Hauptstadt wird seit Montag nämlich nicht über den Konsens in der Klimaforschung debattiert. Sondern über den Konsens in der Klimapolitik, der nach dem Willen der Industrieländer lauten soll: Es sind in erheblicher Menge Kohlendioxid-Emissionen einzusparen, koste es, was es wolle, und darauf habe man sich verbindlich zu einigen. Und zwar unter dem politischen Regime einer neuen Weltregierung, deren Agenda – was Wunder – durch uns, durch die Industrieländer, festgelegt wird.

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Sonntag, 20. Dezember 2009

Armut in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde











Anmerkung: Dieser unsägliche Pastor aus Köln ist natürlich ein Teil des Problems, was im Film aber nicht herausgearbeitet wird - obwohl die sozialwissenschaftlichen Ansätze ja gezeigt werden. Auch er denkt nicht weit genug und bemerkt nicht, dass er bloß instrumentalisiert wird und brav seine Funktion als Rädchen im ausbeuterischen System der Umverteilung erfüllt. - Die Sprechblasen des Hans-Werner Sinn muss man nicht weiter kommentieren - der Mann weiß, dass er Blödsinn redet, dafür wird er schließlich bezahlt.

"Bildungsgipfel": Ein Haufen Mist

  1. Föderalismus, Verlogenheit und statistische Tricks: Während die Studenten immer schneller werden müssen, trödeln Merkel und Co. von einem Gipfel zum anderen.

    Politische Propaganda gibt es auch in der Demokratie, die Bildungspolitik liefert dafür ein trauriges Beispiel. "Ein guter Propagandist macht aus einem Misthaufen einen Ausflugsort", heißt es bei Bertolt Brecht. Der Ausflugsort der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten hieß in dieser Woche "Bildungsgipfel". In Wahrheit haben sie keinen Gipfel erklommen, sondern nur einen Haufen Mist. (...)

    Ein Jahr ist verstrichen seit dem ersten vermeintlichen Bildungsgipfel in Dresden. Damals wurden die entscheidenden Fragen nach Geld und konkreten Hilfen für Schulen und Universitäten einfach vertagt. Und so ist es in diesem Jahr wieder. Merkel und die Ministerpräsidenten sind also Wiederholungstäter, der Föderalismus wird zur Farce. Das Gerangel zwischen Bund und Ländern verhindert jedes ernsthafte Gespräch darüber, wie das Land den Kampf gegen die Bildungsarmut gewinnen will.

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  2. Bildung auf dem Grabbeltisch

    Große rote Schilder mit der Aufschrift "Sale" hätten heute an den Fenstern des Bundeskanzleramts kleben müssen: Ausverkauf der Bildungsrepublik. Eine nicht gerade vorweihnachtliche, sondern eher hitzige Basar-Stimmung beherrschte die Atmosphäre im kanzlereigenen Konferenzsaal in Berlin-Mitte. Auf dem Grabbeltisch des "Bildungsgipfels" lagen: Jobcenter, Hotels, Schulen, Universitäten und ein paar Mehrwertsteuerpunkte. Die Ministerpräsidenten waren alle da, Kabinettsmitglieder wie Bundesbildungsministerin Schavan ganz vorne und die Bundeskanzlerin versuchte sich als Auktionator. Doch im Lärm und Gedränge hörte sie niemand. Jeder versuchte längst, ein besonders schmuckes Stück für sich herauszuzerren.

    So in etwa muss es auf dem heutigen "Bildungsgipfel" zugegangen sein. Ein jämmerliches Bild, dass ein "Bildungsgipfel" zu einer Art "Krisengipfel" verkommt, auf dem es in Wirklichkeit nur darum geht, das missratene "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" zu retten.

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Immer weniger Vollzeitjobs

Immer weniger Menschen in Deutschland finden eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle. Dies berichtet die Bundesregierung in einer der Frankfurter Rundschau vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei. Demnach nahm die Zahl der Vollzeitbeschäftigten zwischen Juni 1999 und Juni 2008 um 1,4 Millionen oder sechs Prozent auf 22,4 Millionen Menschen ab.

Zugleich wuchs die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 1,3 Millionen oder 36 Prozent auf fünf Millionen. Auf dem Vormarsch sind Minijobs, deren Zahl binnen sechs Jahren um 29 Prozent auf über sieben Millionen hochschnellte. Und immer mehr Arbeitnehmer kommen mit einer Stelle nicht über die Runden.

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"Herr Guttenberg, Sie haben keine Lizenz zum Töten"

Beruhigungspille Bildung

Bewohnerinnen und Bewohner eines westlichen Industrielandes, das sich als "Wirtschaftsstandort", "Exportweltmeister" und "Wissensgesellschaft" versteht, begreifen (Weiter-)Bildung in aller Regel nicht mehr als Möglichkeit zur Welterkenntnis oder zur Persönlichkeitsentwicklung, sondern bloß noch als Mittel ihrer beruflichen Qualifikation, das ökonomischen Verwertungsinteressen bzw. dem Ziel dient, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten oder zu verbessern. Gleichzeitig avanciert Bildung im öffentlichen Diskurs zum Allheilmittel für die politischen Hauptübel, als da sind: (Kinder-)Armut, (Jugend-)Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung der Familien und Werteverlust, Zerfall der Gesellschaft und wachsende soziale Ungleichheit. Hier soll diese Ideologie am Beispiel der Armut widerlegt und gezeigt werden, wie sie nicht bloß falsche Schuldzuweisungen an Minderheiten hervorbringt, sondern auch die Durchsetzung sinnvoller Alternativen der Gesellschaftsveränderung erschwert.

