Freitag, 2. Juli 2010

Osteuropa auf dem Weg in den Faschismus?

(...) Rumänien, Lettland, Kroatien, Bulgarien und Slowenien haben, vor allem auf deutschen Druck hin, scharfe Sparprogramme auflegen müssen und drohen so die darniederliegende Konjunktur vollends zu ersticken. Dem Experten Gligorov jedenfalls macht diese Aussicht mehr Kummer als ein kurzfristig zu hohes Haushaltsdefizit. "Alles hängt von der Wachstumsrate ab", sagt er und verweist auf Polen, wo sich um das aktuelle Defizit niemand sorgt. (...)

Soziale Unruhen als Folge der Einschnitte werden nirgends befürchtet – begründet wird die Zuversicht von den einen mit der erprobten Opferbereitschaft der Bevölkerung, von den anderen mit der Schwäche der Gewerkschaften. Wenn die Stagnation eine politische Folge habe, meint Gligorov, dann sei es eher die Tendenz zu Populismus, Fremdenfeindlichkeit und autoritären Regierungsformen.

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Anmerkung: Welch eine explosive Aussage - versteckt im letzten Abschnitt eines durchaus lesenswerten Artikels der Frankfurter Rundschau über den Niedergang und die neoliberale Ausbeutung Osteuropas. Die Zeichen der Zeit werden offensichtlich von den verantwortlichen Stellen durchaus gesehen - nur kommuniziert werden sie weitestgehend nicht (oder nur verfälscht).

Dass dem Neoliberalismus stets der Faschismus auf dem Fuße folgt, ist nicht nur in diesem kleinen Blog schon mehrfach thematisiert worden. Die Zeichen sind überall zu sehen - zuletzt besonders deutlich am Beispiel Kirgistans. Und dennoch werden keine Konsequenzen daraus gezogen, was eigentlich nur zwei mögliche Schlüsse zulässt: Entweder verharmlost man das Problem, oder man nimmt es billigend in Kauf. Welche Variante uns fröhlicher stimmen sollte, vermag man da nicht zu entscheiden.

Möge einjeder selber urteilen: Man schaue sich die "tagesschau" und ähnliche Sendungen an und lese die "Qualitätsmedien" - und entscheide dann, ob man sich umfassend und seriös informiert fühlt, was da gerade in Rumänien, Lettland, Kroatien, Bulgarien, Slowenien, Kirgistan und all den anderen Ländern passiert. - Wie - diese Staaten tauchen in den Nachrichten gar nicht auf? Welch ein Zufall.

Das schlimmste an der ganzen Katastrophe ist jedoch die auch im Artikel postulierte Sicherheit der "Elite", dass man mit massenhaften Protesten oder gar sozialen Unruhen gar nicht zu rechnen habe. Die Propaganda funktioniert perfekt - die Menschen sind narkotisiert, falsch informiert, abgelenkt und in erster Linie mit dem eigenen Überleben beschäftigt.

Und überall auf diesem sehr fruchtbaren Boden treibt der Faschismus wieder seine Keime und Blüten und gedeiht ...



"Wer von uns wacht hier und warnt uns, wenn die neuen Henker kommen? Haben sie wirklich ein anderes Gesicht als wir?"

(Jean Cayrol / Paul Celan - aus der Dokumentation "Nacht und Nebel [1955]")

Unfassbar: Behinderung gilt nicht als Härtefall

Auch Eltern schwerbehinderter Kinder müssen mit den niedrigen Hartz-IV-Leistungen für ihren Nachwuchs auskommen - zumindest noch bis Ende des Jahres. Bis dahin hat die schwarz-gelbe Koalition Zeit, das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen und die monatlichen Regelsätze neu zu berechnen.

Erst einmal aber ist kein zusätzlicher Cent zu haben. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel wies am Donnerstag die Klage einer Familie aus Gelsenkirchen ab, die für ihren heute sechsjährigen Sohn einen Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung geltend gemacht hatte (Az.: B 14 AS 3/09 R). Der Junge ist als schwer gehbehindert anerkannt. Er leidet unter anderem an Störungen des Wachstums, der Aufmerksamkeit und der allgemeinen Entwicklung und kann bis heute nicht laufen. Schon die Beförderung des behinderten Kindes komme seine Mandanten teuer zu stehen, sagte der Anwalt der Kläger. "Solch ein Bedarf muss in einem Sozialstaat erfüllt werden."

