Freitag, 31. Dezember 2010

2010 - ein Abgesang



Ayreon - "Come Back To Me" (2005)

Come back to me
There's no way out, our whole world is black!
Come back to me


Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen schönen Übergang ins neue Jahr, das viele Herausforderungen und Prüfungen für uns alle bereit halten wird.

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Spanien im Würgegriff der Neoliberalen: Ab in die Obdachlosigkeit

Wer in Spanien vom Nikolaus bestraft und wer von ihm belohnt wird, hat die Regierung unter Ministerpräsident José Rodriguez Zapatero heute einmal mehr deutlich gemacht. Der Chef einer Partei, die das Wort sozialistisch im Namen führt, hat im Parlament ein weiteres Krisenpaket angekündigt. Drei Punkte stechen besonders hervor: Das vor gut einem Jahr eingeführte Sozialgeld wird ersatzlos gestrichen, die Steuern für Klein- und Mittelbetriebe werden gesenkt und Privatisierungen vorangetrieben.

Anders als "antiökonomisch, zutiefst unsozial und widersprüchlich", wie die große spanische Gewerkschaft Arbeiterkommissionen (CCOO) das Paket bezeichnet, kann man diese Maßnahmen nicht nennen. Nach bisherigen Kürzungen des Sozialgelds wird es nun ganz abgeschafft, obwohl es erst im August 2009 eingeführt worden war. Dabei muss gesagt werden, dass die 426 Euro monatlich ohnehin nur sechs Monate an die gezahlt werden, die kein anderes Auskommen mehr haben, weil auch der Bezug von Arbeitslosengeld ausgelaufen ist. Es war nur ein schwacher Ersatz für eine Sozialhilfe, die es in vielen Regionen des Staates nicht gibt. So war es der CCOO-Sprecher, der Zapatero daran erinnerte, dass ab Februar, wenn die Maßnahme ausläuft, erneut zahllose Familien jede Unterstützung verlieren. Fernando Lezcano erinnerte daran, dass schon etwa 500.000 Haushalte keinerlei Einkommen oder Unterstützung mehr haben.

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Anmerkung: Man kann nur noch fassungslos mit dem Kopf schütteln, wenn man einmal mehr bemerkt, wie überall in der Welt der neoliberale Irrsinn weiterhin seine Triumphe feiert - und das trotz der durch ihn ausgelösten "Krise", die in Wahrheit eher eine totale humanistische und gesellschaftliche Katastrophe ist. Man schickt die Menschen, die aufgrund der Zockerei der Superreichen zu Verlierern des Systems gemacht wurden, ohne selbst etwas dazu beigetragen zu haben, einfach und ohne mit der Wimper zu zucken ins Nichts und verweigert ihnen jedewede weitere Unterstützung. Was ist das bloß für ein menschenverachtendes System?

500.000 Haushalte in Spanien, die dank der neoliberalen Wahnvorstellungen auch deutscher Politiker schon jetzt keinerlei Einkommen oder Unterstützung mehr haben - und wir tolerieren das??? All diese Menschen - darunter wer weiß wieviele Kinder, Alte, Kranke, Behinderte - werden sich selbst und damit der Obdachlosigkeit und Kriminalität überlassen, mitten in Europa, um ein vollkommen krankes System zu retten, das bei näherer Betrachtung niemals zu retten ist, während zeitgleich Unternehmenssteuern gesenkt und Privatisierungen vorangetrieben werden? Was ist das bloß für eine Farce ... ?

Ich komme mir allmählich vor wie in einem Irrenhaus, in dem mich von irgendwelchen Monitoren an allen Wänden groteske Fratzen wie von der Leyen, Merkel oder Ackermann salbungsvoll angrinsen - natürlich alle 20 Sekunden unterbrochen von noch groteskerer Werbung für absurde Produkte -, während auf dem Boden ringsherum die Menschen dahinsiechen und sterben. In einer solchen Alptraumwelt will niemand leben ... wieso tun wir es dennoch?

Und ich frage mich immer wieder, wieso diese selbsternannte "Elite" so grausam dumm ist. Sie könnte noch viele, viele Jahre ihr luxuriöses Prunkleben am Rande der menschlichen Gesellschaft weiterführen, wenn sie es denn fertig brächte, den Armen nicht mehr nur Brotkrumen oder gar nichts mehr, sondern vielleicht ein paar Brotscheiben zu überlassen. Aber selbst das ist ihr zuviel - sie will eben alles und beschleunigt damit den Untergang ganz massiv. Oder spekuliert sie darauf, dass es keine Aufstände geben wird bzw. dass diese Aufstände locker niedergeschlagen werden können? Die Geschichte hat gezeigt, dass so manche selbsternannte "Elite" darauf schon gewettet hat ... meistens zu unrecht. Ein wenig Hoffnung verbleibt also.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Die Rückkehr der Faschisten

Steht Deutschland bald eine neue Rechtspartei ins Haus? Ein Jörg Haider oder Geert Wilders hätte auch hierzulande heute gute Chancen

Ein Dialog, irgendwo in Deutschland: "Wird Sarrazin der deutsche Haider?". "Ach nein, das hat der nicht in den Genen." Die Umstehenden lachen gequält.

Für die Rolle eines Populistenführers wäre der tapsige, vollkommen charismafreie Erfinder eines muslimischen Deppen-Gens die absolute Fehlbesetzung. Doch die Debatte über seine Thesen und vor allem die Art und Weise, wie er medial gehyped wurde, hat gezeigt, dass es auch in Deutschland ein Potenzial für eine populistische Kraft rechts von der Union gäbe.

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Anmerkung: Die taz ist sich nicht zu blöde, weiterhin von den "Thesen" Sarrazins zu sprechen, obwohl diese längst als Lügen oder bestenfalls freie Erfindungen entlarvt sind. Typisch. Nochmal zum Mitschreiben: Sarrazin hat keine "Thesen" aufgestellt, sondern selbst zugegeben, dass seine Zahlen frei erfunden sind. Es hat auch keine "Debatte" über diese "Thesen" in den Mainstreammedien stattgefunden, sondern, wie im taz-Text auch richtig steht, ein Hype.

Des Weiteren behauptet der Autor: "Die wesentlichste Vorbedingung für eine neue populistische Partei ist aber die Delegitimierung der etablierten politischen Parteien: ein grassierendes Anti-Eliten-Ressentiment. Weite Milieus der Bevölkerung müssen zur Auffassung gelangen, dass 'die Politik' und 'die Parteien' nur mehr abgekapselt ihren Geschäften nachgehen, dass sie die 'wahren Sorgen der Menschen' nicht mehr kennen und nicht die 'wirklichen Probleme'. Diese Auffassung muss nicht sehr bewusst sein - es reicht, wenn sie gewissermaßen atmosphärisch herumwabert. Und diese schlechte Stimmung muss medial geschürt werden."

Wo lebt der Mann denn? Das ist doch alles längst Realität - und man muss das auch nicht in Anführungszeichen setzen, denn es ist doch de facto genau so, wie es dort geschrieben steht. Daran ist jedoch nicht die Bevölkerung oder der Berichterstatter schuld. Es ist die neoliberale Bande selbst, die den Boden für einen neuen Faschismus bereitet. Sie beweist es doch jeden Tag aufs Neue, dass ihr das Hemd näher als die Hose ist und dass die Kumpel in der Wirtschaft es schon honorieren werden, wenn sie das Volk weiter auspresst und die Gelder auf die Konten der Reichen schaufelt. Worauf zielt diese Kampagne? Will die taz allen Ernstes behaupten, dass es die Benennung von wirklichen Missständen ist, die den Weg für einen neuen Faschismus frei macht? Also sind nicht die schuld, die das Volk verarschen, sondern die, die darauf aufmerksam machen? taz, quo vadis??

Ansonsten ist dem Autor in weiten Teilen zuzustimmen: Seit dem Sarrazin-Hype ist der Weg für neue rechte Hetzer freigeschaufelt - und wir dürfen gespannt sein, ob der neue "Führer" sich innerhalb der neoliberalen Bande (die FDP ist dabei nur eine Option) oder mittels einer neuen oder alten rechten Partei in das Medieninteresse bringen wird. Halten wir die Augen weit offen!

Hartz IV: Armut per Gesetz

  1. Acht Kilometer zum Bäcker, 14 Kilometer zum Sportverein - warum der Regelsatz nicht ausreicht und wie eine Familie in der westdeutschen Provinz dennoch versucht, ihren vier Kindern soziale Teilhabe zu ermöglichen.

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  2. (...) Der Regelsatz für erwachsene Hartz-IV-Empfänger soll ab 1. Januar um fünf Euro auf 364 Euro steigen. Die Summe setzt sich laut des Gesetzentwurfs von Arbeitsministerin von der Leyen folgendermaßen zusammen:

    128,46 Euro für Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke

    30,40 Euro für Bekleidung und Schuhe

    30,24 Euro für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung (ohne separat erstattete Miet- und Heizkosten)

    27,41 Euro für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände

    15,55 Euro für Gesundheitspflege

    22,78 Euro für Verkehr

    31,96 Euro für Nachrichtenübermittlung

    39,96 Euro für Freizeit, Unterhaltung, Kultur

    1,39 Euro für Bildung

    7,16 Euro für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen

    26,50 Euro für andere Waren und Dienstleistungen

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Anmerkung: Dass es dieser Frau von der Leyen und dem Rest der neoliberalen Bande nicht die Schamesröte ins Gesicht treibt, wenn sie eine solche "Bedarfs-Berechnung" vorlegen, kann rational nicht mehr erklärt werden. Man sieht förmlich das süffisante Grinsen dieser unsäglichen Frau und hört fast ihre Gedanken dazu, die eigentlich nur so lauten können: "Mir ist es doch vollkommen gleichgültig, was aus euch Schmarotzern wird".

Die Höhe des "Regelsatzes" ist eine Frechheit, die einzelnen Positionen sind es um ein Vielfaches mehr. Man möchte dieser Bande beispielsweise die 1,39 € (in Worten: Ein Euro und neununddreißig Cent), die sie einem Hartz-Opfer pro Kopf und Monat für Bildung zugestehen, um die Ohren hauen, bis sie rot sind und brennen und sie dann an den selbigen vehement in die Schamecke ziehen. Das sind übrigens dieselben Figuren, die noch vor kurzem einen "Bildungsgipfel" veranstaltet, das Land zur "Bildungsrepublik" ausgerufen - und privaten Casino-Banken über Nacht 300 Milliarden Euro Steuergelder in den Schlund geworfen haben. Es ist unfassbar, dass die Menschen in diesem Land diese Diskrepanzen, diese schrille Umverteilung von Arm zu Reich so klag- und widerstandslos über sich ergehen lassen.

Und vergessen wir nicht: Schwarz-Gelb nutzt das gesetzliche Hartz-Instrumentarium nur dankbar aus, wie immer natürlich zum Nachteil der Menschen - geschaffen wurde es bewusst von Rot-Grün. Deren Herumlamentieren über die "Neuberechnung" durch Schwarz-Gelb, das zurzeit von der Propagandapresse verbreitet wird, ist einfach nur peinlich und bigott.

Diese Leute, die sich selbst an den Töpfen der Staatskasse reichlich bedienen und ihrer Klientel immer wieder Unsummen zuschieben, stellen hier allen Ernstes eine "Berechnung" vor, die das monatliche "Existenzminimum" für ein Leben mit sozialer Teilhabe für Millionen von Menschen in diesem Land darstellen soll - in Höhe von 364 Euro pro Monat. Zynischer geht es kaum. Das sind Zustände wie im Mittelalter.

