Samstag, 21. August 2010

Zitat des Tages (57): Füchschen



Hör, was der alte Reineke dir sagt:
Wenn auch nur der allerkleinste Zweifel an dir nagt,
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Hey Füchschen, siehst du Isegrimm, den Ehrenmann,
Das noble Wams mit dem Designertüchlein dran?
Wie er so erdverbunden scherzt, bemüht, sich anzubiedern.
Wie er so freundlich tut, wie er so volksnah lacht,
Wie er auf "Ich bin doch auch einer von Euch!" macht.
Der Isegrimm beginnt mich anzuwidern.
Hat er doch lange schon vergessen, wo und wer wir sind,
Vor Geltungssucht zerfressen und vor Machtgier blind,
Sieht er sich nur noch selbst, der aufgeblas'ne Gockel.
Der beim Försterball noch eben mit der Wölfin tanzt
Und dreist schon hinterm Schuppen mit der Ziege ranzt,
Will jetzt mit eit'lem Ehrgeiz auf den Sockel.
Du hast gesehn, wie Isegrimm die Treue bricht.
Und wenn er dir das Blaue vom Himmel verspricht:
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Hör, was der alte Reineke dir sagt:
Wenn auch nur der allerkleinste Zweifel an dir nagt,
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Und vor Schwarzkittel, Füchschen, nimm dich ja in acht!
Er heuchelt Demut, doch er schielt nach der Macht,
Er täuscht und trügt mit frommen Redensarten.
Er predigt Wasser, dabei trinkt er selber Wein
Und redet dir Schuld und Sünden ein
Und wildert an der Brut im eignen Garten.
Immer salbungsvoll, immer verkorkst und geil,
Sorgt sich der schlimme Finger um dein Seelenheil.
Sieh ihn selbstgerecht die teig'gen Hände reiben!
Er will dich eingeschüchtert und verschreckt und brav,
Will dich als willenloses, stummes Schaf,
Denn nur mit Ahnungslosen kann er's so bunt treiben.
Doch gleichviel ob der schmierige Wicht
Dir Fegefeuer oder Paradies verspricht:
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Hör, was der alte Reineke dir sagt:
Wenn auch nur der allerkleinste Zweifel an dir nagt,
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Und Füchschen, hüte dich vor der Frau Gieremund!
Nur Gift und Geifer sprudeln aus ihrem Schlund.
Sie unterwirft sich hündisch und aus freien Stücken.
Mit ihrem immer gestrigen Gejaul
Redet sie dem Pfaffen nach dem Maul
Und fällt den eignen Schwestern in den Rücken.
Und meide klug den Bullenbeißer Rüsteviel,
Seine Spießgesellen und sein Narrenspiel.
Wo du die witterst, musst du schlimmes ahnen.
Sie haben nie dem dunklen Bösen abgeschwor'n.
Sie ziehen dir das Fell über die Ohr'n
Und die alte Losung* steht noch auf ihren Fahnen.
Und wenn da einer von Ehre, Stolz und Pflicht,
Von Vaterland und Gehorsam spricht,
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Hör, was der alte Reineke dir sagt:
Wenn auch nur der allerkleinste Zweifel an dir nagt,
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Ich bin ein alter Knochen und mein Fell wird grau,
Ich kenn' die Fallen und die Wolfseisen genau,
Kenn' die Schrunden und die Beul'n, wenn sie das Fell dir gerben.
Ich kann dich lehr'n, vor der kläffenden Meute zu flieh'n,
Die Kunst, den Kopf aus der Schlinge zu zieh'n,
Diesen Schlitz im Ohr, den kann ich dir vererben.
Lehr dich geschmeidig gehn, gegen den Wind,
Lehr dich Worte, die wie giftige Köder sind,
Dann werd ich lautlos seitwärts im Gebüsch verschwinden.
Dann halt die Augen auf, pass auf wie ein Luchs,
Wasch dich mit allen Wassern, kleiner Fuchs,
Du musst allein die eigne Wahrheit finden.
Und wenn jemand aus dem Unterholz bricht
Und die allein seligmachende Weisheit verspricht:
Füchschen, glaub' ihm nicht!