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Anmerkung: Manchmal glaubt man es einfach nicht, was da an deutschen Gerichten entschieden wird. Was, bitte schön, sollte denn noch deutlicher ein "Härtefall" sein als eine Schwerbehinderung? Vollkommen abstrus wird dieses Urteil, wenn man folgende Begründung liest: "Mit dem Zuschlag für schwerbehinderte Menschen erhöhen sich die Hartz-IV-Leistungen um 17 Prozent. Im Falle des Jungen wären das rund 35 Euro im Monat gewesen. Die Richter erklärten jedoch, dass die beantragte Zusatzleistung nicht für Kinder unter 15 Jahren gedacht sei. Denn Hartz IV sei kein soziales Fürsorge-, sondern ein Arbeitsmarktgesetz. Der Mehrbedarf stehe deshalb laut Gesetz allein Hilfsbedürftigen zu, die wegen einer Behinderung oder Krankheit keine Möglichkeit haben, etwas hinzuzuverdienen. Und das betreffe nur Menschen im erwerbsfähigen Alter."

Dieser Zynismus ist fast nicht mehr zu überbieten - jene Richter kennen offenbar weder das Grundgesetz, noch haben sie eine Ahnung davon, was es heißt, ein schwerbehindertes Kind zu versorgen. Es stockt einem der Atem angesichts einer solchen perfiden Menschenverachtung.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Zitat des Tages (41): Monolog des Menschen

Wir sind die Welt gewöhnt.
Wir haben die Welt lieb wie uns.
Würde Welt plötzlich anders,
wir weinten.

Im Nichts hausen die Fragen.
Im Nichts sind die Pupillen groß.
Wenn Nichts wäre,
o wir schliefen jetzt nicht,
und der kommende Traum
sänke zu Tode unter blöden Riesensteinen.

(Ernst Meister [1911-1979]: Ausstellung. Marburg 1932)


Kirgistan: Ein weiterer gescheiterter neoliberaler Staat

  1. Marktradikale Wirtschaftspolitik westlicher Berater und die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) bereiteten den Boden für eine soziale Dauerkrise

    Der Westen ist schockiert von den Entwicklungen in Kirgistan, bleibt aber Erklärungen schuldig, wie es soweit kommen konnte. Wurde Kirgistan nicht vor kurzem noch als Musterland, als die "Schweiz Zentralasiens" gepriesen? Derartige Lobpreisungen kamen etwa von dem schwedischen Ökonomen Anders Aslund, der den kirgisischen Präsidenten Askar Akajew sieben Jahre lang beraten hatte. Solange, bis der 2005 gestürzt wurde. In einem Jubel-Aufsatz für die Moscow Times schrieb der Ökonom im April: "Kirgistan ist eines der attraktivsten post-sowjetischen Länder und das einzige Land Zentralasiens, welches frei ist. Die Bevölkerung ist warmherzig und gut ausgebildet, die Zivilgesellschaft und die Offenheit entwickeln sich so wie nirgends sonst in der früheren Sowjetunion." (...)

    Der Politologe Nur Omarow von der Kirgisisch-Russischen Universität in Bischkek zeigt ein völlig anderes Bild. Schon seit 2007 herrschte in Kirgistan eine "humanitäre Katastrophe", schrieb der Wissenschaftler im Februar 2009 in einem Aufsatz für die Zentralasien-Nachrichten. Das UN-Büro zur Koordination humanitärer Angelegenheiten habe die Geber-Gemeinschaft im Dezember 2008 dazu aufgerufen, 21 Millionen Dollar zur Unterstützung der besonders armutsgefährdeten Bevölkerungsschichten bereit zu stellen. Eine Million Menschen litten unter Lebensmittelknappheit.

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  2. Genozid in Zentralasien

    Am 10. Juni versank der Süden Kirgisiens im Bürgerkrieg. Die Bilder erinnern an die Balkankriege, die zeitliche und organisatorische Koordination der Ereignisse erinnert jedoch eher an den Völkermord in Ruanda. In den Abendstunden tauchten maskierte Männer in den Straßen der Städte Osh und Dschalalabad auf. Die Killerkommandos, die teils mit schwarzen Bandagen am Unterarm uniformiert waren, kamen mit Pickups, schossen mit automatischen Waffen in die Menge, stürmten Häuser und Wohnungen, brandschatzten, vergewaltigten und verbreiteten mindestens vier Tage lang Angst und Schrecken. Die Opfer dieses Massakers gehörten beinahe ausschließlich zur usbekischen Minderheit, die in Osh und Dschalalabad allerdings rund 60% der Einwohner stellt. Wer die Täter waren, ist bis heute unbekannt. Fest steht lediglich, dass ihr blutiges Handwerk orchestriert wurde und die Drahtzieher sich im Süden Kirgisiens offensichtlich gut auskannten und einen Bürgerkrieg unter den Ethnien auslösen wollten.

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Anmerkung: Der Neoliberalismus scheitert überall - er muss ja per definitionem scheitern, wenn man keinen Orwell-Alptraum wünscht. Angesichts der Ereignisse in Kirgistan stellt sich nun einmal mehr die Frage, ob der Krieg, der den Zusammenbruch des Systems "verhindern" kann, weil man danach wieder alle Uhren auf "null" stellen und erneut mit dem miesen kapitalistischen Spiel beginnen kann, wirklich ungesteuert ausgebrochen ist. Alle verfügbaren Hinweise deuten doch darauf hin, dass irgendwelche, (noch?) unbekannte Personen das ganz gezielt geplant haben - wie das zu Beginn des zweiten Weltkrieges und des Balkan-Krieges auch gewesen ist, wie wir heute wissen.

In deutschen Medien ist das kein Thema. Schon gar nicht während der Fußball-Weltmeisterschaft. Hierzulande werden lieber weiter auch medial die schwarz-rot-goldenen Fahnen geschwenkt, während in Kirgistan ein offenbar inszenierter und gewollter Bürgerkrieg seine blutigen Kreise zieht. Man fragt sich, welchen Weg die neoliberale Bande den "populäreren" Staaten zugedacht hat ... in Griechenland hat sie ja auch bereits begonnen, den Untergang vorzubereiten. Doch anstatt eines massenhaften Protestes sieht man in Deutschland nur wie im Wahn aufgerissene Augen, während Fahnen geschwenkt, alberne Tröten geblasen und Millionäre, die einem Ball nachjagen, wie von Sinnen angefeuert werden. - Tun sie uns etwas ins Trinkwasser?

Die Lage ist hoffnungslos, die Propaganda und die Narkotisierung der Bevölkerung allumfassend. Wäre ich Tucholsky, müsste ich mir allmählich überlegen, welcher Suizid der passende für mich wäre. Zum Glück bin ich nur Charlie.

Eugen Drewermann über den Krieg und die Scheindemokratie





Kulturhauptstadt Ruhr 2010: Kultur poor

Die "Kulturhauptstadt Ruhr" kann nicht darüber hinwegtäuschen: Armut – vor allem Kinderarmut - und Spaltung in der Gesellschaft wachsen auch dort. Dies wird in vieler Weise und in vielen Orten sichtbar, wie in Dortmund. Dort kümmert sich die "Kana – Dortmunder Suppenküche e.V." oder das Obdachlosen-Café "St. Reinoldi" um erwerbslose, verarmte und obdachlose Menschen. Am 29. Mai gab es im Stadtpark vor dem Rathaus – "umsonst und draußen" – Kunst, um gegen Aus- und Abgrenzung zu protestieren.

Nach der gängigen Definition der Europäischen Kommission sind diejenigen als arm zu bezeichnen, die über so geringe Mittel verfügen, dass sie von der üblichen Lebensweise des jeweiligen Landes ausgeschlossen sind. Auch bei uns, einem der wohlhabendsten Länder der Welt, steigt die Zahl der Menschen, die unter diese Definition fallen. Hartz IV und die damit verbundene Zerstörung des Sozialstaats hat dies möglich gemacht.

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Nebelkerzen: Die Propaganda geht weiter

  1. Es reicht, Frau Merkel - Schwarz-Gelb und die Bundeskanzlerin Angela Merkel führen unerträglich absurdes Theater auf. Ein CDU-Wähler verabschiedet sich. (...)

    Dabei sind wir wahrlich nicht verwöhnt. Die Anfangszeit von Gerhard Schröders Rot-Grün glich einem Tollhaus. Die Große Koalition startete mit einem mathematischen Wunder: Die CDU hatte die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte erhöhen wollen, die SPD um null, nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen gab es einen Aufschlag von drei Prozentpunkten. Doch auch für Tollhaus gibt es noch eine verbale Steigerungsform. Sie heißt Merkelei.

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  2. Das Sparen sollten wir uns sparen - Deutschland lebt nicht über, sondern unter seinen Verhältnissen. In dieser Situation ist Sparen des Staates kontraproduktiv, auch ein "intelligentes Sparen". (...)

    In dieser Situation ist Sparen des Staates kontraproduktiv, auch ein "intelligentes Sparen". Eine expansive Wirkung hätte dagegen ein einfacheres und gerechteres Steuersystem, das die Last von den kleinen und mittleren Einkommen auf die hohen Einkommen verschiebt. Zur Verringerung der Schuldenlast bietet sich auch eine befristete Sonderabgabe auf hohe Einkommen und Vermögen an.

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Anmerkung: Hier haben wir es mit zwei klassischen Nebelkerzen zu tun, wie sie zu diesem Thema in diesen Tagen massenhaft unters Volk gebracht werden. Der Autor des ersten Kommentars outet sich selbst als CDU-Wähler (was angesichts seiner Funktion als Leiter des Politikressorts der Financial Times Deutschland nicht weiter verwundert) und kritisiert die schwarz-gelbe Regierung. Die Gründe für diese Kritik muss man sich aber langsam auf der Zunge zergehen lassen: Der Autor wünscht sich mehr "Führungsstärke" und mehr neoliberalen Wahnsinn - er hat nicht das geringste gelernt und verbreitet weiter unbeirrt die Mär der "Elite".

Auch der zweite Kommentar aus dem Tagesspiegel liest sich, als hätte ihn ein Laie geschrieben, der keine Kenntnis von den Zusammenhängen in unserem Geld- und Finanzsystem hat. Tatsächlich ist er jedoch "Honorarprofessor für internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und Forschungsprofessor am DIW". Es ist bezeichnend, dass auch ein solcher hochdekorierter Mann nicht einmal im Traum auf die wirklichen Fragen zu kommen scheint, die einem angesichts der katastrophalen Situation geradezu ins Gesicht springen.

Zwei Texte, wie sie scheinbar unterschiedlicher nicht sein könnten - und doch sind beide Propaganda, die der künstlichen Beatmung eines sterbenden Systems dient. So sieht aktuelle "Meinungsvielfalt" in deutschen "Qualitätsmedien" aus.

Mittwoch, 30. Juni 2010

Erwin Pelzig: Das Netz der Macht

Westerwelle und die Realität: Freibier für Millionäre

Für das Sparpaket der Regierung hat FDP-Chef Guido Westerwelle eine plakative Begründung gewählt. Es müsse Schluss sein mit "Freibier für alle". Doch was meint der Vize-Kanzler damit? Die deutsche Realität wohl kaum.

In der deutschen Wirklichkeit fließt zwar das Freibier in Strömen, aber mit Sicherheit nicht für alle. "Reiche werden reicher. Arme bleiben arm.", schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem Verteilungsbericht 2009. (...)

In Zahlen ausgedrückt heißt das: Zwei Drittel der Bevölkerung standen 2007 ohne oder mit minimalem Vermögen dar. Die reichsten zehn Prozent besaßen 60 Prozent des gesamten Vermögens im Land, Tendenz steigend.

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Anmerkung: Ja, unsere Westerwelle haut mal wieder auf den Putz. Der Artikel der Frankfurter Rundschau greift zwar mal wieder viel zu kurz, benennt aber trotzdem einige Punkte, die unsere "Qualitätsmedien" uns ansonsten lieber verschweigen, wie z.B.: "Die Verluste für den Staat durch die Steuerreformen seit 1998 summieren sich nach Berechnungen des gewerkschaftsnahen Instituts IMK auf 50 Milliarden Euro pro Jahr. Ohne diese permanenten Steuerentlastungen bräuchte der Finanzminister heute kein Sparpaket. Hätte die Politik nicht immer wieder die mittleren und oberen Einkommen begünstigt, müsste sie heute nicht bei Arbeitslosen und Familien kürzen."

Das sind zwar Binsenweisheiten - aber man muss in der heutigen Zeit der Frankfurter Rundschau trotzdem dankbar sein, dass sie diese auch lapidar erwähnt.

