Freitag, 1. Januar 2010

Wer die Fäden zieht

Gespräch mit dem Soziologen Hans Jürgen Krysmanski über globale und nationale Macht- und Funktionseliten.

Hans Jürgen Krymanski ist emeritierte Professor für Soziologie an der Universität Münster und hat sich in seinem Buch "Hirten und Wölfe. Wie Geld- und Machteliten sich die Welt aneignen", das nun in einer zweiten und gründlich überarbeiteten sowie erweiterten Auflage erschienen ist, der Erforschung jener gewidmet, von denen Carl Schmitt in einer lichten Stunden sagte: "Eliten sind diejenigen, deren Soziologie keiner zu schreiben wagt." Inspiriert vom Modell der amerikanischen Herrschaftsstrukturforschung "Power Structure Research", rückt er jenen zu Leibe, welche die monetär gefasste Welt regieren, dabei so einflussreich sind, dass sie öffentlich nicht in Aktion treten müssen und dennoch trotz aller Machtfülle gestürzt werden können. (...)

Hans Jürgen Krysmanski: Diese ultimative Oberschicht - um die sich alles dreht und in deren Safes und auf deren Konten der von allen arbeitenden Menschen erzeugte Reichtum zusammenfließt - steckt in einer Zwickmühle. Einerseits möchte sie sich abschotten, in Ruhe und Muße genießen, beispielsweise den gerade für 90 Millionen Dollar ersteigerten Cezanne oder Picasso oder den für 21 Millionen Dollar erworbenen geschnitzten Art Deco Sessel oder die Turns mit der 150-Millionen-Megayacht oder den Rückzug in den Privatpalast an der Côte d'Azur. Andererseits müssen auch die Superreichen sich in dieser Mediengesellschaft auf irgendeine plausible Art rechtfertigen und deshalb auch sehen lassen. Schon von 120 Jahren hat der amerikanische Soziologe Thorstein Veblen auf die propagandistische Funktion des auffälligen Luxuskonsums hingewiesen. Die 500.000 Euro teure Extraanfertigung eines Ferrari signalisiert [eher: suggeriert] dem Golf-GTI-Fahrer, dass er "eigentlich", mit einigem Glück, doch "vielleicht" auch einmal in diese Kategorie aufsteigen könnte. Und schon ist dieser junge Mann auf diese Art von Glücksgesellschaft fixiert.

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