Hör, was der alte Reineke dir sagt:
Wenn auch nur der allerkleinste Zweifel an dir nagt,
Füchschen, glaub' mir nicht!

____
*: In der Waidmannsprache = Kot

(Reinhard Mey [*1942], aus dem Album "Flaschenpost", 1998, nach J.W. Goethes Dichtung "Reineke Fuchs")

Politische Korruption und Steuerhinterziehung

Der Stern hat verdienstvoller Weise den versteckten Datendieb interviewt, der für die Aufdeckung der Gelder des ehemaligen Postchefs Klaus Zumwinkel gesorgt hat. Im Bericht zum Interview erfährt man, dass der Datendieb Daten von 3.929 Stiftungen, Gesellschaften und Trusts und von 5.828 natürlichen Personen gesammelt und weitergegeben hat. Darunter sind 46 sogenannte PEPs, das heißt "politisch exponierte Personen". Nur einer wurde öffentlich: Zumwinkel. Das Opferlamm. Die Sache ist nicht nur brisant wegen der Steuerhinterziehung, sondern wegen der mit hoher Wahrscheinlichkeit in vielen Fällen dahinter steckenden Korruption und der Verschiebung von Schwarzgeld.

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Anmerkung: Es wird einem schwindelig beim Lesen. Da liegt hochbrisantes Material vor aller Augen offen auf dem Tisch herum, aber es findet sich kein Medium, das dieses Material auch benutzen und in diesem Fall recherchieren möchte. Das verstärkt die Vermutung, dass hier ganz besondere "politisch exponierte Personen" und vor allem deren Hintermänner in Gefahr sind - oder kann sich irgendwer noch andere Gründe vorstellen, weshalb sich die sensationsgierige Presse in diesem Falle nicht darauf stürzt? Mir fällt keiner ein.

Das ist ein weiteres von so vielen Zeichen für den postdemokratischen Zustand Deutschlands. Oder, wie Reinhard Mey das ausgedrückt hat:

    Jeder kann es sehen - aber alle sehen weg,
    Und der Dunkelmann kommt aus seinem Versteck
    Und dealt unter aller Augen vor dem Kindergarten.
    Der Ausguck ruft vom höchsten Mast: Endzeit in Sicht!
    Doch sie sind wie versteinert und sie hören ihn nicht.
    Sie ziehn wie Lemminge in willenlosen Horden.
    Es ist, als hätten alle den Verstand verlorn,
    Sich zum Niedergang und zum Verfall verschworn,
    Und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden.

(aus: Das Narrenschiff)

Freitag, 20. August 2010

USA: FBI soll Internetaktivitäten umfassend überwachen dürfen

Die US-Bundespolizei FBI soll ungehinderten Zugang zu allen Internet-Aktivitäten von Einzelpersonen erhalten, wenn diese im Verdacht von terroristischen Kontakten stehen.

Dies soll ohne Gerichtsbeschluss nach Einschätzung der Fahnder erlaubt werden. Alle Adressen der E-Mail-Korrespondenten sowie die besuchten Web-Seiten der überwachten Personen sollen für die Behörden einsehbar werden, jedoch nicht die E-Mail-Inhalte oder die Suchhistorie.

Im Rahmen des unter Präsident George W. Bush verabschiedeten Patriot-Act sind ähnliche Ausspähmaßnahmen schon für alle Telefongespräche der US-Bürger erlaubt. Telefongesellschaften müssen Verbindungsdaten auf Verlangen den Behörden übergeben.