Montag, 27. Dezember 2010

Die Folgen des Neoliberalismus: "There is a war going on"



Anmerkung: Diese Rede könnte 1:1 auch im Bundestag gehalten werden. Wie sich die katastrophalen Zustände doch gleichen ... und die neoliberale Bande macht dennoch immer weiter, hierzulande genauso wie in den USA und all den anderen Staaten. Es ist in der Tat ein Krieg, der da stattfindet - ein Krieg gegen die eigenen Bevölkerungen.

Weil Propaganda wirkt: 3% für die FDP, 35% für die CDU

FDP wird zur Splitterpartei

Geht's noch schlimmer? Die FDP stürzt im stern-RTL-Wahltrend auf 3 Prozent - eine Splitterpartei. Erneut gibt es Rücktrittsforderungen gegen Parteichef Westerwelle.

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Anmerkung: Dieser "Wahltrend" war genauso vorhersehbar wie die Reaktionen in Bezug auf Westerwelle darauf. Seit Tagen dreschen die Medien auf Westerwelle ein - er soll offenbar das Bauernopfer darstellen, damit die FDP, die sich zuvor allzu offensichtlich als marktradikale "Eliten"-Partei aufgeführt hat, wieder hoffähig gemacht werden kann (siehe diesen Artikel dazu).

Propaganda wirkt eben. Wenn sogar eigene Parteifreunde einen Rücktritt Westerwelles (nur vom Parteivorsitz, wohlgemerkt) fordern und sämtliche Medien mitziehen, ist dieses momentane Ergebnis von 3 Prozent für die Partei nicht überraschend. Bezüglich der Union geschieht das ja nicht, und so überraschen auch die 35 Prozent keineswegs. Gemessen an ihrem Handeln zum Wohle der Bevölkerung dürfte auch die CDU eigentlich nicht mehr als 3 Prozent Zustimmung erhalten. Welche 35 Prozent der Bevölkerung sollen das denn auch sein? So viele Milliardäre gibt es auch in Deutschland nicht.

Einerseits wäre es ja sehr begrüßenswert, wenn die peinliche Figur Westerwelle endlich von der politischen Bühne abtreten würde. Andererseits wäre es ein noch viel größerer Segen für dieses Land, wenn die FDP komplett tatsächlich zur Splitterpartei schrumpfen würde - was sie inhaltlich ja auch ist, wie der gesamte Rest der neoliberalen Bande ebenfalls. Das allerdings wird - dank der Propagandamedien - wohl nur ein frommer Wunsch bleiben.

Deutschland braucht solche Gesetze wie in Ungarn nicht. Hier erledigen die Medien die Propagandaarbeit auch ganz ohne gesetzliche Kontrolle. 35 Prozent für die CDU ... man müsste angesichts dieser unkommentierten Zahl in schallendes Gelächter ausbrechen. Das ist genauso absurd wie es die 90 Prozent und mehr für die SED bei "Wahlen" in der DDR waren.

"Ungarns Regierung schafft die Demokratie ab"

Staatlich kontrollierte Medien, machtlose Verfassungsrichter, eingezogene Renten: Ungarn wird immer unheimlicher. Korrespondent Bernhard Odehnal erklärt, was in dem Land vor sich geht.

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Anmerkung: Es ist zweifellos höchst problematisch, was da gerade in Ungarn geschieht - allerdings sollte man sich schon sehr genau informieren, bevor man sich eine Meinung bildet. Bei den im obigen Interview erwähnten "eingezogenen Renten" handelt es sich nämlich lediglich um eine erneute Verstaatlichung des zuvor privatisierten Rentensystems, was der neoliberalen Bande natürlich ein Dorn im Auge ist, denn so entgeht den privaten Versicherungen viel Profit, während ärmere Rentner davon profitieren.

Besonders peinlich waren viele Reaktionen auf diese Entwicklungen, wie sie z.B. von der tagesschau verbreitet wurden. Einige Kostproben:

  • "Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die ungarische Regierung vor einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien im Umgang mit den Medien gewarnt." - Was für eine lächerliche Farce - gerade die Union schert sich einen Teufel um "rechtsstaatliche Prinzipien", egal in welchem Zusammenhang.


  • "Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kann Ungarn ohne eine Rücknahme des Gesetzes den EU-Ratsvorsitz nicht übernehmen. 'Diese fatale Entscheidung muss sofort zurückgenommen werden', sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Ein solcher 'Anschlag auf die Pressefreiheit' sei mit der EU-Ratspräsidentschaft Ungarns unvereinbar. / Trittin forderte die Bundesregierung und vor allem Außenminister Guido Westerwelle zum sofortigen Eingreifen auf. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass europäische Grundrechte von keinem Mitgliedstaat unterminiert würden." - Herr Trittin, welchen Unterschied macht es, wenn Medien per Gesetz vom Staat kontrolliert werden (Ungarn) oder aber ganz freiwillig Hofberichterstatter und Propagandaministerium spielen, weil es private Unternehmen sind, deren Besitzer der neoliberalen Religion huldigen und ihren Profit maximieren wollen (Deutschland)? Eine gesetzlich garantierte Pressefreiheit nützt nicht viel, wenn sie von den Massenmedien im Sinne der Wahrheit und Information nicht angewendet wird.


  • "[Luxemburgs Außenminister] Asselborn sagte weiter, Ungarn müsse klargemacht werden, dass das Land nicht die EU-Präsidentschaft übernehmen könne, wenn diese Gesetze in Kraft träten. 'Wenn eine Regierung sich anmaßt zu definieren, was das allgemeine Interesse ist, und das mit einer Behörde kontrolliert, sind wir nicht mehr in einer Demokratie. Das ist hochgefährlich.' - Eine solche Feststellung gerade aus Kreisen der EU-Bürokratie ist eine Lachnummer, wie sie grotesker nicht sein könnte. Die EU ist ein undemokratisches, von Lobbyisten verseuchtes Elitenförderungskonstrukt, das ständig irgendwelche Richtlinien oder Standards erlässt oder festlegt, die für alle EU-Bewohner Geltung haben. Und der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro setzt noch einen drauf, wenn er zum Besten gibt: "Die ungarische Regierung müsse sich fragen, ob sie mental überhaupt hinter dem Projekt Europäische Union stehe." - Wer ist es denn, der seit Jahren das "Projekt Europäische Union" torpediert - beispielsweise durch einen immensen Exportüberschuss, durch einen sich immer weiter ausbreitenden Niedrigstlohnsektor und sich abschwächenden Binnenmarkt, durch in den Bankrott getriebene andere Mitgliedsstaaten? Und welche Partei verkündet dieses Hohelied der "freien Märkte" bis heute am lautesten? Richtig: die FDP.


Ganz unabhängig davon, wie man die geplanten Mediengesetze in Ungarn bewertet - ich persönlich halte sie in der Tat auch für skandalös -: Diejenigen, die da laut tagesschau so vehement Kritik daran üben, haben mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und einer wirklichen, echten Pressefreiheit (im Sinne von "frei von Wirtschafts- und Ideologieinteressen") selber nichts am Hut. Wenn es hierzulande eine starke und wirklich kritische Presse gäbe, können wir sicher sein, dass man ähnliche Gesetze auch hier schon längst versucht hätte zu etablieren. Zum Glück der neoliberalen Bande gibt es eine solche kritische Presse dank der besagten "freien Märkte" aber nur noch rudimentär. Und die kann man dann in solchen Momenten als schönes Feigenblatt in die Kameras der Weltöffentlichkeit halten, während zur gleichen Zeit die Propaganda wieder Fahrt aufnimmt.

Abrechnung 2010: Die "Eliten" verramschen Demokratie und Natur

(...) Wir leben in einer von Grund auf verkehrten Welt. Die meisten wissen das inzwischen. Neun von zehn Deutschen, so hat Emnid unlängst ermittelt, wollen eine andere Wirtschaftsordnung. Was für ein Erkenntnisgewinn! Sie trauen dem Kapitalismus nicht zu, die anstehenden Probleme zu lösen. Sind doch die Banken die eigentliche Parallelgesellschaft – Piraten, die den Bürger in Geiselhaft nehmen. Und niemand macht ihnen den Prozess, weil niemand Gesetze gegen sie macht. Alle wissen, dass die Krise noch nicht vorbei ist. Ihre angeblich so versierte Bewältigung hat die Gesellschaft weiter in eine prekäre Richtung verwandelt: Neue Arbeitsplätze sind zwar begrüßenswert – aber auch dann, wenn es vorwiegend im Niedriglohnbereich liegende Zeit-, Leih- und Minijobs sind? Nur noch 38 Prozent der Beschäftigten haben eine unbefristete Vollzeitarbeit. Das ist ein weiterer Schritt hinab in den Hades der Angstgesellschaft. (...)

Fehlgesteuert von Zinstreiberei und Profitmaximierung, gleichsam im Wachkoma, schaffen wir die Instrumente unserer Selbstzerstörung. Offenbar unfähig, Lebenssinn außerhalb des beschleunigten Wachstums materieller Güter zu finden, beschwören wir das Verhängnis herauf. Adorno sprach von der lieblosen Nichtachtung der Dinge, die sich notwendig gegen die Menschen kehren, von der "Ideologie für die, welche mit schlechtem Gewissen das Ihre behalten wollen. Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Dieses nach 1989 mit unerbittlicher Anklagepose gegen alle Ostbiografien gerichtete Verdikt bezieht sich, aus seiner Verkürzung gelöst, vielmehr auf die Destruktivität des Privateigentums in der bürgerlichen Gesellschaft.

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Anmerkung: Dieser Text stellt eine hübsche, kleine Zusammenfassung der gegenwärtigen schlimmen Entwicklungen dar, auch wenn er wichtige Punkte wie z.B. das Geldsystem, die Kriege oder die weiter fortschreitende Abschottung Europas gegenüber Flüchtlingen außen vor lässt. Die Frage, die die Autorin im letzten Absatz aufwirft, ist tatsächlich die zentrale Frage der kommenden Jahre. Werden die Propagandamedien in trauter Eintracht mit korrupten Politikern und einer asozialen "Elite" dafür sorgen, dass das beschworene "Wir-Gefühl" gar nicht erst entsteht? Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, wie ich fürchte.

"Werden wir das Ende der Zuschauerdemokratie und des Herrschaftswissens einläuten oder uns einer oligarchischen Elite beugen? Es geht ums Ganze – Prost Neujahr."

Samstag, 25. Dezember 2010

Zitat des Tages: Weihnachten

So steh' ich nun vor deutschen Trümmern
und sing' mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch' mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis', ich merk' es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannebaum!

Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm' in dies' Brimborium
– bei Deutschen fruchtet keine Lehre –
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse grölt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing' sie gern in deine Zweige,
o Tannebaum!

Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
Uns Deutsche mit der Lammsgeduld?
Die leiden nicht. Die warten bieder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag', Volk, den Kastendünkel nieder!
Glaub' diesen Burschen nie, nie wieder!
Dann sing' du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!

(Kurt Tucholsky [1890-1935] alias Kaspar Hauser in "Die Weltbühne", Nr. 51 vom 19.12.1918)

Seht, es weihnachtet sehr: US-Armee im Einsatz

Das Leiden der Armen, Beispiel Schweiz

Ein winziges Hotelzimmer, Nummer 203, Hotel du Lac, Wädenswil, Kanton Zürich: Das Zimmer ist sehr schmal, sehr sauber, pastellfarben. Man sieht auf einen Parkplatz, auf Geleise, dahinter liegt als einziger Luxus der Zürichsee. Außer einem Rollkoffer deutet nichts auf die Bewohnerin hin. Dabei lebt Liliane Aeberhard hier seit Monaten. Sie ist 60-jährig, alleinstehend, kinderlos, Sozialhilfebezügerin. Seit Anfang Monat erhält sie keinen Franken mehr von der Sozialhilfe – obwohl die Unterstützung bis Ende Januar 2011 bewilligt wurde. Sie besitzt momentan 68 Franken und 80 Rappen. Sie sagt: "Jetzt muss ich bei Bekannten betteln gehen." (...)

Liliane Aeberhards Leben ist äußerst schwierig. Sie ist kein Einzelfall. Denn Sozialämter können Druck aufsetzen, indem sie Leistungen kürzen oder gar streichen. Das komme immer wieder mal vor, sagt der Leiter des Wädenswiler Sozialamts – etwa, um fehlende Unterlagen einzufordern. Oder eben, um Leute in die Frühpensionierung zu schicken. Dann zahlt nicht die Gemeinde, sondern die AHV. (...)

Übrigens: Die SVP, stärkste Partei im Wädenswiler Gemeinderat, will die Sozialhilfe kürzen und forderte auch schon einen vollamtlichen Sozialdetektiv. Am Geld liegt das nicht: Kürzlich gab der Stadtrat bekannt, dass wegen der guten Finanzlage die Steuern gesenkt werden sollen.

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Anmerkung: Es herrscht überall derselbe neoliberale Ungeist, der vor Menschenverachtung nur so strotzt. Wie kann es nur sein, dass eine soziale Leistung, die als "Existenzminimum" definiert wird (ganz unabhängig von der Höhe), überhaupt verweigert werden darf? De facto bedeutet das, dass man politisch gewollt von Amts wegen einem Menschen die Existenzgrundlage raubt - und das aufgrund "fehlender Unterlagen" oder noch viel geringerer "Vergehen" (wie in Deutschland üblich). Das ist doch unfassbar! Und trotzdem völlig normal - nicht nur in der Schweiz, sondern in großem Ausmaße auch in anderen Ländern, darunter natürlich auch Deutschland.

Was tut nun ein Mensch, dem man die Existenzgrundlage nimmt? In Deutschland ist es dank Hartz so geregelt, dass die "Sanktion" - also der Entzug des lächerlichen monatlichen Geldbetrages - für mindestens drei Monate andauert, und zwar auch dann, wenn das "Vergehen" unmittelbar bereinigt wird, beispielsweise wenn "fehlende Unterlagen" vom Betroffenen nachgereicht werden. Und dieser Mensch soll dann drei Monate lang keine Miete und keine Stromrechnungen mehr zahlen, am Leben nicht mehr teilnehmen, nichts mehr essen ... oder wie denken sich diese Verbrecher das? - So produziert man absichtlich Obdachlosigkeit und Kriminalität - von den gesundheitlichen und psychischen Folgen ganz zu schweigen!

Dass diese Praxis keine finanziellen Gründe hat (was immer noch skandalös wäre), ist ja offensichtlich - Geld ist mehr als genug vorhanden, allerdings nicht für Arme. Man wirft es lieber Millionären und natürlich den Superreichen in den Rachen, die schon lange nicht mehr wissen, was sie mit ihrem vielen Geld noch anfangen sollen. An diesem Beispiel wird die ganze unverhohlene Menschenverachtung der neoliberalen Ideologie deutlich - wirtschaftlich Nutzlose sind keine Menschen mehr und können entsprechend wie Gegenstände behandelt werden: Man rangiert sie einfach aus.

Den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit den Armen, Kranken, Alten und Behinderten umgeht. Gemessen daran ist (nicht nur) Deutschland bald wieder in der Steinzeit angekommen - der neoliberalen Bande sei's gedankt.

Neoliberale Lernresistenz am Beispiel der Süddeutschen

Nach langer Zeit habe ich mal wieder einen kleinen Leserbrief an die Hüterin des neoliberalen Grals, die Süddeutsche Zeitung, geschickt. (...)

Dagmar Deckstein, seit Jahren eine der führenden Protagonistinnen des neoliberalen Systemwechsels, legt in Zusammenarbeit mit ihren beiden Kolleginnen ín Sachen "Rente mit 67", die allen Fakten zum Trotz längst beschlossen ist, noch einmal affirmativ nach (warum eigentlich, die Schlacht ist doch geschlagen?), und dies in völliger Verkennung ihres journalistischen Auftrags mit geradezu peinlicher Verbeugung vor regierungsamtlichen Argumenten, die trotz mannigfaltiger Wiederholung auch nicht richtiger werden.

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Anmerkung: Das ist ein herrlicher Brief, vielen Dank dafür. Allerdings wird er seine Wirkung in der Redaktion der Süddeutschen natürlich verfehlen, denn wenn es dort um Fakten ginge, kämen die Redakteure auch von ganz allein zu den notwendigen Schlussfolgerungen - jene Fakten sind ja nun frei zugänglich und kein gehütetes Geheimnis. Man nimmt sie dort einfach nicht zur Kenntnis - erst recht dann nicht, wenn sie in einem Leserbrief stehen.

Ich glaube indes nicht, dass Deckstein & Co. einfach nur verblendete Dogmatiker sind, die stur an ihrem Glauben festhalten. Ich halte sie vielmehr - wie auch die Mehrheit der neoliberalen Politiker - für egoistische Pragmatiker, denen das eigene Konto wichtiger ist als alles andere, inklusive jedweder Fakten. Andernfalls müsste man diesen Leuten gnadenlose Dummheit oder gar psychische Störungen unterstellen.

Ich hatte dieser Tage im Wartezimmer beim Arzt ein "Focus Special" zum Jahr 2010 in der Hand, das ebenfalls in diese Kategorie der Meinungsmache, wie Albrecht Müller das gerne nennt, fällt. Dort reihte sich tatsächlich ein unfassbarer Text an den anderen - mir kam das vor wie ein Magazin aus einem mir unbekannten Paralleluniversum.

Soviel zu der These, der Journalismus sei eine "Säule der Demokratie" ... eine tolle Demokratie ist das.

Freitag, 24. Dezember 2010

Kapitalismus: Wir könnten auch anders

Warum brauchen wir Wirtschaftswachstum? Weil sonst Firmen sterben. Weil dann Menschen arbeitslos werden, arm und unglücklich. Ist das unausweichlich? Eine Alternative muss her.

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Anmerkung: Dieser schon über ein Jahr alte ausführliche Artikel aus der Zeit stellt keinen Aufruf zur Revolution dar, aber er beleuchtet zumindest einige der Hintergründe, die in unseren Medien ansonsten nicht vorkommen, wie beispielsweise die Struktur unseres Geldsystems und den daraus resultierenden zerstörerischen Wachstumszwang der globalen Ökonomie, während "die Natur schrumpft".

Dennoch geht der Autor in seiner Kritik nicht weit genug, denn er meint allen Ernstes, es könne einen "Kapitalismus ohne Wachstumszwang" geben, dem die jetzt wieder offensichtlich werdende Selbstzerstörungskraft aufgrund des Geldsystems und des Zinses nicht innewohnt. Das halte ich nicht nur für utopisch, sondern auch für grundfalsch, denn an dem herrschenden Klassensystem und den vollkommen ungerechten Besitzverhältnissen würde auch dieser "gute Kapitalismus" nichts ändern.

Die Auseinandersetzung mit dem Text lohnt sich aber in jedem Falle - es stecken gerade zur Kritik der gegenwärtigen grotesken Situation viele gute Denkansätze darin, auch wenn die vorgeschlagenen Lösungen nach meiner Meinung keineswegs ausreichen und teilweise auch in die falsche Richtung gehen. Die Menschheit wäre einen Riesenschritt weiter, wenn sich endlich mehr Menschen - und gerade auch solche, denen es wirtschaftlich noch gut geht - damit auseinandersetzen, welche Katastrophen der Kapitalismus und das Geldsystem in naher Zukunft auch für sie bereithalten.

Exemplarisch sei dieser Absatz zitiert, der in wenigen Worten die fast schon komische Tragik des Kapitalisten umzäunt: "Es ist in diesen Tagen der Weltrezession viel die Rede davon, die Hoffnung auf immer weiter steigenden Wohlstand sei gestorben. Sobald die Wirtschaft wieder anspringt, wird diese Hoffnung zurückkehren. Wenn sich jedoch irgendwann die Polkappen in Wasser verwandelt haben, wird niemand mehr glauben, der freie Markt könne uns reich machen und unseren Kindern außerdem noch eine intakte Welt hinterlassen."

Nur zur Erinnerung: Es wäre bereits heute möglich, allen Menschen auf diesem Planeten ein von materiellen Sorgen freies Leben zu ermöglichen. Der Kapitalismus hat indes dazu geführt, dass nur einer winzigen Minderheit dieses schöne Los zuteil wird, während die überwältigende Mehrheit der Menschheit in jämmerlicher Armut ihr Dasein fristet oder sogar verhungert oder verdurstet. Diese Hierarchien gibt es weltweit in großem und im kleinen Stil: Die wenigen reichen Industrieländer gegen die vielen armen "Entwicklungsländer", die Villen der wenigen Superreichen gegen die Massen der kleinen Wohnungen - und diese Verhältnisse spitzen sich mehr und mehr zu. Nach neoliberalem Irrglauben sind all diese Menschen selbst daran Schuld, dass die Wenigen fast alles und die Vielen nichts besitzen. Einen solchen absurden Irrsinn kann man gar nicht zuende denken, ohne verrückt zu werden.

Denken Sie mal darüber nach, wenn Sie unterm Weihnachtsbaum sitzen oder in der Kirche hören, dass heute der "Erlöser" geboren sei. Er hat die Menschheit irgendwie ziemlich schlecht erlöst, finde ich.

Nochmal über Heitmeyer: Der Hass der Wohlhabenden

Seit 2002 belegt die sogenannte Heitmeyer-Studie auf empirischer Grundlage eine zunehmende "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" im deutschen Durchschnittsbewusstsein. Der neuesten Studie zufolge macht sich nun auch in der sogenannten bürgerlichen beziehungsweise post-bürgerlichen Mitte die Menschenfeindlichkeit auffällig bemerkbar: als ein diffuses Konglomerat aus Ressentiments und dem Wunsch nach Revolte, das sich im Sozialneid von oben ebenso niederschlägt wie im pöbelnden Angriff auf sozial oder als individuell schwächer wahrgenommene Menschen. (...)

In der nunmehr neunten Folge der Untersuchung wurden in diesem Frühsommer 2.000 Personen befragt, wobei diesmal Besser- und Höherverdienende besondere Beachtung fanden. Sie empfinden die gegenwärtige, als "Finanzkrise" wahrgenommene ökonomische Entwicklung als "Bedrohung" für ihren Lebensstandard und reagieren darauf mit einer "aggressiven Stimmung", die sich schließlich – wie die Studie zeigen kann – zum "Syndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" verdichtet. Dieses "Syndrom" bestehe aus zehn Elementen: aus Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, der Abwertung von Langzeitarbeitslosen, der Abwertung von Behinderten, der Abwertung von Obdachlosen, Islamfeindlichkeit und der Verteidigung von "Etabliertenvorrechten".

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Anmerkung: Dieses Thema habe ich in den letzten Wochen schon zweimal erwähnt, aber dieser Text aus der Jungle World ist der bislang beste, den ich dazu gefunden habe. Wer sich ein relativ tiefgehendes Bild von den Besorgnis erregenden "Deutschen Zuständen" machen möchte, ohne die ganze Studie zu lesen, sollte sich diesen Artikel zu Gemüte führen.

Die Parallelen dieser Entwicklungen heute zu denen der Weimarer Zeit sind nicht von der Hand zu weisen. Im Text heißt es dazu: "Der ohnehin kursierende Vergleich zur Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre drängt sich anhand der Ergebnisse der Studie auf. Wie die Jahre 1924 bis 1928 bedeuteten auch die Jahre 2003 bis 2008 eine Rückkehr zur 'Normalität'. Dazu gehörte die Restituierung der 'bereits erschütterten Kontinuitätsannahme in der Bevölkerung', nämlich die 'Hoffnung, dass endlich einmal alles so bleiben möge, wie es ist, ein Bedürfnis nach Ruhe, nach stationären Zuständen', wie es Peter Brückner für den Sozialcharakter der Weimarer Republik formulierte." - Was fünf Jahre nach 1928 geschehen ist, ist bekannt. Welche Zukunft wartet wohl auf uns, wenn wir weiter größtenteils tatenlos herumsitzen und abwarten?