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Die Marionetten des Josef Ackermann

Welch freudige Nachricht für die Aktionäre der Deutschen Bank: Zehn Milliarden Euro will das Frankfurter Geldinstitut 2011 vor Steuern verdienen – und damit den Rekordgewinn aus dem Jahr 2007 um drei Milliarden Euro toppen. Vom umstrittenen Renditeziel in Höhe von 25 Prozent wird nicht abgerückt. Das versprach Vorstandschef Josef Ackermann auf einer Investorenkonferenz am Montagabend. Prompt schossen die Aktien in die Höhe. Sie gewannen 3,5 Prozent und beendeten den Tag als bester deutscher Dax-Wert. Geht's noch?

Aus diesen Ankündigungen spricht nichts als Hohn. Hohn für die Aufseher, Zentralbanker und Politiker in Frankfurt, Berlin, Brüssel und Washington. Sie dürfen reden, sie dürfen die Banker "Bonzen" nennen, wie es unlängst US-Präsident Barack Obama getan hat. Doch handeln werden sie nicht. Da scheinen sich Ackermann und seine Kollegen sicher zu sein. Die Parlamente werden keine Gesetze verabschieden, die den Finanzkapitalismus in irgendeiner Form beeinträchtigen. Sie werden die Spekulation, an denen die Deutsche Bank so hervorragend verdient, nicht brechen.

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Anmerkung: Die wirklich wichtige und angesichts der berichteten Geschehnisse sehr brennende Frage stellt die FR leider nicht - nämlich die Frage, warum die Politik nicht handeln wird. Geht's noch?? - Die Konsequenzen wären offenbar zu erschütternd.

Riester und Rürup wollen nun ernten, was sie gesät haben

Maschmeyer und Rürup gründen eine Beratungs-AG für Alters- und Gesundheitsvorsorge

Sie "stürzen sich ins Abenteuer", meldet das Handelsblatt. Und weiter: "Der AWD-Gründer Carsten Maschmeyer und der Ex-Wirtschaftsweise Bert Rürup wollen es noch einmal wissen: Sie gründen eine Beratung für Alters- und Gesundheitsvorsorge. Beide wollen sich damit einen Traum erfüllen - und haben einen prominenten Politiker als weiteren Partner im Visier." Dieser heißt Walter Riester.

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Weiteres Material zur Sache findet sich in der Rubrik "Riester-Rürup-Täuschung" auf den NachDenkSeiten.

Wie rot-grüne Kriegsbefürworter zu Kritikern mutieren

Das Massaker von Kundus hat ein Wunder bewirkt, das SPD und Bündnis 90/Die Grünen sehr entgegenkommt: Die Verantwortlichen für Deutschlands Beteiligung am Afghanistan-Krieg können sich plötzlich als kritische Opposition aufspielen. Dabei war es die von Gerhard Schröder und Joseph Fischer geführte "rot-grüne" Regierung, die 2002 erstmals Bundeswehrsoldaten nach Kabul schickte und auch für die folgenden Erweiterungen des Mandats verantwortlich war. Die Grünen wurden 2005 in die Opposition geschickt, während die SPD sogar noch während des Kundus-Massakers zusammen mit der CDU/CSU in der Regierungsverantwortung war.

Die jetzt von SPD-Politikern vorwurfsvoll gestellte Frage, "was die Regierung wusste", müsste sich also auch an ihre eigenen Leute richten. Darunter vor allem an den damaligen Außenminister und heutigen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

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Eine demokratische Alternative zum gescheiterten Neoliberalismus

José Manuel Barroso ist der Krise nicht gewachsen. Diese Kritik am alten und neuen EU-Kommissionspräsidenten erheben Ökonomen aus ganz Europa. Im "Euro-Memorandum 2009/2010 [pdf]", das heute in Berlin und anderen Hauptstädten veröffentlicht wird, kritisieren die Wissenschaftler die "nicht-kooperativen Strategien" der EU-Staaten und skizzieren eine demokratische Alternative zum gescheiterten Neoliberalismus. (...)

Isolierte nationale Rettungsaktionen werden nicht genügen, um 2010 einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Das "Euro-Memorandum 2009/2010" kritisiert diese "nicht-kooperativen Strategien" in der EU daher ausführlich. Kurzsichtige nationale Egoismen schaden langfristig (fast) allen Akteuren, warnt die internationale Arbeitsgruppe (...).

