Montag, 22. Februar 2010

Über die Untugend der Deutschen: Gnadenlosigkeit

Markus Horeld findet in seinem Artikel zum Hartz-Urteil des BVerfG bemerkenswerte Worte:

"Nein, dieses Urteil fordert von der Politik vor allem eines ein: Demut. Demut vor dem Grundgesetz, Demut vor der Menschenwürde, Demut angesichts der beschämend langen fünf Jahre, in denen die jetzt kassierten Hartz-IV-Sätze Realität für Millionen Menschen waren."

So ganz falsch ist das nicht, im Gegenteil trifft es den Kern des Gegenteils der gängigen Sicht auf die Betroffenen. Es muss nicht gleich Demut sein, aber eine Abkehr von der kalten Arroganz und eine Idee davon, was es heißt, bedürftig zu sein, wäre ein guter Anfang. Aller Anfang in solchen Fragen ist übrigens immer noch Selbstkritik. Ein Wort zur Rolle der Medien wäre hier durchaus angebracht gewesen, denn es waren und sind wahrlich nicht allein "Politiker", die jene Willkür in ihrem Tun und Urteilen haben walten lassen, die der Autor und die Verfassungsrichter zurecht beim Namen nennen.

Was ist das für eine Gesellschaft, in der nicht nur Armut verfassungswidrig gefördert wird, sondern den Betroffenen auch noch als Schande zur Last gelegt wird? Wenn sich eine Untugend der Deutschen durch die Jahrhunderte erhalten hat, ist es die Gnadenlosigkeit, etwas Besseres sein zu wollen. Vom preußischen Militärkult über die mörderische Selektion der Nazis bis hin zur Beschimpfung der Wohlstandsverlierer hat sich das erhalten. "Wir" sind mindestens Weltmeister, und wenn das nicht klappt oder nicht reicht, suchen wir uns jemanden, der unter uns steht und den wir dafür anspucken können. Wer in der Hierarchie auf der Seite der Glücklichen oder Rücksichtslosen steht, darf sich hingegen der Zustimmung der Öffentlichkeit sicher sein – ohne Ansehen dessen, was er dafür getan hat. Jeder kriegt halt, was er verdient.

(Weiterlesen)

Anmerkung: So ist er halt, der Spießerdeutsche. Hat er seinen Platz am Futtertrog (scheinbar) sicher, sind ihm alle anderen, die auch etwas abbekommen wollen, um überleben zu können, suspekt - sie könnten sich ja "mehr anstrengen", damit sie auch ihren Teil erhalten. Dass der Trog für alle aber gar nicht reicht, weil es einen gesonderten und unantastbaren Reichentrog gibt, der um ein Vielfaches größer ist als der Volkstrog, erkennt er nicht. Und so entsteht in schöner Regelmäßigkeit (natürlich medial und politisch angefeuert - heute übernimmt diese Rolle der rechtspopulistische Kaspar Westerwelle) immer wieder Faschismus in der Gesellschaft, ohne dass die sich in scheinbarer Sicherheit wiegenden Akteure das (zunächst?) begreifen. Letzten Endes werden auch die vermeintlichen "Gewinner" des neoliberalen Irrsinns (die Mittelschicht, die Freiberufler, die Gutverdiener, die kleinen Unternehmer u.v.a.) alles verlieren - und wie schon einmal grinst über allem nur die hässliche Fratze des Großkapitals, das sich einmal mehr die Taschen auf Kosten aller anderen gefüllt und sie erfolgreich gegeneinander ausgespielt hat.

Keine Kommentare: