Dienstag, 10. August 2010

Zitat des Tages (53): Als ich Soldat war

Als ich Soldat war, schrieb ich kein Gedicht.
Auf Schmerz und Tod gab's nur den alten Reim.
Mir schnitt der Stahlhelmriemen ins Gesicht.
Und dass ich lebte, wusste ich es nicht?
Die Verse schliefen irgendwo daheim.
Das Blut floss stumm, gerann zu schwarzem Seim.
Als ich Soldat war, schrieb ich kein Gedicht.

Als ich Soldat war, sprach ich kein Gebet.
Die ersten schrillen Kugeln trafen Gott.
Die Stimmen starben, die zu ihm gefleht.
Geruch der Toten hat ihn zugeweht.
Befehle jagten mich in irren Trott.
In tausend leeren Fratzen hing der Spott.
Und Gott? - Wir hoffen, dass er aufersteht.

(Wolfgang Bächler [1925-2007]: Die Zisterne. Esslingen 1950)

Anmerkung: "Ich bin", hat [Bächler] einmal geschrieben, "ein Sozialist ohne Parteibuch, ein Deutscher ohne Deutschland, ein Lyriker ohne viel Publikum ... kurzum ein unbrauchbarer, unsolider, unordentlicher Mensch, der keine Termine einhalten und keine Examina durchhalten kann und Redakteure, Verleger und Frauen durch seine Unpünktlichkeit zur Verzweiflung bringt." (Quelle)


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