Donnerstag, 1. Oktober 2009

Was uns noch bevorsteht: Sozialstaat im Abbruch

In der gegenwärtigen Weltfinanzwirtschaftskrise leidet unser Land mehr denn je unter den Arbeitsmarktreformen, die von Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier unter dem hochtrabenden Titel „Agenda 2010“ durchgesetzt wurden. Die rot-grüne Koalition hatte der Bundesrepublik eine Rosskur verordnet, die den „Wirtschaftsstandort D“ fit für die Globalisierung bzw. den Weltmarkt machen sollte: Beschönigend als „Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ bezeichnet, schaffte Hartz IV mit der Erstgenannten eine für Millionen Menschen existenzielle Sozialleistung ab und schuf mit dem Arbeitslosengeld II einen fragwürdigen Ersatz, der nur das Existenzminimum abdeckt und eigentlich „Sozialhilfe II“ heißen müsste. Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD blieb trotz ein paar sozialen Zugeständnissen auf „Agenda“-Kurs und machte eine Regierungspolitik, die an das Matthäus-Evangelium erinnert, in dem es sinngemäß heißt: Wer viel hat, dem wird gegeben. Und wer nur wenig hat, dem wird auch das noch genommen. (...)

Ein historischer Rückblick auf die Bundestagswahl am 27. September 1969 macht die Ausweglosigkeit der gegenwärtigen Situation deutlich: Nach einer knapp drei Jahre dauernden Großen Koalition und ihrem Wahlsieg bildete die SPD damals zusammen mit der FDP, die zu jener Zeit keine wirtschaftsliberale, sondern eine progressive, bürgerrechtlich und sozial engagierte Partei war, eine Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt, die ein Programm der Inneren Reformen vertrat und „mehr Demokratie wagen“ wollte. Was den Zeitgeist nach 1968 bestimmte und auch künftig nötig wäre, um eine gesellschaftliche Aufbruchstimmung zu erzeugen und die Jugend für die etablierten Parteien zu gewinnen, dürfte es künftig unter einer CDU/CSU/FDP-Koalition am wenigsten geben: Hoffnung auf mehr soziale Gerechtigkeit, umfassende Mitbestimmung für Arbeitnehmer, Studierende und Schüler sowie demokratische Grundrechte für benachteiligte Minderheiten. Dabei könnte man im reichen Deutschland, wenn die etablierten Parteien wollten, mehr soziale Sicherheit und Gerechtigkeit schaffen.

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