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Anmerkung: Viel mehr Information bietet der Tagesanzeiger seinen Lesern nicht. Es ist die schlichte Wiederholung einer Presseagenturmeldung, und man fragt sich sofort beim Lesen: Halt! Stopp! Woher stammt diese Information? Wie glaubhaft ist sie? Wieso nimmt die Presse sich einer solchen Ungeheuerlichkeit nicht an und berichtet massenhaft darüber und fragt nach, verlangt Quellen, analysiert diese?

Wer glaubt eigentlich noch daran, dass die genannten Einschränkungen auch wirklich greifen oder eingehalten werden, wenn das mal Realität geworden ist? Wenn diese Totalüberwachung in den USA tatsächlich kommt, wird es nicht lange dauern, bis auch hierzulande die Forderungen lauter werden. Der gläserne Bürger rückt in greifbare Nähe - bald weiß der Staat mehr über uns als wir selber. Brave new world.

Mittwoch, 18. August 2010

Georg Schramm: Zorn

Obama und der Friedensnobelpreis - eine Geschichte von George Orwell

"Obama sollte den Friedensnobelpreis zurückgeben". Das habe ich auf den NachDenkSeiten schon gefordert, als der amerikanische Präsident wenige Tage vor der Verleihung des Friedensnobelpreises – Anfang Dezember letzten Jahres – in der Militärakademie West Point ankündigte, dass er 30.000 zusätzliche Soldaten in den Kampf nach Afghanistan schicken wolle. Gestern hat nun der US-Kongress weitere 33 Milliarden Dollar für diese Truppenaufstockung bewilligt – über die 160 Milliarden Dollar hinaus, die der Krieg allein im laufenden Jahr verschlingt. Spätestens seit gestern ist der Afghanistan Krieg Obamas Krieg.

[Von] meiner Kritik von damals brauche ich nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil, sie wird durch die jetzt öffentlich gewordenen "Afghanistan-Protokolle" nur noch untermauert.

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Anmerkung: Das ist eine einzige Farce. Es war von Anfang an offensichtlich, dass Obama nichts weiter als eine weitere Marionette des Kapitals ist - trotz des ungeheuren Medien-Hypes, der da veranstaltet worden ist. Wer erinnert sich noch an seine vollmundigen Versprechen vor der Wahl, zum Beispiel Guantanamo betreffend? Dieses völkerrechtswidrige KZ existiert nach wie vor.

Der Friedensnobelpreis wirkt vor dem Hintergrund der seitdem erfolgten Ausweitung des Krieges in Afghanistan nicht einmal mehr lächerlich. Ich schlage vor, den nächsten Literaturnobelpreis der BLÖD-Zeitung zu verleihen. Die Laudatio könnte ja der "Journalist" Steffen Seibert halten.

Denunziationen in Deutschland: Das Dritte Reich lässt grüßen

Die Fakten vorweg, nachzulesen im Göttinger Tageblatt und in der Online-Ausgabe von taz-nord vom 21. Juli: Ein anonymer Anrufer meldet sich im April beim Göttinger Sozialamt mit der Verdächtigung, eine ALG-II-Bezieherin halte sich gar nicht in ihrer Wohnung auf, sondern bei ihrem Freund. Folge: neun Tage später schwärmen Mitarbeiter der Stadt und des Landkreises Göttingen aus, um [in] der Nachbarschaft der Frau weitere Informationen zu beschaffen. Ergebnis dieser Befragungsaktion: kein Arbeitslosengeld mehr für die Erwerbslose. Die Betroffene wird von alldem nicht einmal vorher informiert oder zu der Denunziation des anonymen Anrufers befragt. (...)