Über den Aufenthalt in einer "Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung"

(Blog lesen, beginnend mit Tag 1)

Anmerkung: Ich habe die bislang neun Einträge in diesem Blog, das die Erlebnisse eines Mitbürgers in einer solchen ARGE-"Maßnahme" beschreibt, mit einem Gefühl der wachsenden Bedrückung und Bestürzung gelesen. Die Lektüre sei jedem empfohlen, der mal aus erster Hand erfahren möchte, wie es in einer solchen "Maßnahme" zugeht und wie sinnvoll das ganze ist. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass jeder "Teilnehmer" offiziell nicht mehr als arbeitslos gilt (also aus der Statistik verschwindet), wird die totale Sinnfreiheit noch offensichtlicher.

Wer noch zusätzlich zur ARGE ein Interesse an solchen "Maßnahmen" hat, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt: "Allein im Raum Nürnberg zahlte die Arbeitsagentur 2009 knapp 20 Millionen Euro für Fördermaßnahmen." Und weiter: "Hunderttausende Arbeitslose sind in teuer bezahlten Förderungen vom Bewerbungstraining bis zur Weiterbildung. Doch diese Kurse sind oft Zeitverschwendung. Andere Arbeitslose wiederum kämpfen - vergeblich - für eine für sie passende Qualifizierung." (Quelle) - Rechnen wir diese 20 Millionen Euro aus Nürnberg auf ganz Deutschland hoch und schon kennen wir weitere Gründe, weshalb ein solcher grober Unfug in großem Stil durchgeführt wird und wer davon profitiert. Die Arbeitslosen sind es - selbstverständlich - nicht.

Dienstag, 21. Dezember 2010

Raubzug der Parteien: Wie sich Fraktionen selbst bedienen



Anmerkung: Bemerkenswert sind die Gesichtsausdrücke der befragten Politiker, die von "genervt" bis zu "das ist doch das Normalste von der Welt" reichen. Diese Damen und Herren müssen in einem Paralleluniversum leben, das mit dem unsrigen nur noch eine letzte Schnittmenge besitzt, nämlich die unseres Steuergeldes, das sie gerne nehmen.

EU-Lebensmittelbehörde von der Industrie unterwandert

Die europäische Lebensmittelbehörde Efsa sei von der mit Genpflanzen experimentierenden Industrie unterwandert. Diesen Vorwurf formuliert jetzt die Expertengruppe Testbiotech, die sich als unabhängiges Institut für die Folgenabschätzung der Biotechnologie versteht. "Es klingt wie eine Verschwörungstheorie, aber wir haben es gut dokumentiert", sagte Testbiotech-Chef Christoph Then am Mittwoch in München.

Der Leiter der Efsa-Expertengruppe für gentechnisch veränderte Pflanzen, Harry Kuiper, und ein weiterer Efsa-Experte seien seit Jahren auch beim Lobbyistenverband Ilsi unter Vertrag. Der wird von Konzernen wie Monsanto, Nestle oder Bayer bezahlt.

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Anmerkung: Ja, so funktioniert der deregulierte Markt eben - es liegt doch auf der Hand, dass solche Zustände dabei herauskommen, wie sie im Artikel beschrieben werden. Wer sich darüber wundert, ist entweder dumm oder naiv. Oder beides.

Bemerkenswert ist erneut, dass die Frankfurter Rundschau es gewissenhaft vermeidet, das Wort "Korruption" zu benutzen - nicht einmal als Zitat kommt es vor. Der Sachverhalt wird statt dessen mit "Interessenskonflikt" umschrieben. - Dessen ungeachtet erzeugt es doch ein herrliches Gefühl von Sicherheit bei uns Bürgern, wenn wir nun wissen, dass die EU-Aufsichtsbehörde für Gen-Pflanzen von Monsanto & Co. kontrolliert wird, oder? Die werden schon nichts tun, was den Menschen oder der Natur schadet ... sie haben doch nur unser Wohl im Sinn ...

An dieser Stelle sollte Gernot Hassknecht übernehmen.

Folgen des Stellenabbau- und Privatisierungswahns: Über das "Schneechaos"

(...) Stellen wir die Uhren doch einmal ein paar Jahre zurück – der Winter 1984/85 war hart und mit einer Durchschnittstemperatur von -2,4° Celsius wesentlich kälter als der letzte Winter. Haupt- und Nebenstraßen konnten damals jedoch von den kommunalen Straßenmeistereien und Bauhöfen zeitnah geräumt und gestreut werden. Größere Probleme auf Straße oder Schiene waren unbekannt – beheizte Weichen und zahlreiche Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn sorgten für einen reibungslosen Betrieb selbst bei "sibirischen Temperaturen". Heute fallen in Berlin bei relativ milden Temperaturen die S-Bahnen wegen zugefrorener Weichen aus, während die Deutsche Bahn AG, die durch die Unterfinanzierung des S-Bahn-Netzes die Verantwortung dafür trägt, von der S-Bahn auch noch "Stellgebühren" für die festsitzenden Züge verlangt. (...)

Waren früher selbst Nebenstraßen um 8:00 Uhr geräumt, so schlittert man heute sogar um 10:00 Uhr noch auf Hauptverkehrsstraßen, da die personell und materiell ausgedünnten Straßenmeistereien und Bauhöfe selbst mit milden Wintern überfordert sind. Dort, wo der Winterdienst privatisiert wurde, sind die Zustände nur noch als Katastrophe zu bezeichnen. Doch die Politik weist sämtliche Zusammenhänge zwischen neoliberalem Privatisierungswahn und dem "Schneechaos" natürlich kategorisch zurück.

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Anmerkung: Dieser Text trifft den Nagel auf den Kopf - absolute Leseempfehlung. Direkt vor der Haustür kann ich exemplarisch zurzeit täglich das Fiasko beobachten: In diesem Stadtteil ist nicht eine einzige Straße geräumt oder gestreut worden, der Schnee türmt sich seit einer Woche, Autos und Busse können aufgrund der teilweise erheblichen Steigungen nicht fahren, der Verkehr ruht weitestgehend. Und wenn gelegentlich doch mal ein Wagemutiger die steilen Berge mit dem Auto befährt, kommt es in schöner Regelmäßigkeit zu Unfällen.

Doch in den Medien - und erst recht in den reißerischen Sondersendungen im Fernsehen zum Thema - wird das einfach ausgeblendet. Der radikale Stellenabbau bei den Kommunen oder gar die Privatisierungen kommen darin schlicht nicht vor. Jens Berger schließt seinen Text mit den Worten: "Aber diese Fragen werden in den Medien schon seit langem nicht mehr gestellt – man nimmt den neoliberalen Wahn vielmehr als Naturereignis wahr und spricht daher auch folgerichtig von wetterbedingten Katastrophen, die bekanntermaßen unabwendbar sind. Die neoliberale Katastrophe ist allerdings nicht unabwendbar." - Das ist prinzipiell richtig. Allerdings ist in den Medien und in der Politik nirgends auch nur der kleinste Hinweis darauf zu erkennen, dass es eine Abkehr vom neoliberalen Wahn geben könnte. Ganz im Gegenteil. Die neoliberale Bande hält weiter stoisch und unbeirrbar ihren Katastrophenkurs aufs Riff.

Sonntag, 19. Dezember 2010

Sinnlose Wettbewerbe

Je mehr Wettbewerb, umso besser, haben die Neoliberalen jahrelang erfolgreich verkündet. Ökonomieprofessor Mathias Binswanger zeigt, dass so maßlos Leerläufe produziert werden. (...)

[Inszenierte Wettbewerbe] entstanden vor dem Hintergrund von simplen Botschaften, welche neoliberale Ökonomen wie Milton Friedman verbreitet haben: Markt ist gut, und Staat ist schlecht. Am Anfang hatten die Friedman-Anhänger wie die Regierung Thatcher zu Beginn der achtziger Jahre die Idee, man könne überall Markt einführen, zum Beispiel auch in der Forschung. Doch es zeigte sich bald, dass die Grundlagenforschung auf diese Weise verschwindet. Also hieß es danach: Wenn schon kein Markt, dann kann man doch wenigstens Wettbewerb einführen, um damit auch ohne Markt Effizienz herzuzaubern.

Man hat nicht gemerkt, dass das eigentlich ein Rückfall in die Planwirtschaft ist. Schon Lenin hat Anfang der zwanziger Jahre gesagt: Jetzt, wo wir die Revolution haben, müssen wir anfangen, den Wettbewerb einzuführen. Damals war Markt aus ideologischen Gründen nicht möglich, aber trotzdem wollte man Effizienz – und ist kläglich gescheitert. (...)

Es gibt ein schönes Beispiel: Wenn man den Kindern Aufgaben gibt und sie frei wählen lässt, wählen sie die schwierigen Aufgaben. Sobald man ihnen aber eine Belohnung in Aussicht stellt, wählen sie die leichten Aufgaben, weil sie die Belohnung bekommen wollen. Es gibt ja schon Ideen, man müsse Schüler, die gut abschneiden, für ihre gute Leistung bezahlen. Auch beim Lernen will man für immer mehr künstlichen Wettbewerb sorgen – da hat man sich ideologisch völlig verrannt.

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Anmerkung: Die Beobachtungen Prof. Binswangers gelten für eine Vielzahl weiterer Bereiche - schließlich erleben wir gerade die totale Ökonomisierung des gesamten Lebens. Man muss sich diese Idiotie immer wieder vor Augen führen, damit man im medialen Propagandagetrommel nicht vergisst, wie strunzdämlich es beispielsweise ist, einen "Wettbewerb" im Gesundheitswesen zu konstruieren: Als ob es Sinn macht, wenn Krankenhäuser untereinander in "Konkurrenz" stünden! Das Ziel sollte doch vielmehr sein, eine flächendeckende, für alle Bürger an allen Orten gleich gute medizinische Versorgung sicherzustellen - was hat da ein "Wettbewerb" verloren? Dasselbe gilt für die vielen Krankenkassen - wozu brauchen wir hunderte von Kassen mit entsprechend vielen überbezahlten Vorständen, Aufsichtsräten etc., die in einen künstlich erzeugten, vollkommen sinnlosen Wettbewerb verstrickt sind? Oder bei der Paketzustellung: Jetzt fahren ein und dieselben Wegstrecken in unseren Städten eben drei oder vier Fahrzeuge unterschiedlicher "Anbieter" ab, um Pakete auszuliefern - das ist auch ökologischer Schwachsinn.

Die Liste ließe sich noch stundenlang fortführen. Was die letzten Jahrzehnte eindeutig gezeigt haben, ist dies: Die neoliberale Ideologie setzt lediglich massenhafte Wettbewerbe nach unten in Gang, die allesamt zum Nachteil der Menschen sind: Die Löhne und Gehälter fallen, Arbeitsstellen werden wegrationalisiert, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen sinkt beständig, und auf alle wichtigen "Nebensächlichkeiten" wie z.B. die Ökologie, die Lebensqualität der Menschen, Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Lebens, die Kultur u.v.m. wird keinerlei Rücksicht genommen. Dieses System ist geradezu grotesk.

Und dennoch machen die Marktfetischisten immer weiter ... kein Lebensbereich ist sicher vor ihnen. Das ehemals weltweit geschätzte Hochschulsystem in Deutschland haben sie bereits weitgehend zerstört; das Gesundheitssystem ist auf dem besten Wege dazu, in eine neofeudale Mehrklassenmedizin zurückentwickelt zu werden; das gleiche gilt für das Rentensystem; und all die anderen bereits erfolgten oder in Planung befindlichen "Privatisierungen" der Systeme der öffentlichen Daseinsfürsorge werden ihr Übriges tun.