Zu Westerwelle fällt einem bald nichts mehr ein. Der Mann entwickelt sich allmählich zu einer Karikatur seiner eigenen Karikatur. Ob er wohl imstande ist, noch hanebücheneren Unsinn abzusondern? Prognosen sind herzlich willkommen ...

Aushungerung des Sozialstaates – "Sparen" als neoliberale Ideologie

  1. Die öffentliche Armut bildet im neoliberalen Projekt eines "Um-" bzw. Abbaus des Sozialstaates keinen Kollateralschaden, sondern dient als Mittel zur Stärkung der Wirtschaft, während der private Reichtum das Lockmittel darstellt, welches die "Leistungsträger" zu besonderen Anstrengungen motivieren soll. Häufig fordern Neoliberale gleichzeitig die Kürzung der Staatsausgaben, eine Senkung der Steuern und die Ausweitung der (wirtschaftsnahen) Staatsaufgaben. / Da gemäß der Standortlogik vor allem die Gewinnsteuern und die Spitzensteuersätze immer stärker gegen Null tendieren müssen, um Großinvestoren anzulocken und als "Wirtschaftsstandort" attraktiv zu bleiben, während die sozialen Probleme wachsen und der Staat immer mehr Aufgaben zu erfüllen hat, steigt dessen Kreditaufnahme. Gleichzeitig verfällt die soziale und Verkehrsinfrastruktur – wie in den USA und Großbritannien seit langem zu beobachten ist –, was Neoliberale wiederum zusammen mit der Staatsverschuldung skandalisieren, obwohl es sich dabei um die Früchte ihrer Konzeption eines "schlanken Staates" handelt.

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  2. (...) Zum einen profitiert die Regierung davon, dass derzeit eine Fußballweltmeisterschaft nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag vieler Menschen beherrscht. Einen besseren Zeitpunkt hätte sie kaum wählen können, um den erwartbaren Protesten von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen.

    Hinzu kommt, dass viele der geplanten Sparmaßnahmen vor allem jene Bevölkerungsteile betreffen, die nicht in klassischen Institutionen - wie etwa in Gewerkschaften - organisiert sind. Das erschwert eine schnelle Mobilisierung zu Protesten. Gleichzeitig wurden die stärker organisierten Teile der Bevölkerung verschont. Die Steuerfreiheit von Nacht- und Sonntagszuschlägen wurde nicht angetastet, weil sonst die Arbeitnehmerverbände ganz schnell auf der Straße gewesen wären. Dass hingegen das Elterngeld für Hartz-IV-Bezieher gestrichen werden soll, juckt die meisten Beschäftigten kaum: Die Solidarität mit Arbeitslosen hält sich bei vielen in engen Grenzen.

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Anmerkung: Die neoliberale Bande lernt offenbar dazu - nun reicht nicht mehr nur eine WM als Ablenkungsmanöver, man macht sich anscheinend wirklich Gedanken darüber, wie man einen Protest - der von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung gegen diese abstrusen, asozialen Pläne kommen müsste - abwenden kann. - Man fragt sich unwillkürlich, wieso das in Deutschland so perfekt funktioniert, während in Frankreich einmal mehr Millionen von Menschen auf der Straße stehen und gegen (vergleichsweise geringe, deshalb aber nicht minder perverse) Kürzungen zu protestieren? Muss bloß die deutsche Nationalmannschaft nun im Viertelfinale ausscheiden, damit es auch in Deutschland endlich losgeht? Wohl kaum.

Es scheint hierzulande tatsächlich kaum jemandem aufzufallen, dass die in immer größerem Umfang auf uns einprasselnden Medienberichte über "Sparmaßnahmen" auf bundesweiter, landesweiter und regionaler Ebene immer weiter ausufern - während nirgends auch nur ansatzweise Hintergründe berichtet oder gar Fragen gestellt werden, wie diese "Geldknappheit" denn überhaupt auftreten konnte. Die öffentlich-rechtlichen Medien versagen auf ganzer Linie, die privaten sowieso, und der so genannte "Qualitätsjournalismus" verhält sich wie eine Außenstelle des Propagandaministeriums.

Hallo? Ist noch jemand wach dort draußen? Hat schon jeder wieder vergessen, dass die neoliberale Bande die fehlenden Milliarden kürzlich den Milliardären in den überquellenden Sparstrumpf gestopft hat? - "Sieht denn hier keiner, dass der Kaiser keine Kleider anhat" (Reinhard Mey)?