Was ist von einem Land zu halten, in dem dieses schon wieder möglich ist: durch bloße Denunziation – anonym zudem – mehrere Dienststellen zu veranlassen, einfach mal so dem Denunzianten zu glauben, einfach mal so der Betroffenen den Anspruch auf rechtliches Gehör vorzuenthalten, einfach mal so der Erwerbslosen ihre materielle Existenzgrundlage zu entziehen? Was ist von einem Land zu halten, wo es erst des energischen Einschreitens eines mutigen Anwalts bedarf, den Rechtsstaat im vorliegenden Fall wiederherzustellen? Und: wo passiert Gleiches in diesem Lande noch - und wir alle erfahren lediglich deshalb nichts davon, weil es dort solche Rechtsbeistände nicht gibt, oder die betroffenen Menschen - eh schon zermürbt von 5 Jahren Hartz-IV und 5 Jahren Hartz-IV-Hetze gegen diese "Schmarotzer" und "Parasiten" - trauen sich gar nicht mehr, weil sie dem Staat nicht mehr trauen? Weil sie kaputt sind vom ewigen Kleinkrieg mit den Sozialbehörden, weil sie sich aufgegeben haben?

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Anmerkung: Genau darauf ist dieses perfide Hartz-System doch angelegt. Es soll die Menschen zermürben, es soll sie widerspruchslos alle Schikanen ertragen lassen und möglichst aus dem Leistungsbezug drängen, und natürlich soll es auch das Denunziantentum fördern. Das liegt auf der Hand, und an vorliegendem Beispiel wird ja auch deutlich, dass die Behörde genau nach diesen Zielgebungen gehandelt hat.

In einem Punkt muss ich dem Verfasser des Artikels aber widersprechen, nämlich wenn er feststellt: "Sie [die verantwortlichen Politiker] scheinen es verlernt zu haben, in die Geschichtsbücher zu schauen – und in den Spiegel!" Es ist doch weitaus schlimmer. Sie kennen die Geschichte und ihr eigenes Antlitz im Fratzenspiegel sehr wohl - tun diese Dinge aber trotzdem. Anders ausgedrückt: Sie wissen, was sie tun.

Das jedenfalls gilt für die verantwortlichen Politiker, die dieses faschistoide System ersonnen (= in den USA abgeguckt) und umgesetzt haben und es heute zementieren. Ob jeder ARGE-Mitarbeiter auch genau weiß, was er tut, sei einmal dahingestellt - mir persönlich sind da nicht wenige Fälle bekannt, in denen existenzielle Entscheidungen in den ARGEn von Leuten getroffen werden, die weder die nötige Reife oder Kompetenz, noch die nötige Intelligenz besitzen, um so etwas tun zu können. Ob auch das reiner Zufall ist - genauso wie die Tatsache, dass viele dieser Personen selbst nur ein befristetes Arbeitsverhältnis haben, das sie dazu zwingt, im Sinne des Dienstherrn zu handeln?

Das soll nun wirklich kein "Freibrief" für ARGE-Täter sein. Aber es ist bezeichnend, dass genau an den Stellen in den Behörden, die quasi über "Leben und Tod" der ihr anvertrauten Bürger zu entscheiden haben, gerade keine besonders gut ausgebildeten, erfahrenen Menschen eingesetzt werden, sondern oft sehr junge und befristet Angestellte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Ohne Abbau des überschüssigen privaten Großreichtums kein Rückgang von Schulden und Finanzkrisen

Die Reichen, nicht die Griechen

Wie andere Systeme vor ihm droht auch der Kapitalismus in der Plutokratie, der Reichenherrschaft zu enden. Solange es Wachstum gab, konnten sich die Reichen dessen Zuwächse sichern, ohne die Arbeitseinkommen allzu auffällig zu schmälern. Damit ist es im Westen allmählich vorbei. Die "Überakkumulation" der privaten Reichenvermögen kann künftig nur noch direkt auf Kosten von Arbeitseinkommen und Staatskapital erfolgen. Die steigenden Schuldendienste der Staatsverschuldung und die mutwillige Deregulierung der Finanzmärkte lenken zusätzliche Kapitalströme von den Staaten weg auf die privaten Großkonten. Ohne eine Reduzierung dieses ständig wachsenden privaten Verleih- und Spekulationskapitals lassen sich Staatsschulden und Finanzkrisen nicht bremsen. Den Willen dazu bringt die westliche Politik aber nicht mehr auf. In einem elementar-ökonomischen Blackout versucht sie, die Schuldenlawine durch immer neue Schulden zu stoppen und das als "Rettung" zu deklarieren.