Und warum das alles? Diese Frage, die von den üblichen Verdächtigen stets mit dem Mantra bedacht wird, "der Markt wird am Ende für alle Verbesserungen bringen", ist so simpel wie erschreckend zu beantworten: Weil die Finanz"elite" daran eine Menge Geld verdient. Einen anderen sinnvollen Grund - insbesondere einen, der für die Mehrheit der Menschen Relevanz besitzt - kann ich nicht ausmachen. In dieser Hinsicht ist Herrn Binswanger also zu widersprechen: Die neoliberale Bande hat sich da keineswegs "ideologisch verrannt" - ganz im Gegenteil: Sie tut das alles in vollster Absicht und mit bewusster Berechnung. Gelegentlich macht einer der Akteure ja einen Fehler und gibt das sogar öffentlich zu, wie es in letzter Zeit z.B. Frau Merkel oder Herr Rösler getan haben.

Fazit: Diese Bande raubt uns aus und zerstört den Planeten - und wir wählen sie auch noch. Die Menschheit muss ein Irrtum der Evolution sein.

Mit gutem Beispiel voran: Ausbeutung im deutschen Bundestag

  1. Das Reichtagsgelände Anfang dieser Woche. Polizisten mit Maschinenpistolen, überall Absperrungen, Kontrollen - Terror-Warnung. Doch nicht nur die Polizei sorgt hier für die Sicherheit, sondern auch private Wach- und Sicherheitsunternehmen. Bei den Schleusenkontrollen zum Beispiel entscheiden sie darüber, wer in die Gebäude des Bundestags rein kommt und was draußen bleiben muss. Viel Verantwortung. Wie aber wird diese Arbeit bezahlt? Darüber will mit uns vor der Kamera lange niemand sprechen. Es herrscht Angst unter den Sicherheitsmitarbeitern, nicht unbedingt wegen der Terrorgefahr. Einer bricht dann doch das Schweigen. Lothar Schmidt macht sich fertig zur Schicht im Reichstag. Sein Arbeitgeber ist nicht der Deutsche Bundestag, sondern eine private Sicherheitsfirma. Zurzeit ist Lothar Schmidt im Bereich der Fahrstühle eingesetzt. Eine Vollzeitstelle. Zu wenig Arbeit hat er also nicht. (...)

    Arbeiten im Reichstag. Für Lothar Schmidt heißt das in Zahlen: Bei 186 Stunden im Monat und 6,25 € in der Stunde bleiben am Ende 895 € netto.

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  2. Die Bundestagsverwaltung soll Scheinselbstständige beschäftigt haben – jetzt klagen frühere Mitarbeiter vor Gericht

    Dem Bundestag droht Ärger vor Gericht: Zwei Abteilungen der Parlamentsverwaltung werden vor dem Berliner Arbeits- und Sozialgericht durchleuchtet. Ehemalige Mitarbeiter behaupten, die Verwaltung habe jahrelang getrickst, um Sozialabgaben zu sparen und ihnen Arbeitnehmerrechte zu verwehren.

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Anmerkung: Da bleibt einem doch die Spucke weg. Dass die neoliberale Bande ein Haufen Wegelagerer ist, ist ja nichts Neues - aber dass sie dies ausgerechnet auch im Bundestag tut, ist an Dreistigkeit kaum mehr zu überbieten.

Wieviel verdienen die Damen und Herren Beamten und Abgeordneten dort doch gleich? Müssen die trotz ihres Vollzeitjobs auch zum Amt, um dort "aufzustocken"? Ach nein, ich vergaß - Politiker stocken ja auf andere Weise auf, z.B. durch "Nebentätigkeiten" oder Korruption. Was für ein verkommener Haufen.

Samstag, 18. Dezember 2010

Korruption: Polithuren und ihre Freier, Episode 2.789

  1. Viele Deutsche halten ihre Politiker für käuflich und sehen die Korruption in der Bundesrepublik insgesamt auf dem Vormarsch. So glauben sieben von zehn Bürgern, dass die Bestechlichkeit hierzulande schlimmer wird. Dies geht aus dem diesjährigen Korruptionsbarometer der Organisation Transparency International hervor.

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  2. Peinlich, peinlich: Der FDP steht schon wieder eine hässliche Parteispendenaffäre ins Haus. Diesmal geht es um die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) und satte Zuwendungen an die Freidemokraten im zeitlichen Umfeld einer Gesetzesinitiative zum Anlegerschutz. Die vorerst letzte von drei Großspenden innerhalb weniger Monate bescherten der Finanzvertrieb und dessen Tochter Allfinanz den Liberalen am 9. November. 60.000 Euro gingen dabei auf dem FDP-Konto ein, zuvor waren es 65.000 Euro im August und 75.000 Euro im Juli. Formal erfolgten die Zahlungen ganz legal. Auffällig ist nur, dass im fraglichen Zeitraum die von der Koalition großangekündigte "Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen" zu einer – wie die SPD meint – "bedingungslosen Kapitulation vor den Anbietern von Finanzprodukten geschrumpft" ist. Summen in ähnlicher Größenordnung flossen an die CDU.

    Selbstredend beharren beide Parteien darauf, dass keinerlei Zusammenhang zwischen den Geldflüssen und dem Gesetzentwurf bestehe.

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Anmerkung: Sie machen eben einfach weiter wie gewohnt - schließlich hat das alles keine negativen Konsequenzen. Auch diesmal wird keine Staatsanwaltschaft, kein Untersuchungsausschuss ermitteln, und die Korruption grassiert munter weiter. Was für einen schönen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat haben wir da doch ...

Und die Junge Welt stellt mal wieder schön heraus, welche Bande da eigentlich agiert: "Bis zu seiner Ernennung zum Außenminister stand [Westerwelle] als Berater auf der DVAG-Gehaltsliste. Überhaupt unterhält der Finanzvertrieb beste Beziehungen zur Politik. In Vorstand, Aufsichtsrat und Beirat sitzen zahlreiche ehemals aktive und hochrangige Unions-Granden wie Altkanzler Helmut Kohl, dessen Kanzleramtsleiter Friedrich Bohl sowie Ex-Finanzminister Theo Waigel." - Eine Bananenrepublik vom Feinsten.

Das Schweigen des verrohten Bürgertums

Die Studie des Soziologen Wilhelm Heitmeyer über "Deutsche Zustände" sollte uns schockieren. Sie zeigt ein feindseliges, verrohtes Bürgertum.

Ein Gedankenspiel aus unschönem Anlass: Ich stelle mir vor, ein Raunen ginge durch die Republik. Viele Menschen in diesem Land wären beunruhigt, mehr noch, erschrocken. Sie diskutierten leidenschaftlich die Ergebnisse der "Deutschen Zustände". In der neuen Auflage dieser umfassenden Langzeitstudie kommen renommierte Bielefelder Wissenschaftler um den Soziologen Wilhelm Heitmeyer zu dem Schluss, dass das deutsche Bürgertum verroht. Vor allem Besserverdienende blickten zunehmend feindselig, gar aggressiv auf sozial Schwache und auf Muslime.

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Anmerkung: Das Schweigen der Besserverdienenden in Bezug auf Heitmeyers Studie verwundert nicht weiter: Diese Spaltung der Gesellschaft ist ja von gewissen Kreisen bewusst gewollt - man hat "gute Erfahrungen" damit in der Vergangenheit gemacht und sieht demnach keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Wenn die Bürger sich gegenseitig für die "Schuldigen" halten - und genau das befeuern ja weite Teile der Mainstreampresse und des Fernsehens -, kommt niemand auf die Idee, nach den wirklich Schuldigen zu fahnden. Das hat in den 20er und 30er Jahren in Deutschland schon einmal wunderbar geklappt, genau wie an vielen anderen Orten und zu anderen Zeiten auch.

Es ist immer dasselbe Spielchen: Politik und Medien hetzen verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf - und die Finanzelite reibt sich kichernd die Hände und sahnt weiter in Unmaßen ab, auf Kosten aller anderen, versteht sich. Es ist mir ein vollkommenes Rätsel, dass es offenbar so viele gebildete Bürger gibt, die dieses perfide Spiel nicht durchschauen oder nicht durchschauen wollen.

Man möchte ihnen Reinhard Meys Worte zurufen:

"Der Ausguck ruft vom höchsten Mast: Endzeit in Sicht!
Doch sie sind wie versteinert und sie hören ihn nicht.
Sie zieh'n wie Lemminge in willenlosen Horden.
Es ist, als hätten alle den Verstand verlor'n,
Sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor'n,
Und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden."

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Seehofers Kompetenzen





Anmerkung: Eigentlich spricht das für sich - ein CSU-Ministerpräsident, der eine siebenstellige Zahl nicht vorlesen kann ... dazu fällt einem doch nicht mehr viel ein. Oder???

Der Mörderstaat. Über "gezielte Tötungen"

Amerikanische Einheiten töten in Afghanistan gezielt Taliban- und Al-Qaida-Mitglieder. Es sieht so aus, als könnte auch die Bundeswehr daran beteiligt sein (...). (...)

"Gezieltes Töten" bezeichnet das vorsätzliche staatliche Töten einer Person, die sich nicht in staatlichem Gewahrsam befindet - ohne Gerichtsverfahren und ohne dass diese Person eine gegenwärtige Bedrohung darstellt, weil sie im Begriff ist, einen Angriff auszuführen. Wie lässt sich diese Praxis rechtfertigen?

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Anmerkung: Gar nicht - eine solche Praxis lässt sich niemals rechtfertigen. Das ist schlicht Mord. Es steht in keinem Falle irgendwelchen Beamten, Polizisten, Militärs oder Geheimdienstlern zu, einem anderen Menschen das Recht auf Leben abzuerkennen. Nach meinem Empfinden dürfte dies auch kein Gericht tun - auch wenn das leider manch einer anders sieht. Dennoch bleibt es dabei, dass ein Todesurteil, wenn es denn gesetzlich vorgesehen ist (was an sich schon ein Skandal ist), ausschließlich von einem Gericht verhängt werden darf.

Im Krieg wird immer gemordet - das ist schließlich das Wesen des Krieges. Trotzdem bleiben "gezielte Tötungen" eine ganz besonders perfide Form der Kriegsführung, die höchstens ins Mittelalter passt. Es ist doch unfassbar, dass es heute - jetzt, in diesem Moment - Listen gibt, auf denen Namen von Menschen notiert sind, die staatlich gewollt und legitimiert aus dem Hinterhalt ermordet werden sollen - und ermordet werden. Einfach so - weil irgendwelche Leute aus unbekannten Gründen das so beschlossen haben.

Ob die neoliberale Bande wohl darüber nachdenkt, diese Praxis nicht nur am Hindukusch oder sonstwo, sondern auch hierzulande wieder einzuführen? Es ist doch gar nicht mehr zu fassen, was da in Afghanistan ausgerechnet im Namen von Recht, Freiheit und Demokratie geschieht ... und die Bundeswehr mischt kräftig mit.

Wenn das kein Terrorismus ist, weiß ich nicht, was sonst Terrorismus sein soll.

Das "Bundesverdienstkreuz" - eine weitere Farce

Beim Bundesverdienstkreuz gibt es reservierte Plätze – für Abgeordnete. "Eine ganz neue Form der Selbstbedienung", schimpft Parteien-Kritiker von Arnim. Dabei sind Parlamentarier nicht die einzigen, die bevorzugt werden.

Für Bundestagsabgeordnete sind jedes Jahr pauschal sieben bis acht Verdienstorden reserviert. Sie werden nach Parteienproporz vergeben. Der Berliner Kurier berichtete am Freitag über eine mündliche Absprache zwischen dem Bundespräsidialamt, das die Orden vergibt, und dem Bundestag. Sie stammt aus der Mitte der 90er-Jahre.

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Anmerkung: Ich habe ja noch nie sonderlich viel von diesem albernen Orden-Geschachere gehalten, aber spätestens jetzt dürfte auch dem Letzten klar geworden sein, dass es sich dabei um einen Popanz ohne jedwede positive Aussagekraft handelt.

Man muss sich das nur mal vorstellen, wie sie da - hübsch geordnet nach Parteienzugehörigkeit - um diese albernen Bleche buhlen ... Man kann schon sagen, dass es sich dadurch um eine höchst negative "Auszeichnung" handelt, die man als Normalbürger tunlichst ablehnen sollte, um genügend Abstand zu dieser Bande zu wahren.

Ganz besonders heiter stimmt die Begründung für dieses "Verfahren": "Daneben gibt es Funktionsträger, die das Kreuz qua Amt erwerben: Die Bundespräsidenten selbst gehören dazu und die Inspekteure der Bundeswehr. Im Fall der Bundestagsabgeordneten erklärte die Präsidialverwaltung jetzt, dass die Geehrten aufgrund ihres langjährigen politischen Engagements alle die Voraussetzungen für die Ehrung erfüllten." - Wem da das Lachen nicht vor Schreck im Halse stecken bleibt, dem ist nicht mehr zu helfen. Das sind DDR-Verhältnisse, wie sie bizarrer kaum sein könnten.

Wikileaks-Mirrors weltweit - aufkeimende Hoffnung?

Wikileaks is currently mirrored on 2194 sites (updated 2010-12-15 15:56 GMT).

(Ansehen)

Anmerkung: Die weltweite Anzahl der ("offiziellen") Wikileaks-Mirrors wächst täglich. Vielleicht ist das ein kleines Zeichen für aufkeimende Hoffnung? - Beachtlich ist dabei, wo sich manche der Server befinden - auch in Deutschland stehen einige. Sogar die bolivianische Regierung beteiligt sich daran. Wie lange mag es wohl dauern, bis die USA versuchen werden, Bolivien wieder auf den alten neoliberalen Kurs zu bringen?


(Bild: Stuttmann)

Lachnummer des Tages: Das FBI und die bösen Terroristen

Schritt 1: Das FBI schickt einen V-Mann als Provokateur in eine Moschee, um die Moslems zu Terroranschlägen zu überreden.

Schritt 2: Die Moslems rufen das FBI, um den V-Mann als Terroristen zu melden.

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Anmerkung: Merkt jenseits des großen Teiches eigentlich noch jemand, wie grotesk das ganze ist? Wäre der Hintergrund nicht so bitterernst, müsste man in schallendes Gelächter ausbrechen und sich über die peinlichen Versuche der neoliberalen Bande, "böse Terroristen" selbst zu produzieren, unablässig lustig machen.

Vor kurzem stand jedoch in der Süddeutschen, dass sie damit auch gelegentlich Erfolg hat. Welch ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat und Vorbild für die ganze Welt das doch ist ...

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Der Schein trügt



















Honduras: Der legitimierte Staatsterrorismus

Nach der Wahlfarce vor einem Jahr verkündete das Regime in Honduras, dass die Demokratie wiederhergestellt sei. Tatsächlich nahm die Repression aber zu. Berta Oliva kämpft seit beinahe dreißig Jahren für die Menschenrechte. Jetzt ist sie verzweifelt – denn die Welt sieht weg. (...)

Seither sind in Honduras über fünfzig Mitglieder der in der Nationalen Widerstandsfront zusammengeschlossenen Opposition ermordet worden. GewerkschafterInnen werden verfolgt, Streiks vom Militär niedergeschlagen. An der Atlantikküste werden BäuerInnenkooperativen von Todesschwadronen terrorisiert. Durch die Armenviertel der Städte fahren Geländewagen mit abgedunkelten Scheiben und ohne Nummernschilder. Wenn die Männer in Zivil, die darin sitzen, einmal aussteigen, zeigen sie Fotos von örtlichen Oppositionellen herum. "Wie soll man das nennen?", fragt Oliva und gibt selbst die Antwort: "Todesschwadrone! Das ist Staatsterrorismus!" (...)

Zwar haben in Lateinamerika bisher nur Kolumbien und Peru Lobo formell als rechtmäßigen Präsidenten von Honduras anerkannt. Aber fast alle anderen tun so, als wäre nichts gewesen. Die USA ohnehin. Auch die EU hat die zunächst eingefrorene Entwicklungshilfe wieder aufgenommen und lädt Lobo zu Empfängen ein. Selbst Mauricio Funes, der erste mit Unterstützung der ehemaligen linken Guerilla FMLN gewählte Präsident von El Salvador, hofiert seinen scheindemokratischen Kollegen. Die Handelsbeziehungen zum Nachbarland sind ihm wichtiger als die politische Moral.

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Anmerkung: Der letzte zitierte Satz oben steht stellvertretend für all diese "demokratischen" Staaten und deren Polit-Kasten, natürlich einschließlich Deutschland. Geld ist das Zentrum ihres Denkens und Handelns, alles andere hat sich den Profitinteressen der Superreichen unterzuordnen.

Darüber hinaus ist diese Farce ein weiteres Beispiel für die lange Liste der unfassbaren Verbrechen der US-amerikanischen und anderer westlicher Politiker der letzten Jahrzehnte, die sich in der Öffentlichkeit doch immer mit dem lächerlichen Mäntelchen der Demokratie und Freiheit zeigen. Und natürlich ist auch Obama dabei - der "Friedensnobelpreisträger". Da ist es exakt genauso wie in Honduras: Kein einziges dieser Verbrechen wird verfolgt, niemand wird angeklagt und verurteilt, es wird noch nicht einmal ermittelt. Wo liegt jetzt der genaue Unterschied zwischen Honduras auf der einen und den USA und z.B. Deutschland auf der anderen Seite?

Ach, wie überraschend: Erstmals über 10.000 Wohnungslose in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg suchen mehr Wohnungslose als je zuvor Hilfe bei sozialen Einrichtungen. Wie aus einer am Freitag veröffentlichten Erhebung der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg hervorgeht, stieg die Zahl der Hilfsbedürftigen im Land um 1,6 Prozent auf 10.065. Damit überschritt die Zahl der Menschen in Einrichtungen der Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe im September erstmals die Marke von 10.000.

(...) Die Zahl der Hilfe suchenden Frauen und jungen Menschen unter 25 Jahren sei in den vergangenen zehn Jahren um 65 Prozent gestiegen.

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Anmerkung: Diese Zahl ist die Quittung für die asoziale Politik in diesem Lande und eine logische Folge von Hartz IV. Wie hoch die Zahl der Obdachlosen tatsächlich ist, kann nicht einmal grob geschätzt werden - gezählt werden hier schließlich nur diejenigen, die die Hilfe irgendeiner Einrichtung in Anspruch nehmen. Die tatsächliche Zahl dürfte also weit größer sein.

Gerade der 65prozentige (!!) Zuwachs unter den jüngeren obdachlosen Menschen ist höchst alarmierend und eine Schande für dieses Land. Es sollte jedem Bürger den Angstschweiß auf die Stirn treiben, dass die neoliberale Bande so viele Menschen so menschenunwürdig behandelt, als sei nichts "normaler". Offenkundig ist sie auch nicht gewillt, daran irgendetwas zum Positiven zu verändern - ganz im Gegenteil.

Es sei an dieser Stelle einmal mehr an das "Vorbild" von Hartz IV aus den USA erinnert, das der zynische Menschenverachter Roland Koch (CDU) schon 2003 angepriesen hat (ein spannender Bericht darüber findet sich bei Telepolis). Daraus geht hervor, wo die "verschwundenen" Menschen aus den gesunkenen Statistiken der Sozial- und Arbeitsämter wirklich abgeblieben sind: In der Obdachlosigkeit oder im Gefängnis. Wörtlich heißt es in dem Bericht zum Schluss: "Bleibt noch zu erwähnen, dass sich die Zahl der Gefängnisinsassen in Wisconsin zwischen 1996 und 2000 verdoppelte. Nur weil die Presse ständig über eine einzige Zahl berichtet, die Zahl der Arbeits- und Sozialhilfeempfänger, und sich nicht für größere Zusammenhänge interessiert, ist es möglich, dass das W-2-Modell als Erfolg durchgeht."

Jeder, der diese Zeilen liest, während er sich gerade in einer kuschelig-warmen Wohnung aufhält, sollte intensiv darüber nachdenken, ob er diese asoziale Politik weiterhin dulden kann und will.

Montag, 13. Dezember 2010

Nach der roten nun die grüne Verräterpartei

Mit starken Worten kritisierten gestern die Oppositionsparteien die Hartz-IV-Reformen der Bundesregierung. Nun muss das Gesetzespaket den Bundesrat passieren - und da sind Teile der Opposition plötzlich gar nicht mehr so kritisch.

"Keinen Weihnachtsbaum mehr, keine Blumen zum Muttertag, kein Eis - alles wurde den Hartz-IV-Empfängern genommen" - so das emotionale Statement des Grünen-Abgeordneten Markus Kurth in der gestrigen Bundestagsdebatte. Um Missverständnissen vorzubeugen: Kurth bezog sich natürlich lediglich auf die aktuelle Hartz-IV-Reform der schwarz-gelben Koalition und nicht auf die Hartz-IV-Gesetzgebung, die bekanntermaßen von seiner Partei mitentwickelt wurde. SPD und Grüne nahmen den Hartz-IV-Empfängern Weihnachtsbaum, Blumen und Eis und Union wie FDP sind nicht gewillt, dies rückgängig zu machen. Damals waren die Grünen aber in der Regierung und hatten kein Herz für Langzeitarbeitslose und deren Kinder. Heute sind sie in der Opposition und Oppositionsparteien neigen natürlich dazu, ihr Gewissen zu entdecken, solange es sie nichts kostet.

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Anmerkung: Bei aller Zustimmung zum Inhalt dieses Textes wird hier wieder einmal deutlich, dass es offenbar vielen Autoren am Willen oder an der Fähigkeit zur Differenzierung mangelt. Es ist doch hinlänglich bekannt, dass Hartz IV nicht nur so genannte "Langzeitarbeitslose" betrifft: So viele Menschen müssen sich mit diesem faschistoiden Entwürdigungsmonster herumschlagen, die nicht arbeitslos sind - seien es nun die vielen in den künstlich von der neoliberalen Bande geschaffenen Niedriglohnsektor Gedrängten, oder Alleinerziehende, oder Kranke, oder Behinderte, oder Rentner u.v.a.m. Gegen all diese Menschen richtet sich der politische Feldzug, den Rot-Grün zur Freude von Schwarz-Gelb in Gang gesetzt hat. Es folgt genau dem neoliberalen Diffamierungsplan, wenn in sämtlichen Medien - sogar in den wenigen kritischen - im Zusammenhang mit Hartz IV fast immer nur von "Langzeitarbeitslosen" die Rede ist.

Davon abgesehen sind die Informationen insbesondere über die Grünen im Saarland kompakt zusammengefasst. Der Autor schreibt zum Schluss: "Bald wird sich zeigen, ob die Nase des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim noch funktioniert. Arnim sagte im Saarländischen Rundfunk, dass Jamaika an der Saar für ihn nach Korruption rieche." Man darf gespannt sein, welche übelriechenden Moorleichen dieser grüne Sumpf noch für uns bereit hält.