Doch selbst ohne Krise wäre die Lissabon-Strategie, welche die EU von 2000 bis 2010 rundum erneuern sollte, ein "kompletter Fehlschlag". Die US-geprägte "Neue Ökonomie" habe Europa jedoch in eine wirtschaftliche und soziale Sackgasse geführt. Statt Europa auf den neoliberalen Irrweg zu führen, hätte sich die EU an den nordischen Ländern orientieren sollen, fordern die linken Memo-Ökonomen. Dies wäre in der frühen Periode der Lissabon-Strategie sogar "nur logisch" gewesen. Denn das "Nordische Modell" setzt auf möglichst umfassende Gleichheit sowie auf soziale und ökologische Werte statt auf Wachstumsraten und Eliten. Eine große Koalition aus sozialdemokratischen und liberalen Regierungen konnte jedoch im Schulterschluss mit "den Eliten" den entgegensetzten, neoliberalen Pfad durchsetzen, und mittlerweile hat die Lissabon-Strategie ihrerseits das "Nordische Modell" aufgeweicht.

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Das verrückte Kapital

Antonio Negri über die Krise, prekäre Arbeitsverhältnisse, die Multitude und den Kommunismus

Nun ist der Kapitalismus nicht kollabiert, wie von Feuilletonisten mit Ausbruch der Finanzkrise schon orakelt worden ist?

Der Kapitalismus in seiner neoliberalen Form ist am Ende. Das ist offensichtlich. Er steckt in einer tiefen Krise und sucht nun nach neuen Formen der Macht. (...)

Kann der Schock, den die Finanzkrise dem Kapitalismus doch immerhin in die Glieder gejagt hat, ihn zum Wandel nötigen – hin etwa zu einem aufgeklärten oder moderaten Kapitalismus?

Der Kapitalismus ist immer ein Dieb. Es gibt keinen guten oder besseren Kapitalismus, keinen moderaten, rationalen oder gerechten. Es gibt nur einen Kapitalismus, der funktioniert – das ist der Räuber. Und einen, der nicht funktioniert und Formen von "Verrücktheiten" annimmt, die sehr gefährlich sein können. Das Kapital lebt von Ausbeutung. Und Ausbeutung ist nie gerecht. Die Vorstellung, es könnte eine gerechte, gar egalitäre kapitalistische Herrschaft geben, ist absurd. Was man innerhalb des Empires [gemeint ist der globalisierte Kapitalsmus, Anm.d.Red.] tun kann und muss, ist: den Kapitalismus dazu zu bringen, nicht "verrückt" zu werden.

Seine Kriege sind "verrückt", mörderisch und selbstmörderisch.

Ebenso wie die Arbeit hat sich der Charakter der Kriege geändert. Wir haben es heute nicht mehr mit den klassischen, zwischen Nationen geführten Kriegen zu tun. Der Krieg dient heute vielmehr dazu, die Weltordnung zu justieren und zu reorganisieren. Er ähnelt heute eher einer Polizeiaktion hoher Intensität. Er hat die großen Industrie- und Finanzmächte gegen alles abzuschirmen, was ihnen gefährlich werden könnte, soll ihre Herrschaft bewahren, reorganisieren. Das Empire wird von einer manischen Gier getrieben, seine Kontollmechanismen global stetig zu erweitern und zu perfektionieren.

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Über die Krisen des Kapitalismus und Alternativen

Der am 4. September 1931 in Kairo geborene Samir Amin gehört zu den bedeutendsten und einflussreichsten Intellektuellen der sogenannten Dritten Welt. Der emeritierte Wirtschaftsprofessor lehrte an der Universität Dakar in Senegal und in Paris (Paris VIII-Vincennes). Amin hat rund 50 Bücher über entwicklungspolitische und entwicklungstheoretische Themen publiziert. Als sein bedeutendstes Werk gilt "L'accumulation à l'échelle mondiale" (Die Akkumulation auf globaler Ebene). Seit 1980 leitet er das Dritte Welt Forum in Senegals Hauptstadt Dakar. Am 3. Dezember wurde er in Berlin mit dem Ibn Rushd Preis 2009 für die Freiheit des Denkens ausgezeichnet. (...)

Wenn wir Ihrer Schätzung nach mitten in der Krisenetappe sind, was lässt sich über den weiteren Verlauf prognostizieren?

Dafür ist ein Rückblick auf die vergangene lange Krise erhellend. Sie begann 1873, kurz nach dem Aufstand der Pariser Kommune und der Gründung des Deutschen Kaiserreiches. Auch damals reagierte das Kapital auf die fallenden Profitraten mit Konzentration und weltweiter Expansion. Es entstand die erste Welle der Mono- und Oligopole. Die Expansion erfolgte über die Kolonialisierung Afrikas, Südostasiens und die Unterordnung von China und Lateinamerika über den Hebel der Auslandsverschuldung. Die Finanzialisierung nahm damals mit der Gründung der Wall Street und der Londoner City ihren Anfang. Das war die erste Welle der Finanzialisierung. Es war der Ausgangspunkt für die erste "belle époque", die bekanntlich im ersten Weltkrieg endete und in der russischen Revolution. Darauf folgten die Krisen der 20er Jahre, die Nazis, die bis Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 andauerten. Das waren keine kleinen historischen Ereignisse wie ein Regierungswechsel, das waren tiefe geschichtliche Einschnitte. Gelöst wurde die Krise aus Sicht des Kapitals unter anderem mit einer neuen Weltwirtschaftsordnung, dem Bretton-Woods-System von Internationalem Währungsfonds und Weltbank, dem allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen GATT, dem Dollar als Leitwährung und den USA als Weltkonjunkturlokomotive. Verglichen mit damals sind wir heute quasi im Jahre 1940.