(Grafik: www.humane-wirtschaft.de)


(Weiterlesen - pdf)

Anmerkung: Dies ist ein wichtiger und äußerst informativer Text von Prof. Günther Moewes, den sich vor allem diejenigen unter uns durchlesen sollten, die zwar meinen, das gegenwärtige Geld- und Finanzsystem durchschaut zu haben, sich aber dennoch wundern, wieso bei stetig steigenden Gewinnen trotzdem immer mehr Schulden "produziert" werden. Dazu werden im Verlauf des Textes sieben "Binsenweisheiten" formuliert, die das pointiert erklären und die wie folgt lauten:

  1. Geldschöpfung ist im Kapitalismus keine Wertschöpfung sondern Schuldenschöpfung. Aber nicht alle Schuldenschöpfung ist Geldschöpfung.

  2. "Geldschöpfung" und "Mehrwertschöpfung" haben sich im Kapitalismus gegenüber der "Wertschöpfung" längst verselbständigt und das hat auch mit der "Geldschöpfung
    durch Kreditschöpfung" zu tun.

  3. Primärursache der Schulden und Finanzkrisen ist die exponentiell steigende Übervermehrung der großen privaten Geldvermögen.

  4. Alle Schulden sind immer Reichenbedienung.

  5. Staatsschulden lassen sich grundsätzlich nicht durch "Sparen" tilgen.

  6. Auch die Staatsverschuldung ist ein Verteilungsproblem. Ohne Abbau der Reichenvermögen lässt sich die Zunahme von Staatsschulden, Finanzkrisen und Armut prinzipiell niemals wieder aufhalten.

  7. Den Armen kann immer nur gegeben werden, was den Reichen genommen wird.


Auch die oben gezeigte Grafik sollte augenöffnend sein. Die Idee, die Diskrepanz zwischen den einzelnen Beträgen einfach in Längenmaße umzurechnen, um sie anschaulich zu machen, ist grandios. Den Text bitte weiterempfehlen!

Sonntag, 15. August 2010

Zitat des Tages (56): Ganz rechts zu singen

Stoßt auf mit hellem hohem Klang!
Nun kommt das Dritte Reich!
Ein Prosit unserm Stimmenfang!
Das war der erste Streich!

Der Wind schlug um. Nun pfeift ein Wind
von griechisch-nordischer Prägung.
Bei Wotans Donner, jetzt beginnt
die Dummheit als Volksbewegung.

Wir haben das Herz auf dem rechten Fleck,
weil sie uns sonst nichts ließen.
Die Köpfe haben ja doch keinen Zweck.
Damit kann der Deutsche nicht schießen.

Kein schönrer Tod ist auf der Welt
als gleich millionenweise.
Die Industrie gibt uns neues Geld
und Waffen zum Selbstkostenpreise.

Wir brauchen kein Brot, und nur eins ist not:
Die nationale Ehre!
Wir brauchen mal wieder den Heldentod
und schwere Maschinengewehre.

Und deshalb müssen die Juden raus!
Sie müssen hinaus in die Ferne.
Wir wollen nicht sterben fürs Ullsteinhaus,
aber für Kirdorf* sehr gerne.

Die Deutsche Welle, sie wächst heran
als wie ein Eichenbaum.
Und Hitler ist der richtige Mann.
Der schlägt auf der Welle den Schaum.

Der Reichstag ist ein Schweinestall,
wo sich kein Schwein auskennt.
Es braust ein Ruf wie Donnerhall:
Kreuzhimmelparlament!

Wir brauchen eine Diktatur
viel eher als einen Staat.
Die deutschen Männer kapieren nur,
wenn überhaupt, nach Diktat.