Da die Propagandamedien darüber jedoch nicht berichten, wird das für kommende Wahlen sicherlich keine Auswirkungen haben ... dort ist zurzeit lediglich das "Umfragehoch" der Grünen ein bewegendes Thema. Ja, dann lasst uns geschlossen demnächst die Grünen wählen - und schon wird Hartz IV abgeschafft, alle Kriege der Bundeswehr werden unverzüglich beendet, alle Atomkraftwerke inkl. Endlagerfantasien werden geschlossen, der Industrie werden rigorose ökologische Auflagen zum Schutz der Natur erteilt, die Massentierquälung wird verboten, Gentechnik in der Landwirtschaft wird verboten ... (die Liste ist schier endlos) ... und wir alle werden in einem ökologischen Paradies leben, gemeinsam in Wohlstand und Gesundheit.

Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Neoliberal - was ist das?

"Neoliberal" ist heute zum politischen Kampfbegriff geworden. Viele Menschen verbinden damit gesellschaftliche Entwicklungen, die sie als negativ oder bedrohlich empfinden – ohne sie jedoch genauer fassen zu können. Dazu kommt, dass es selbst für formulierte Kritik keinen wirklichen Adressaten zu geben scheint. Niemand bezeichnet sich selbst als "neoliberal", weder Personen, Parteien oder andere Organisationen. Der Neoliberale – das Phantom!? Zahlreiche Menschen können zudem mit diesem Begriff noch überhaupt nichts anfangen. Sie haben ihn vielleicht hier und da gehört, können jedoch nichts konkret damit verbinden. Dies ist nur zu gut verständlich, da neoliberales Denken zwar immer mehr Teile der Gesellschaft unterwandert, sich aber praktisch nie offen als solches zu erkennen gibt. Diese Information richtet sich daher an beide Gruppen in der Absicht, über neoliberales Gedankengut und seine Folgen aufzuklären.

(Weiterlesen [pdf] - via)

Anmerkung: Das Dokument bietet eine prägnante Zusammenfassung der neoliberalen Ideologie und enthält zahlreiche weiterführende Links zu Texten und Videos. Es eignet sich besonders dazu, im Familien- und Freundeskreis Verbreitung zu finden, falls dort noch immer die Systemmedien zur Information benutzt werden. - Vielen Dank an die anonyme Autorin für diese Arbeit!

Diesmal Irland: Profitmacherei ohne Risiko

Ein neuer Rettungsschirm: Nach den Griechen sollen nun die Iren vor dem Ruin bewahrt werden, schon wieder ist europäische Solidarität erforderlich und wird die Bürger der Retterländer leider einmal mehr belasten ... So die offizielle Version. (...)

Bemerkenswert: Die Staatsschulden sind in Irland nicht besonders dramatisch gestiegen, im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind sie geringer als zum Beispiel in Italien und Frankreich. Hochverschuldet sind irische Unternehmen und Banken. Britische und deutsche Banken haben ihnen üppige Kredite gegeben. Dafür treiben die Gläubiger nun erhöhte Zinsen ein, eben weil die Kreditnehmer als verschuldet bekannt wurden. Geholfen wird also den britischen und deutschen Banken. Nicht als ob sie "gerettet" werden müssten, aber sie werden befreit von den Risiken ihres Geschäfts, sie müssen nichts abschreiben, im Gegenteil, sie können im Zinsparadies Irland Extraprofite machen auf Kosten der dortigen Steuerzahler, zu Lasten auch der hiesigen Empfänger sozialer Leistungen. Und das alles verdeckt durch die Legende von einer "Gemeinschaft Europa" – so als wären unsere Bedürfnisse identisch mit den Gewinninteressen europaweit agierender Finanzkonzerne.

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Anmerkung: Es ist in der Tat ein bodenloser Skandal, was da nach Griechenland nun mit Irland (und bald wohl auch mit Portugal und Italien und anderen Ländern) geschieht. Schamloser kann die Umverteilung des Vermögens in die Taschen der Reichen kaum vonstatten gehen - und dennoch regt sich zumindest in Deutschland kein nennenswerter Protest. Das ist absurd.

Und diese ganze Luftnummer basiert auch noch auf virtuellem Geld, das durch diesen "Rettungs"-Prozess erst "real", also erschaffen wird und von den Bevölkerungen (sowohl der "Geber"-, als auch der "Nehmer"-Länder) schlussendlich bezahlt werden muss. Wenn man darüber nachdenkt, muss man entweder sofort auf der Straße stehen und laut protestieren - oder aber sich einweisen lassen.








Staatsterrorismus: 10 Jahre Krieg in Afghanistan

Der Krieg in Afghanistan geht nun ins zehnte Jahr, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Und so war am Volkstrauertag 2010 jener 45 Bundeswehrsoldaten zu gedenken, die am Hindukusch "gefallen" sind, wie es in der verlogenen Diktion der Schlachtendirektoren heißt, denn in Wirklichkeit sind sie jämmerlich krepiert. Bei solchem Gedenken sollte aber nicht vergessen werden, dass Soldaten immer beides zugleich – nämlich Opfer und Täter – sind, im Gegensatz zu den am Kriege Unbeteiligten. Die sind nur eines: Opfer. Und die Zahl der Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder –, die zu Hunderten im Bomben-, Raketen- und Artilleriegranatenhagel der Besatzungstruppen am Hindukusch umgekommen sind, übersteigt die der sogenannten Gefallenen um ein Mehrfaches. Mindestens 2.412 zivile Schlachtenopfer zählte die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) allein im vorigen Jahr auf dem afghanischen Kriegsschauplatz. Viele Tausende an Körper und Seele Verletzter und Verstümmelter leiden an den Folgen des Luftterrors. Terror? Ja, Terror. Denn wenn Terrorismus gemeinhin bedeutet, unschuldige Menschen für politische Ziele zu opfern, dann erfüllt auch das Töten von Zivilisten aus dem Cockpit eines Kampfjets oder aus fernab vom Kriegsschauplatz an Computern in den USA gesteuerten Drohnen der CIA zweifellos den Tatbestand des Terrorismus: den des Staatsterrorismus.

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Anmerkung: Absolute Leseempfehlung - Jürgen Rose wächst einmal mehr über sich hinaus und benennt schonungslos Ross und Reiter. Solche und ähnliche Texte müssten eigentlich hundertfach in sämtlichen Zeitungen stehen, um dem propagandistisch vernebelten "Normalbürger" die Augen zu öffnen.

Allein schon das Resümee des ehemaligen Berufssoldaten Rose lässt zu diesem Thema keine Fragen mehr offen, wenn er schreibt: "Von deutschem Boden also geht entgegen der völkerrechtlich verbindlich abgegebenen Zusicherung wieder Krieg, ja sogar Angriffskrieg aus. Ungestraft tragen die friedensverräterischen Regierungskriminellen an den Schalthebeln der Macht in Berlin Mitschuld am vieltausendfachen Massenmord an Männern, Frauen, Kindern auf den diversen Kriegsschauplätzen, wo die Bundeswehr direkt in Kampfeinsätzen agiert oder indirekt Unterstützungsleistungen erbringt. Mitschuld tragen aber auch jene Friedensverräter im Generalsrock, die sich, Kadavergehorsam leistend und ihren Diensteid brechend, nicht geweigert haben, mit Tausenden von Bundeswehrsoldaten willfährig die ihnen erteilten völkerrechts- und verfassungswidrigen Aufträge zu erfüllen. Und so sterben und töten deutsche Soldaten weiterhin für das Bündnis mit den USA, für den Fortbestand der NATO, für mehr politisches Gewicht Deutschlands auf der Weltbühne und nicht zuletzt für Wirtschaftsinteressen, wie unser forscher Kriegsminister von altem Adel nicht müde wird zu betonen." - Das kann man treffender kaum formulieren.

Freitag, 10. Dezember 2010

Milliardenspiel - Wer hat unser Geld verzockt?











Hartz IV: Das Credo der Bourgeoisie

Wer wissen möchte, in welcher Gesellschaft er lebt, vertiefe sich in ein ministerielles Schriftstück - den "Referentenentwurf" zur Neufestlegung der Hartz-IV-Sätze, zum Beispiel.

Es ist derzeit viel von den abendländischen Werten die Rede. Doch stets nur von solchen, die keinen Pfifferling wert sind, wenn es drauf ankommt, die nichts kosten außer Speichel und heißer Luft. Die wahren Maximen des Westens - die freilich auch dort gelten, wo die Sonne früher untergeht -, die Prinzipien, nach denen das kapitalistische Gemeinwesen seine Gemeinheit gestaltet und die herrschende Klasse ihr Unwesen treibt, lauten: Verrotten sollen die Habenichtse in Löchern, in Lumpen gehen soll das Gelump, Schatten falle auf die Verdammten. Ihre Speise sei Abfall, ihre Verzweiflung ein Spott, das Leben, das sie fristen, ein Hohn. Nichts gebühre ihnen außer dem, was nötig ist, um nichts zu sein. Weil niemand sie brauchen kann, seien sie niemand, unsichtbar möglichst vor der Welt, unerhört in ihrer Not, ungefühlt in ihrer Schwäche, und für jede Demütigung, die wir ihnen antun, haben sie demütig zu danken. Denn wehe, sollten sie sich wehren! Dann lassen wir sie kurzerhand verhungern und in ihrer Not sich gegenseitig an die Gurgel fahren, und kein Polizist wird da sein, um sie zu hindern, kein Richter, uns dafür zu strafen.

So sagt das natürlich keine Kanzlerin und auch der Präsident des Industrie- und Handelskammertages nicht, obwohl er ihr vorschreibt, was sie verschweigt. Aber die Bürokraten im Ministerium der unfassbaren Frau von der Leyen, diese Strategen der Verelendung sprechen das Credo der Bourgeoisie ungescheut aus. Sie wissen nämlich, was die Chefetage lesen will.

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Anmerkung: Ein hübscher Text, der endlich einmal die Denkweise, die hinter diesem öffentlichen Hartz-Geblubber der neoliberalen Bande steckt, sichtbar macht.

Auch darf man nicht müde werden sich daran zu erinnern, dass Leute wie jene Frau von der Leyen, aber auch weniger prominente Bürokraten, neben ihren "Nebeneinkünften" noch ein sattes Gehalt nebst Pensionsansprüchen und allerlei anderen finanziellen Zuwendungen vom Staat kassieren, während sie den Ärmsten der Bevölkerung die Butter auf dem Brot nicht gönnen und sie drangsalieren lassen, wo sie nur können.

In früheren Zeiten nannte man so etwas asozial. Heute sitzen demnach Asoziale (nicht nur) im Sozialministerium. Was für eine Farce.

Terrorwahn: Die Gefahr eines inszenierten Anschlags wächst

  1. Angeblich seien Hinweise auf einen bevorstehenden Terroranschlag durch Islamisten in Deutschland nie so konkret gewesen, wie in diesen Tagen. Die Initiativen in Richtung Vorratsdatenspeicherung, Einsatz der Bundeswehr im Innern, Erweiterung der Kompetenzen für Geheimdienste etc. sind in den letzten Monaten etwas ins Stocken gekommen. Zur Begleitung der schleichenden Einführung von Drohneneinsätzen gegen die Bevölkerung, zuletzt gegen Atomkraftgegner im Wendland, wurde planmäßig zunächst die Suche nach dem vermissten Mirco benutzt. Später soll auf Drohnen als Helfer gegen die Terrorgefahr hingewiesen werden.

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  2. (...) Eine Bombe im Flugzeug Richtung Deutschland? Zugegeben, ich bin nur Wissenschaftsjournalist, befasse mich mit physikalischen Phänomenen, doch offen gesagt glaube ich nicht an diese Nachricht. Das passt doch alles zu gut. Bei mir im Hotel die Innenminister, und ausgerechnet jetzt wird verkündet, dass Deutschland demnächst zum Ziel eines Terroranschlags wird. Das riecht nach Inszenierung. (...)

