Samstag, 21. November 2009

Was der Minister Rösler vorhat

Aus einer Rede des Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler auf der Landesversammlung des FVDZ [Freien Verbands Deutscher Zahnärzte] am 13.6.2009 in Bomlitz / Walsrode

Was aber noch viel wichtiger ist, heute stehe ich nun vor Ihnen als Wrtschaftsminister. Da könnte man sagen, warum haben Sie nicht die Sozialministerin eingeladen. Aber ich glaube, es ist Ihnen wichtig, neben der sozialpolitischen Frage, auch darauf hinzuweisen, dass Gesundheitspolitik längst ein ökonomischer Faktor geworden ist. (...)

Sie alle kennen die Zahlen, wir haben auch gemeinsam schon darüber diskutiert. Wenn man sich den gesamten Bereich der Gesundheitswirtschaft ansieht, dann haben wir mit über 250 Milliarden Gesamtumsatz, 10% des Bruttoinlandproduktes kann man schon sagen, und wir haben über 4 Millionen Beschäftigte insgesamt im Gesundheitswesen. (...)

Und vor allem wissen Sie allesamt, wir befinden uns grundsätzlich, momentan eher noch theoretisch, in einem Wachstum. Viele Untersuchungen sagen: Es muss nicht bei 250 Milliarden Euro Umsatz stehen bleiben, sondern man kann sogar von einer Verdoppelung ausgehen, wenn die Rahmenbedingungen, wie das so schön heißt, dann stimmen. (...)

Darauf müsste man ein System ausrichten, und Sie kennen auch unsere Modelle. Deswegen will ich diese nicht auflisten, aber wir werden am Ende zum Modell der Grundversorgung kommen müssen, die durchaus den Teil auch der im Gesundheitswesen anders nicht absicherbaren Leistungen umfasst. Aber anders als im bisherigen Umverteilungsmechanismus kommt es darauf an, dass man der Solidargemeinschaft Rechnung trägt, indem der Staat den Schwachen hilft, aber nur durch dieses eine Umlageverfahren, nämlich der Gesunde dem Kranken, und nicht wie bisher, was sich ja momentan etwas anders entwickelt hat, der Reiche dem Armen. (...)

Und genau dieses ganze System muss man umstellen. Zuerst die Grundversorgung, die wir brauchen. Sie könnte mit 10% unter dem jetzigen Stand der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung liegen, und dann darüber hinaus die Möglichkeit für jeden, nach den Angeboten der Versicherungswirtschaft und den Regeln der Versicherungsmathematik, sich zusätzlich mit abzusichern um eben auch selber zu entscheiden, wofür man wie viel Geld ausgeben will. (...)

Und das erklärt übrigens auch, warum wir in diesem Zusammenhang auch über ein geändertes Steuersystem reden müssen. Zum einen über eine radikale Vereinfachung. Und das zweite Ziel ist es, die Menschen [sic!] finanziell zu entlasten. Nicht, damit sie mehr Geld haben, um Konsum zu betreiben - das ist dann eher ein typisches Wahlversprechen und daran können sie auch die Unterschiede in den nächsten paar Monaten erkennen - sondern um die finanziellen Möglichkeiten zu haben, um die notwendigen Reformen im Gesundheitswesen und in der Arbeitslosenversicherung [sic!] bezahlen zu können. (...)

Sie werden nur dann eine Bereitschaft für solch ein System erreichen und bekommen, wenn sie gleichsam als Mutter aller Reformen diese Steuerreform haben, die den Menschen das Geld gibt, damit sie finanziell Vorsorge betreiben können. Da schließt sich der Kreis und das erklärt auch so ein bisschen, warum man eigentlich nicht nur gute Gesundheitspolitiker auf der Bundesebene braucht, sondern gleichermaßen auch Finanzpolitiker, weil es nur Sinn macht und auch stimmig ist und funktioniert, wenn wir ein in sich geschlossenes und gut funktionierendes System haben.

(Quelle)

Statt einer Anmerkung:

  1. Röslers Mottenkiste - Reform des Gesundheitssystems mit Uralt-Ideen

    Neue Besen kehren gut? Von wegen. Wer gehofft hatte, mit der neuen Koalition würden auch ein paar neue Ideen in die Politik einziehen, sieht sich enttäuscht. Vor allem die FDP verkauft derzeit eine neoliberale Uralt-Idee nach der anderen als Innovation und soziale Wohltat für das ganze Volk. Auch ihr erst 36 Jahre alter Gesundheitsminister Philipp Rösler kramte gestern bei seiner ersten Rede im Bundestag tief in der gesundheitspolitischen Mottenkiste.

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  2. Spitze Ellenbogen statt starker Schultern

    Im letzten Jahr konnte die paritätische Finanzierung des Gesundheitssystems ihr 125jähriges Jubiläum feiern. Seit der Verabschiedung des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter im Jahre 1883 werden in Deutschland die Beiträge zur Krankenversicherung jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam bezahlt. Wie selbstverständlich wurde die Höhe der Beiträge stets an der Höhe des Einkommens bemessen. Dies ist schließlich einer der Grundpfeiler des Sozialstaates - starke Schultern können mehr Lasten tragen als schwache. Sozialstaat ade, die geplanten Reformen entkoppeln die Finanzierung des Gesundheitssystems endgültig vom "solidarischen Ballast" alter Zeiten. Künftig wird die Krankenschwester genau so viel zu schultern haben wie der Chefarzt. (...)

    Wenn also die Gutverdiener und Vermögenden nicht verstärkt zur Kasse gebeten werden können, müssen halt die Normal- und Geringverdiener für die Zusatzkosten aufkommen. Die Mehreinnahmen von Ärzten und Apothekern und die Dividenden der Aktionäre von Pharma- und Krankenhauskonzernen müssen daher künftig einseitig von den Mitbürgern aufgebracht werden, die nicht unter die Kategorie "Leistungsträger" fallen. Das ist nicht nur ein Abschied vom Solidarprinzip, es ist sogar dessen Umkehrung.

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