Das heißt mitten im Krieg ...

Ja. Die globalen Kriege sind im Gange: in Irak, in Afghanistan, ich würde Palästina hinzufügen, die Bedrohung von Iran, die Bedrohung von China und Russland durch US-Militärbasen in der Region und so weiter. Deshalb steuern wir auf alles andere als auf ein Ende der Krise zu, wie es von vielen Politikern allenthalben behauptet wird. Wir sind mitten in einer Periode des Chaos, deren Ende und deren Ergebnisse nicht absehbar sind. Alles ist möglich – eine Entwicklung zum Guten ebenso wie eine zum Schlechten.

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Freitag, 18. Dezember 2009

"Die Angst vor der globalen Erwärmung ist die beste, die Forscher je erfunden haben"

Die Klimakonferenz in Kopenhagen läuft auf vollen Touren. Umweltminister Norbert Röttgen bringt es auf den Punkt: Wir dürfen nicht versagen. Es ginge darum, die Erderwärmung zu bremsen. Zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau seien zu verkraften, doch danach ist Schluss. Rund 200 Staaten kommen also zusammen, um das schlimmste zu verhindern. Unsere Kinder sollen schließlich den Katastrophenfilm 2012 von Roland Emmerich weiterhin dem Science-Fiction-Genre zuordnen, nicht dem Dokumentarfilm. (...)

Doch gibt es auch Klimaforscher, die genau diese Zusammenhänge anzweifeln und vielmehr der Meinung sind, dass sich hinter Katastrophenszenario und Aktionismus bestimmte politische und wirtschaftliche Interessen verbergen. Sie sprechen vom Klimaschwindel. Nicht CO2 sei für die Erderwärmung verantwortlich, sondern die sich ändernde Sonnenaktivität. Demnach hätte die Menschheit keinen Einfluss auf das Klima. Überdies hinaus wäre ein paar Grad wärmer ohnehin ein optimales Klima. Die Erde war stets ein Planet des Wandels.

Der ehemalige ZDF-Wetterfrosch Wolfgang Thüne behauptet in seinen kontroversen Texten und kritischen Briefen auf der Internetseite www.klima-schwindel.de sogar, dass der Treibhauseffekt physikalisch unmöglich sei. Denn die Erde reguliert ihre Temperatur kontinuierlich über unsichtbare Temperatur- und Wärmestrahlung ins Weltall. Kohlendioxid könne diesen Wärmestrom nicht unterbinden, da es nur Strahlung anderer Wellenlänge absorbieren kann. "Diese nachweisbaren Fakten verweisen die Behauptung, es gäbe einen natürlichen Treibhauseffekt, ins Reich unnatürlicher Märchen. Und wenn schon ein natürlicher Treibhauseffekt physikalisch absolut unmöglich ist, dann ist auch ein anthropogener zusätzlicher Treibhauseffekt unmöglich". An dieser Tatsache ändere sich auch nichts, wenn der CO2-Gehalt der Luft sich verdoppeln oder gar verdreifachen sollte.

Thüne kommt zu dem vernichtenden Urteil, dass mit dem Treibhauseffekt eine bewusste Lüge in die Welt gesetzt wurde, um speziell die fossilen Energieträger zu verteufeln und ihnen die Schuld an der globalen Klimakatastrophe zu geben.

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Joachim Bublath erklärt das Klima:







"Die Kombination aus Lobbyismus und systematischer Meinungsmache gefährdet die Demokratie"

Albrecht Müller ist als Journalist, Autor sowie Politik- und Unternehmensberater tätig. Gemeinsam mit Wolfgang Lieb betreibt er den politischen Weblog "NachDenkSeiten" – eine der populärsten Politik-Blogs Deutschlands. Außerdem veröffentlichte Müller Bücher wie "Die Reformlüge" (2004), "Machtwahn" (2006) und zuletzt "Meinungsmache" (2009), in denen er die politischen Entwicklungen der Republik kritisch analysiert.

Wie und von wem wird die öffentliche Meinung manipuliert? Können Sie es an einem Beispiel erläutern?

Albrecht Müller: Es gibt viele Beispiele. In meinem Buch "Meinungsmache" sind Dutzende beschrieben und dokumentiert. – Die teuerste und aktuellste Manipulation hat uns alle zu Gefangenen der Finanzindustrie und der dort tätigen Spekulanten gemacht: Die Spitzen der Finanzindustrie und die Bundeskanzlerin haben uns immer wieder erzählt, die Finanzkrise komme aus den USA; der ehemalige Finanzminister Steinbrück sprach sogar davon, sie habe ihn wie ein Springinsfeldteufel angesprungen.