    Niemand von uns Bürgern kann kontrollieren, ob das alles stimmt. Und überhaupt mag ich diese Panikmache nicht. Als Naturwissenschaftler habe ich gelernt, Risiken quantitativ zu vergleichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich von einem Auto oder einem Schäferhund getötet werde, ist weit größer, als Opfer eines Terroranschlags in Deutschland zu werden. Nein, ich habe keine Angst, und selbst dann, wenn alle Polizisten Hamburgs um mein Bett stehen, behalte ich meinen klaren Kopf. Das, was hier passiert, ist eine Inszenierung. (...)

    Ich zweifle an dieser ganzen Terrormanie, lehne die diversen Formen staatlicher Überwachungen ab, halte nichts von inszenierten Tagungen, die Städte blockieren, und sitze erneut ausgerechnet inmitten der Apologeten eines Sicherheitsstaates.

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Anmerkung: Es ist beachtlich, dass inzwischen auch bekannte Journalisten wie Ranga Yogeshwar öffentlich ihrer Skepsis Ausdruck verleihen (dürfen). Der Bericht in der taz ist zwar nur verhalten kritisch, aber dennoch ungemein nützlich und notwendig. Wie schon zuvor Harald Lesch im ZDF, sind es heute offenbar die Wissenschaftsjournalisten, die ihren Kollegen aus den Politikredaktionen zeigen müssen, wie es richtig geht.

Ungeachtet dessen geht der politische Zirkus munter weiter. Die Saarbrücker Zeitung berichtet beispielsweise: "In der Unionsfraktion gibt es offenbar erste Überlegungen, angesichts der terroristischen Bedrohung die Pressefreiheit in Deutschland einzuschränken." Das war vorhersehbar und zeigt deutlich, welches Demokratie- und Freiheitsverständnis in diesem schwarzen Haufen vorherrscht.

Der einzige Terror, den die Menschen in diesem Lande wirklich zu fürchten haben, ist der absolut reale Terror der neoliberalen Bande.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Lachnummer des Tages: Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft

Der Gründer von Wikileaks, Assange, muss sich harsche Kritik gefallen lassen. Der Präsident des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft, Posé, geißelt die "Machenschaften" der Plattform bei n-tv als "unmoralisch".

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Anmerkung: Ich kann mich Fefe nur anschließen: Der "Ethikverband der Deutschen Wirtschaft", das ist in der Tat nur noch für einen Schenkelklopfer gut. Schreiben können sie das Wort "Ethik" offenbar - aber was es bedeutet, wird diesen Gesellen doch immer ein mystisches Rätsel bleiben ...

Und ausgerechnet diese Bande wagt es, Wikileaks und Assange "Unmoral" vorzuwerfen? Das ist Absurdistan in Perfektion. Misten Sie den eigenen Saustall mal ordentlich aus, Herr Posé (auch wenn dann vermutlich nicht viel übrig bleibt) - dann können wir uns gern auch einmal über Moral und Ethik unterhalten.

Südafrika: Kapitalismus in Perfektion

Ein Brot kostet einen Tageslohn

Ein heillos überladener Pick-up mit 35 Bauarbeitern auf seiner Ladefläche hält vor einem Supermarkt an. Die Arbeiter stürmen die Brotabteilung des Geschäftes und wiegen in großem Aufruhr mehrere Laibe Weißbrot in der Hand ab, um den schwersten darunter zu finden. Ein langer Arbeitstag liegt vor ihnen. Nur drei davon kaufen etwas Wurst dazu. Alle anderen können sich nur das trockene Toastbrot leisten: es kostet 10 Rand, umgerechnet einen Euro. Am Ende des Monats, wenn sie ihren lächerlich niedrigen Lohn ausgegeben haben, werden sie nicht einmal dafür genug Geld haben. (...)

Überteuertes Brot ist nicht das Einzige, worüber Durchschittssüdafrikaner stöhnen. Die Lebensmittelpreise liegen insgesamt über denen in Deutschland. Die Mobilfunkgebühren sind horrend, dabei ist das Handy das einzige Telekommunikationsmedium der Armen. Die Bankgebühren sind absurd: Für Ein- und Auszahlungen vom eigenen Konto werden bis zu 10 Prozent des Betrages einbehalten. Immens hohe Kosten fallen für Wasser an, wobei arme Township-Bewohner mehr zahlen als reiche Haushalte mit intakter Kanalisation. Thami Bolani, Präsident des südafrikanischen "Konsumentenforums", beklagt verfestigte Monopole und heimliche Absprachen zwischen den Konsortien: "Diese Profitgeier würden uns am liebsten bis zum Tod ausbeuten."

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Anmerkung: Der Neoliberalismus beweist immer wieder nachhaltig und allerorten, dass er unweigerlich ins Aus führen muss. Die absurde Situation in Südafrika - das ja angeblich so vehement von der Fußball-WM "profitieren" sollte - ist da nur ein weiteres Steinchen im großen Mosaik des Wahnsinns.

Die Weltwirtschaftskrise - damals und heute

Schikane und Entwürdigung: Der alltägliche Faschismus von Hartz IV

  1. Es waren Sozialdemokraten und Grüne, die als Regierende begannen, die bewährte solidarische Arbeitslosenversicherung abzubauen und die Beschäftigungspolitik neoliberal zuzurichten. Der Protestruf "Hartz IV ist Armut per Gesetz" hatte von Anfang an seine Berechtigung. Wer sich ausgerechnet von diesen beiden Parteien erhoffte, sie würden mittels des Bundesrates an dem jetzt von CDU/CSU und FDP geplanten neuerlichen Abbau sozialer Leistungen Entscheidendes ändern, muss schon an Amnesie leiden. (...)

    In der Partei Die Linke wie auch in den Gewerkschaftern wird oft beklagt, dass die "Hartz IV"-EmpfängerInnen als direkt Betroffene wenig Protestbereitschaft zeigten. Solche Klagen gehen am Kern des Skandals vorbei. Wer über längere Zeit die Abhängigkeit von den Arge-Ämtern hat erdulden müssen, ist nicht nur verarmt, sie oder er ist auch vielfach gedemütigt und entwürdigt worden. Mutlosigkeit breitet sich aus, das Selbstwertgefühl leidet. Die Rausgeworfenen sollen die Konkurrenz der "Ware Arbeitskraft" anstacheln und auf die Löhne drücken. Dazu bedarf es neben der materiellen Verarmung auch einer moralischen Stigmatisierung: Wer keine Arbeit finden kann, muss faul oder asozial von Geburt an sein. SPD und Grüne propagierten bei der Einführung der Hartz-Gesetze, sie wollten "fördern und fordern". "Gefördert" wird seither die Zurichtung zu Billiglöhnern, "gefordert" wird durch Herabstufung berechtigter Lebensansprüche und durch ständige Diskriminierungen. An den Diskriminierungskampagnen beteiligen sich fast alle Medien: von Bild bis zu den Feuilletons der überregionalen Zeitungen, nicht zuletzt die Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, und Hauptadressat der Kampagnen sind die brav und gefügig Arbeitenden, die dadurch permanent eingeschüchtert werden.

    Sozialhilfeempfänger werden ausgegrenzt aus der Gesellschaft der "anständigen Leute". Ein Mode-Philosoph wie der wohlbestallte Professor Sloterdijk darf in der FAZ den Sozialstaat als "institutionalisierte Kleptokratie" bezeichnen, also die Millionen auf Hilfe Angewiesenen als "Diebe" beleidigen, unter deren "Herrschaft" die gute Gesellschaft leidet. Professor Heinsohn von der Universität Bremen erweist sich in FAZ und Welt als wahrer Eugeniker und Sozialrassist, indem er eine angeblich vom Sozialstaat geförderte "Massenkindhaltung" der Unterschicht anprangert, die der Staat nur begrenzen könne durch Minimierung der Kinderzuschüsse und deren völligen Entzug nach einigen Jahren wie in den USA.

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  2. Seit 2002 untersuchen Wissenschaftler in einer Langzeitstudie die Ausmaße, Entwicklungen und Ursachen von Vorurteilen in Deutschland. Aktuell haben die Forscher die Folgen der Wirtschaftskrise unter die Lupe genommen - und dabei eine "deutliche Vereisung des sozialen Klimas", rohe Bürgerlichkeit und einen zunehmenden Klassenkampf von oben beobachtet. Die Feindbilder in einer durchweg wirtschaftlich geprägten Gesellschaft seien Muslime und "wirtschaftlich Nutzlose".

    (...) Zudem sprechen die Wissenschaftler von einer zunehmend "rohen Bürgerlichkeit". Diese Rohheit zeichne sich dadurch aus, dass es infolge von ökonomischen wie gesellschaftlichen Kriseneffekten deutliche Hinweise auf eine "entsicherte wie entkultivierte Bürgerlichkeit" gebe, die auch über "angeblich liberale Tages- und Wochenzeitungen" verbreitet werde. Die neue Formel des Abbaus von sozialstaatlichem Anrecht auf Unterstützung laute: Gnade durch Wohlhabende und Selbstverantwortung der sozial Schwachen.

    Die Forscher betonen, dass der gepflegte Konservatismus abgestreift werde: Zivilisierte, tolerante, differenzierte Einstellungen in höheren Einkommensgruppen scheinen sich in unzivilisierte, intolerante Einstellungen zu wandeln. So nimmt beispielsweise in der höheren Einkommensgruppe (ab 2500 Euro pro Kopf; Haushaltsnettoeinkommen, umgerechnet und gewichtet nach Anzahl der Personen im Haushalt) die Zustimmung zu Etabliertenvorrechten und Islamfeindlichkeit besonders deutlich zu. Da sich die zunehmende Islamfeindlichkeit insbesondere bei höheren Einkommensgruppen zeige, wirke Bildung in diesem Fall nicht entgegen, heißt es in der Studie weiter.

    Auch die Entsolidarisierung der Besserverdienenden fällt bei den Ergebnissen der Studie ins Auge. Wohlhabendere fühlen sich ungerecht behandelt - obwohl es eine Umverteilung von unten nach oben gebe. "Der semantische Klassenkampf von oben wird ungeniert offenbart", schreiben die Wissenschaftler. Zudem werten Höherverdienende Langzeitarbeitslose deutlich mehr ab, als Befragte in niedrigeren Einkommensgruppen dies tun.

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Anmerkung: Zunächst muss wieder einmal daran erinnert werden, dass SPD und Grüne in schönem Einvernehmen mit der Union und der FDP die bewährte und zuvor hart erkämpfte solidarische Arbeitslosenversicherung - die Arbeitslosenhilfe - de facto abgeschafft und durch das perfide Hartz-IV-System ersetzt haben. Die Arbeitslosenhilfe war, ebenso wie das Arbeitslosengeld, an die Höhe des zuvor bezogenen Gehaltes des Betroffenen geknüpft, wodurch eine zumindest rudimentäre Gerechtigkeit gegeben war. Hartz IV steuert in die genau entgegengesetzte Richtung - da geht es nicht um Würde oder Gerechtigkeit, sondern um Entwürdigung, gezielte Verarmung und Schikane.

Lesenswert ist besonders die Studie von Prof. Wilhelm Heitmeyer, über die der tagesschau-Text berichtet. Dort heißt es am Ende: "Die Wissenschaftler betonen, rechtspopulistische Positionen versprächen angebliche Sicherheit in unruhigen Zeiten. Dies nehme mit dem Alter zu und sei in einer alternden Gesellschaft keine beruhigende Prognose für die demokratische Qualität. Für den sozialen Zusammenhalt in einer zunehmend ethnisch-kulturell heterogenen Gesellschaft seien das keine positiven Signale."

In der Tat: All diese Entwicklungen nach rechts und die Ankunft faschistischer und faschistoider Elemente in der so genannten "Mitte" sind sehr bedrohlich - und zwar nicht nur für Muslime und "wirtschaftlich Nutzlose", sondern für uns alle.