Freitag, 18. Juni 2010

Ausbeutung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Meine Oberchefin aus dem Rundfunk hat mich angerufen und sich um mein Wohl gesorgt. Sie steht drei Hierarchiestufen über mir, himmelhoch. Warum ich so frustriert sei, wir hätten uns doch so nett unterhalten, wollte sie wissen. Ich war ziemlich verunsichert, bis sie ein Papier erwähnte, das ich zusammen mit einem ver.di-Kollegen unterschrieben hatte und das auf dunklen Wegen vor der Zeit zu ihr gelangt war.

Beim Rundfunk ist es nicht besser als anderswo, eher extremer. Es gibt deutliche, zum Teil dramatische Unterschiede zwischen den Beschäftigten: einerseits wohldotierte, gut abgesicherte Planstelleninhaber, andererseits die Geringfügigen – so werden wir auch genannt. Das heißt, wir dürfen nur eine begrenzte Anzahl an Stunden oder Tagen im Monat arbeiten, haben keinen Arbeitsvertrag, können jederzeit entlassen werden, bekommen keine Feiertagszuschläge, haben keinen Urlaubsanspruch und so weiter; wir sind klassische Tagelöhner, obwohl wir qualifizierte Arbeit leisten.

Nun haben aber Menschen, wie ich meiner Chefin zu erklären versuchte, die Eigenschaft, dass sie ihre Lage verbessern wollen und zum Beispiel fragen, ob ihr gegenwärtiges Arbeitsverhältnis den gesetzlichen Mindestbestimmungen entspricht. Oder ob meine Gewerkschaft nicht einen Tarifvertrag für uns abschließen kann, den es bisher nicht gibt!

Das war ihr nicht so wichtig, eher mein psychischer Zustand: Ob ich mir nicht, wenn ich denn so unzufrieden sei, etwas anderes suchen wolle?! Die freundliche, indirekte Art also, jemanden loszuwerden (ohne Abfindungsangebot). Auf die Idee, dass wir des Geldes wegen arbeiten, kam sie nicht; ebenso fremd war ihr offenbar, dass es in dieser Gesellschaft eine Massenarbeitslosigkeit auch unter Akademikern gibt.

(Weiterlesen - "Ein Anruf")

Anmerkung: Diesen kleinen Bericht sollten sich all diejenigen zu Gemüte führen, die nicht müde werden, die stetig steigende Niveaulosigkeit der Medien den einzelnen Akteuren anzukreiden. Sehr lesenswert!

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