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Folgen der Privatisierung (17): Lohndumping im Krankenhaus

Personalabbau und Tarifflucht: Leiharbeit in privatisierten Krankenhäusern Hamburgs nimmt zu

Die Leiharbeit in den privatisierten Krankenhäusern Hamburgs nimmt drastisch zu. Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert daher den Senat aus CDU und Grün-Alternativer Liste (GAL) auf, die Zeitarbeit auf drei Prozent des jährlichen Arbeitsvolumens zu begrenzen. Darauf soll die schwarz-grüne Regierung im Aufsichtsrat der Asklepios-Kliniken hinwirken. Die kommunalen Krankenhäuser Hamburgs wurden bereits Ende 2004 an den Asklepios-Konzern verkauft. Dabei setzte sich die damalige CDU-Alleinregierung über einen gültigen Volksentscheid hinweg. 75 Prozent der Hamburger hatten sich Anfang 2004 gegen die Privatisierung ausgesprochen. Heute hält die Stadt Hamburg nur noch eine Sperrminorität von 25,1 Prozent.

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Riester-Rente: "Die Leute werden veräppelt"

Millionen Deutsche haben einen sogenannten Riestervertrag. Mit der staatlich alimentierten Privatrente hoffen sie auf einen geruhsamen Lebensabend. Dummerweise fressen viele Riesterprodukte die Prämien von Vater Staat auf. Die Finanzkonzerne verraten ihren Kunden das meist nicht, wie ein aktuelles Gutachten beweist. (...)

Schon in der Vergangenheit hatten Verbraucherschützer mehrfach kritisiert, dass die Anbieter ganz bewusst die Kosten für Riesterprodukte verschweigen und ihren Kunden entsprechend teure Produkte andrehen.

Das Geschäft mit der Riester-Rente ist für die Finanzkonzerne nämlich äußerst lukrativ. Gut 13 Millionen Deutsche haben mittlerweile einen Riester-Vertrag. 154 Euro zahlt Vater Staat jedem Sparer im Jahr, wenn dieser vier Prozent seines Bruttolohns, maximal jedoch 2.100 Euro in einen Riesterplan einzahlt. Für junge Familien gibt es Kinderzulagen obendrauf. Riester-Sparer unter 25 Jahren bekommen einen einmaligen "Berufseinsteigerbonus" von 200 Euro. Außerdem können die Beiträge von der Steuer abgesetzt werden. Willkommene Verkaufsargumente für die Finanzkonzerne. Dass ein Großteil der Geschenke für Gebühren draufgeht, verraten sie nicht.

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Schweinegrippe: "Es ist ein Geschäft mit der Angst"

Der SPD-Gesundheitsexperte Dr. Wolfgang Wodarg wirft den Pharmakonzernen vor, bewusst die Gefahren der Schweinegrippe übertrieben zu haben. Mit dem SÜDKURIER sprach er über die kalkulierten Übertreibungen der Pharmaindustrie. (...)

Wie kommt es, dass die Furcht vor der Schweinegrippe höher ist als vor der saisonalen Grippe?

Die Pharmaindustrie hat dafür gesorgt, dass die Risiken der diesjährigen Grippe übertrieben werden und die vorbereiteten Pandemiepläne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) endlich in Kraft treten konnten. Denn die Konzerne haben mit einer Pandemie spekuliert. Schon die Vogelgrippe wurde als tödliche Seuche dargestellt, um den Menschen Angst zu machen. Dabei ist es eine Tierseuche und wird nicht wie die saisonale Grippe von Mensch zu Mensch übertragen. Dennoch hat die Pharmaindustrie diese Gelegenheit genutzt, um Pandemiepläne einzufordern, damit die Regierungen sich verpflichten, Impfstoffe zu bestellen.

Wer profitiert konkret vom Geschäft mit der Angst?

Das sind einige Pharma-Multis wie GlaxoSmithKline, Baxter und Gilead Sciences mit Roche, die an Tamiflu gut verdient haben. Von Fachleuten wird eine Wirkung dieses Präparates sehr kritisch gesehen. Es verkürzt die Grippe statistisch um einen halben Tag. Dennoch wurden die Pillen überall eingelagert. Das war weltweit gesehen ein Milliardengeschäft. Nun wird die Schweinegrippe dazu genutzt, um dieses Geschäft wieder anzuheizen.

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Anmerkung: Es ist schön, solche Töne aus den (hinteren) Reihen der SPD zu vernehmen - allerdings war die SPD in der großen Koalition maßgeblich daran beteiligt, den Pharmakonzernen die ersehnten Milliarden in den Rachen zu werfen. Wodarg hat zwar auf seiner Homepage auch schon früher sehr kritische Worte zur Grippe-Hysterie gefunden, gehört wurden sie jedoch nicht.

Die Bologna-Depression. Rede vor Studenten

Was hat der Freitod eines höchst erfolgreichen Fußballtorwarts, der glücklich verheiratet und Einkommensmillionär war, mit den derzeitigen Protesten deutscher Studentinnen und Studenten gegen den "Bologna-Prozess" und für eine bessere Hochschule zu tun? Ich will zunächst etwas über das Bachelor-of-Arts-Studium (BA) sagen und dann auch auf Robert Enke zu sprechen kommen.

Pro Studienjahr gilt es 60 "Credit-Points" genannte Leistungspunkte zu erwerben; diese entsprechen einem "Workload" genannten Aufkommen von 1.800 Arbeitsstunden, so dass ein Studienjahr jetzt 45 Arbeitswochen à 40 Stunden umfasst. Es verbleibt der Anspruch auf einen siebenwöchigen Jahresurlaub. Diese Denkweise setzt den Vollzeitstudenten voraus, der ohne Brot-Jobs und Nebentätigkeiten auskommt – Voraussetzungen, die nur einer Minderheit der Studierenden vergönnt sind. Von daher ist es ein realitätsfremdes Konzept.

Viele Studierende klagen über die Zumutungen eines ganz normalen Arbeitnehmer-Alltags, denen das BA-Studium sie aussetzt. In der Tat: Das Creditpoints- und Workload-Denken lehrt das Studium wie einen Acht-Stunden-Bürotag zu verstehen; um 17 Uhr fällt der Griffel, und das Büffeln hat ein Ende. Dieses Denken stiftet lebenslange Lust auf Erkenntnis nicht an, sondern tötet sie eher ab. In Ihrem Protest sprechen Sie mit der Parole "Keine geistige Lehre, nur fleißiger Leerlauf" diesen Punkt an.

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Lautstarkes Lob der Ungleichheit

Harmlose Gemüter, bis weit in die Linke hinein, sahen mit dem Crash im Finanzmarkt den Zusammenbruch jener Ideologie gekommen, die – ungenau – "Neoliberalismus" genannt wird. Damit irrten sie. Aus den Feuilletons der tonangebenden Konzernblätter erschallt immer lauter das Begehren nach Abschaffung der Sozialstaatsidee. Die sozialdarwinistische Richtung unter "Neoliberalen" tritt radikaler auf als bisher, angetrieben durch einen Essay des philosophischen Erfolgsautors Peter Sloterdijk, der vom "Steuerstaat" Abschied zu nehmen empfahl, weil darin "die Unproduktiven mittelbar auf Kosten der Produktiven leben". Thilo Sarrazin leistete Schützenhilfe und fand viel Beifall. Seitdem vergeht kein Tag, an dem sich nicht ein neuer Ankläger des "Sozialparasitentums" zu Wort meldet.

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Schwarz-gelbe Pläne für die Pharma-Industrie: Monopolpreise auch für Scheininnovationen

CDU- und FPD-Politiker wollen den Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen durch einen pharmaindustriefreundlicheren Kontrolleur ersetzen (...)

Möglicherweise blieb der erwartete Fortschritt zum Teil auch deshalb aus, weil man die Forschung in den privaten Bereich verlagern wollte. Pharmakonzerne sollten großzügig Monopolrenditen abschöpfen und mit diesen Unsummen teure Studien bezahlen. Allerdings ging diese Rechnung nicht in der Weise auf, wie manche Politiker und Ökonomen sich das vorstellten: Shareholderinteressengesteuerte Konzerne entdeckten bald, dass es wesentlich lukrativer sein kann, Fortschritt vorzutäuschen und auch dafür Patentrechte und Monopolrenditen zu kassieren. (...)

Als Grund dafür gilt vor allem Sawickis verhältnismäßig entschiedenes Vorgehen gegen Scheininnovationen. Zudem ließ sich der gelernte Internist nicht dafür einspannen, wirksame Therapien aus dem Krankenversicherungsschutz zu streichen, sondern widersprach beispielsweise einer Forderung des Bundesärztekammerpräsidenten Jörg-Dietrich Hoppe, der Leistungen ausklammern wollte, mit dem Hinweis, dass man "erst mal überlegen" solle, "wo Geld verschleudert wird":

"Warum haben wir die teuersten Medikamente? Die Pharmaindustrie kann in Deutschland als einzigem Land in Europa den Preis nach eigenem Belieben festsetzen. Warum, Herr Hoppe, sagen Sie nichts gegen diese Wucherpreise, bevor Sie Behandlungen für Patienten einschränken wollen?"

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Montag, 14. Dezember 2009

Kleines Zahlenspiel zum Thema "Filesharing und Demokratie"

Liebe Gemeinde, ich möchte euch heute mal an einem Gedankenexperiment teilnehmen lassen. Ich möchte einmal zwei Aussagen gegeneinanderstellen. Erstens die "Brennerstudie" der Musikindustrie, Seite 14 in dem PDF. Da kommen sie darauf, dass im Jahre 2007 31,5 Millionen Menschen Musik, Filme oder Spiele rausgebrannt haben. Was die Musikindustrie damit natürlich eigentlich sagen will, und was ich mal als Argument übernehmen will, ist: wir haben 31,5 Millionen Filesharer und Raubkopierer in Deutschland. Auf eine Bevölkerungsmenge von 80 Millionen gerechnet, kommt man da auf gut 39%.

Das zweite Dokument, das ich einfließen lassen will, rechnet mal die Nichtwähler aus dem Ergebnis der Bundestagswahl heraus, und kommt für CDU und FDP (unsere Regierungskoalition!) zusammen auf 33,75% der Stimmen.

Aus diesen beiden Datensätzen möchte ich hier mal öffentlich die folgende Schlussfolgerung ziehen:

Filesharing und Raubkopieren sind stärker demokratisch legitimiert als unsere Regierung.

Danke fürs Zuhören.

(Quelle)

Deutsche Polizei in Afghanistan: Totales Desaster

Das deutsche Engagement beim Aufbau einer afghanischen Polizei besteht vor allem aus Ankündigungen. Tatsächlich hat Deutschland kläglich versagt. (...)

Daran hat sich Deutschland gründlich verhoben. Der US-Sondergesandte Richard Holbrooke prangert in einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung unter anderem die hohe Analphabetenquote bei der afghanischen Polizei an. "Sie können keinen Polizisten gebrauchen, der nicht einmal einen Ausweis lesen kann", sagte er. (...)

Doch es gibt nicht nur viel zu wenige Polizisten. Es sind auch noch die falschen. "Nur Doofe und Halbkriminelle wollen in Afghanistan zur Polizei", sagt Erös, dessen Kinderhilfe dort zahlreiche Schulen betreibt und erzählt eine Anekdote: "Wenn ich meine Schüler frage, wer zur Polizei möchte, lachen die mich aus. Wer gebildet ist, arbeitet für die internationalen Organisationen und Firmen, da verdient er das Zehnfache." Ein afghanischer Polizist verdient umgerechnet circa 80 Euro, da braucht es nicht zu verwundern, dass die Korruption grassiert.

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Der EU-Überwachungsstaat wird kommen

Die Staats- und Regierungschefs Europas verabschieden heute mit dem Stockholmer Programm die Grundsätze der europäischen Sicherheitspolitik für die nächsten fünf Jahre. 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sollen feinmaschige Kontrollsysteme nach US-Vorbild alle Reisebewegungen innerhalb und an den Grenzen der Union erfassen. (...)

"Die EU-Kommission wird aufgefordert, ein System zur Erfassung der Flugpassagierdaten zur Abwehr terroristischer Bedrohungen und schwerer Verbrechen vorzuschlagen" - selbstverständlich unter "Sicherstellung eines hohen Datenschutzniveaus" (4.2.2., S. 39).

Auch die geplante "Interoperabilität von IT-Systemen" solle "vollständig datenschutzkonform" vor sich gehen (S. 38).

Gemeint ist damit die Zusammenführung der existierenden Datenbanken Europol, Eurojust und jener der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, die 2005 in Betrieb gegangen ist. Zu diesen Daten aus Polizei-, Justiz- und Grenzschutzdatenbanken sollen dann noch jene von SIS II (alias "Schengen zwei") und VIS (zentrale Visadatenbank inklusive Fingerabdrücken von allen zehn) kommen, sobald diese Systeme einsatzfähig sind.

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PR-Kampagnen, getarnt als Information - wie wir unentwegt manipuliert werden

Schwarz-gelbe Hartz-IV-Pläne: Neuer Bürokratie-Horror für Arbeitslose

  1. Das DIW-Institut rügt den geplanten Umbau der Jobcenter: "Konfusion der Langzeitarbeitslosen". Künftig sollen unterschiedliche Berater für Unterkunftskosten und Regelsatz zuständig sein. (...)

    Nach dem jetzt vorliegenen Eckpunktepapier aus dem Bundesarbeitsministerium müsse künftig die getrennte Aufgabenwahrnehmung für die Hartz-IV-Empfänger "kenntlich gemacht" werden. Dabei soll es zwar noch gemeinsame Antragsformulare geben, aber getrennte BeraterInnen für die Unterkunfts- und für die Regelleistungen.

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  2. Oh, was für ein himmlischer Gängelungs- und Entwürdigungsmechanismus da ersonnen wurde! Himmlisch für die Herolde des Sozialabbaus, die immer schon grundsätzlich der Ansicht waren, dass jeder Bezieher von staatlicher Leistung ein Bettler sei, sofern er keinen oder kaum einen Groschen selbst erwirtschaftet. Hoch lebe die Bürokratie, die dem Erwerbslosen oder dem Aufstocker das Leben erschwert, vielleicht dazu anspornt, dass die windigen Schnorrer, diese schamlosen Klinkenputzer erst gar nicht mehr an die Türen etwaiger Leistungsabteilungen klopfen.

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Finanzkrise: Es brennt schon wieder lichterloh

Man hatte schon geglaubt, die Krise sei vorbei. Jetzt kommt sie zurück, weil die Regierungen weltweit versagt haben. Denn die Regulierung der Finanzmärkte ist ausgeblieben. (...)

Jetzt werden wir Bürger und Steuerzahler, die wir der letzte Garant des Systems sind und bleiben, Zeugen der Untätigkeit unserer Politiker. Wo sind die Brandschutzmauern, wo die strikten Regeln, die eine erneute Katastrophe unmöglich machen sollten?

Es gibt sie nicht. Dabei hat die Krise doch gelehrt, dass Kapitalismus nun mal Herdentrieb ist. Und Herdentrieb, wenn also alle gleichgerichtet handeln, steckt an. Dadurch aber entstehen systemische Risiken, die so groß werden können, dass es zur Kernschmelze des Systems kommen kann. (...)

Nichts, aber auch gar nichts haben die Regierenden zur Entschleunigung der Finanzmärkte getan. Dabei sollten sie wissen, dass irgendwann auch die Risikotragfähigkeit der besteingestuften Staaten wie Deutschland oder der USA am Ende ist.

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Folgen der Privatisierung (16): Wie der Klinikkonzern Asklepios einen Betriebsrat verhindert

(...) Mit rüden Methoden versucht (...) der Hamburger Klinikkonzern "Asklepios" nicht nur die Gründung eines neuen Betriebsrates zu vereiteln

Erst Anfang des Jahres, so berichtete die Hamburger Morgenpost, sei beispielsweise die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke Opfer eines bis heute nicht aufgeklärten Lauschangriffs mit Wanzen geworden. Jetzt plagen die Arbeitnehmervertreterin neue Sorgen: Vier der fünf Kandidaten, die sich für den Wahlvorstand (eine Vorstufe des Betriebsrates) aufstellen ließen, seien von einem "cholerisch auftretenden Objektleiter" zum Rücktritt gemobbt worden. Ein Kandidat soll beispielsweise in die Spätschicht versetzt worden sein, mit der Folge, dass er sich nicht mehr um seine behinderte Schwester kümmern konnte.

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Wie die Polizei protestierende Studenten behandelt

Was die schwarz-gelbe Gesundheitsreform wirklich bedeutet

Es ist schon erstaunlich, dass auch [im Rösler-Interview in der SZ vom 5./6. Dezember 2009] der eigentliche Dollpunkt dieser erneuten "Gesundheitsreform" wiederum nicht herausgearbeitet wurde: Die Abschaffung der beitragsfreien Familienmitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dies ist die notwendige Begleitkomponente der Kopfpauschale, sonst wäre sie ja sinnlos. Denn der momentane Durchschnittsbeitrag der aktiven Beitragszahler liegt ja höher als die geplante Kopfpauschale, die – alten CDU-Plänen (!!) gemäß - bei zwischen 230 und 250 Euro monatlich pro Person liegen soll.

Dies bedeutet aber, dass Millionen Versicherte nach Einführung dieser Pauschale im Vergleich zum Status quo den zweifachen (wie z.B. Rentnerhaushalte) oder sogar den drei- bis vierfachen Beitrag zu zahlen haben, wenn es sich um große Familien handelt.

Um nicht komplett ruiniert zu sein, müssen dann Millionen Menschen als Bittsteller um steuerlichen Ausgleich nachsuchen und ihre persönlichen Einkommensverhältnisse vor der Bürokratie darlegen. Ein wahrhaft tolles (neo-)liberales Konzept und ein wirklich essenzieller Beitrag zur Entbürokratisierung!

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Endlich ist es in der Mainstreampresse angekommen: Der Demographiewandel wird abgesagt

  1. Das Märchen von der leeren Wiege

    Das Aussterben wird vorerst vertagt: Die Geburtenraten in den Industriestaaten steigen wieder. "Die Angst vor extrem niedrigen Geburtenraten, die seit den neunziger Jahren aufkam, ist unbegründet", sagt Joshua Goldstein vom Max-Planck-Institut für Demographie. (...)

    Joshua Goldstein zeigt jedoch, dass die Zeiten der extrem niedrigen Geburtenraten vorbei sind. Hatten im Jahr 2003 noch 21 Länder eine Geburtenrate unter 1,3, waren es im Jahr 2008 nur noch fünf. Vier davon liegen in Asien, ein letztes, Moldawien, in Europa. In allen anderen Staaten deuten die Kurven nach oben, nicht steil zwar, aber eindeutig: "Zum ersten Mal seit dem Babyboom in den sechziger Jahren nehmen die Geburtenraten gleichzeitig in den entwickelten Ländern rund um die Welt zu", stellt Goldstein fest. Zum Beispiel in Spanien: Lag die Geburtenrate im Jahr 1996 noch bei 1,19, stieg sie bis 2007 allmählich auf 1,39. In fast allen Ländern hatte der Trend diese Richtung, mal schwächer wie in Italien, mal stärker wie in Ostdeutschland (1994: 0,77 Kinder pro Frau, 2008: 1,40 Kinder pro Frau).

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  2. Die leiseste Bombe der Welt

    Der aktuelle Aufmacher in der SZ ist eine wahre Bombe. Entweder haben die Verantwortlichen das nicht gemerkt oder bewusst ignoriert in der Hoffnung, dass es niemand anderes feststellt. Denn mir nichts, dir nichts sagen sie das Aussterben der Deutschen und den demographischen Wandel ab, mithin DAS Argument für alle Rentenreformen der vergangenen Jahre. (...)

    Der Artikel kommentiert das nicht weiter. Das ist ein Luxus, den ich mir nicht gönne. Denn was das bedeutet, liegt eigentlich auf der Hand: unsere ganze Bande hat es hochoffiziell und amtlich, was wir seit Jahren predigen. Ihre ganze Panikmache ist völlig unbegründet, die "Demographie" ein Gespenst, eine Illusion. Das bedeutet auch, dass Riesterrente, Rente mit 67 und was des unbedingt notwendigen Unfugs mehr ist nicht nur vollkommen überflüssig, sondern auch im Gegenteil eher schädlich waren. Denn wenn das Verhältnis der jungen Menschen tatsächlich zunimmt, ist das Rentenalter nach hinten zu verschieben so ziemlich die dümmste Entscheidung, die es geben kann.

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Samstag, 12. Dezember 2009

Zitat des Tages (22)

Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übriglässt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
dass Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

(Erich Kästner [1899-1974]: Gesang zwischen den Stühlen. Berlin 1932)