Ihr Mannen, wie man es auch dreht,
wir brauchen zunächst einen Putsch!
Und falls Deutschland daran zugrunde geht,
juvivallera, juvivallera,
dann ist es eben futsch.

* Geheimrat Kirdorf war, als Exponent der Schwerindustrie, einer der Finanziers Adolf Hitlers.

(Erich Kästner [1899-1974]: Gesammelte Schriften für Erwachsene, Bd. 1, Zürich 1969, zuerst erschienen im Oktober 1930)


"Der Kapitalismus ist gescheitert"

Der Managementexperte und Bestsellerautor Fredmund Malik über Konsequenzen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise - und warum sich niemand vorzeitig in Sicherheit wiegen sollte (...)

Handelsblatt: Es gibt aber bereits Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft. Auch an der Börse sind die Kurse gestiegen.

Malik: Wer jetzt Entwarnung gibt, hat anscheinend nicht die Krise der 30er-Jahre studiert. Die aktuelle Erholung an der Börse ähnelt der von 1930, als auf den Crash im Oktober 1929 eine sensationelle Rally bis hinein in den April folgte. Zu diesem Zeitpunkt gaben alle Auguren der damaligen Zeit Entwarnung. Man glaubte auch an die Wirksamkeit der Fed-Maßnahmen. Dabei begann das Debakel erst. Am Ende stand der Dow Jones im Jahr 1932 bei 40 Punkten.

Handelsblatt: Und heute?

Malik: Der gegenwärtige Bullenmarkt hat seinen Ursprung im Jahr 1982. Damals stand der Dow Jones bei 1000 Punkten. Das ist auch die Fallhöhe, mit der wir rechnen müssen.

(Weiterlesen - mit eingeschaltetem Gehirn)

Anmerkung: Ein interessantes Beispiel dafür, wie ein Kapitalist den Kapitalismus "retten" möchte, indem er die gröbsten Auswüchse, die immer am Ende des Zyklus' auftreten, abmildern möchte. Immerhin weist er auf die gegenwärtigen Parallelen zur Krise von 1929/30 hin - das erlauben sich die meisten "Experten" heutzutage nicht, um nicht allzu offensichtlich die Fehler zu wiederholen.

Besonders absurd wird es aber, wenn Malik feststellt: "Der Kapitalismus ist genauso gescheitert wie der Sozialismus. Diese Krise ist das Symptom eines fundamentalen Wandels, es sind die Geburtswehen für eine neue Welt. So etwas hat in der Geschichte möglicherweise noch nie stattgefunden. Die Lösungen werden nicht aus der Ökonomie, auch nicht von den Regierungen kommen. Die Menschen werden lernen, sich gegenseitig zu helfen. Ich denke, wir werden eine neue Menschlichkeit erleben. Das neue Kapital ist Wissen, während Geld an Bedeutung verlieren wird. Der krasse Egoismus der letzten Jahre wird sozial geächtet sein. Menschen Sinn zu ermöglichen wird wichtiger."

Man kann sich gar nicht oft genug an den Kopf greifen, wenn man solche hanebüchenen Schlussfolgerungen aus dieser wiederholten Krise lesen muss. Wir haben es oft genug erlebt (und auch beim letzten Crash des Kapitalismus in den 30er Jahren wurde schon ein "neuer Mensch" beschworen) - es wird keinen "fundamentalen Wandel" geben, obwohl der höchst sinnvoll wäre! Anzeichen sind nirgends erkennbar, nicht einmal in kleinen hilflosen Ansätzen, das genaue Gegenteil ist (wieder einmal) der Fall. Und der Gipfel, der blanke Zynismus ist es, wenn man dann lesen darf: "Die Menschen werden lernen, sich gegenseitig zu helfen." - Ja, wo lebt der Mann denn? Seit Jahrzehnten wird uns das Gegenteil gepredigt und medienwirksam vorgelebt! Es geht in diesem System um Entsolidarisierung, um Egoismus, um "Eigenverantwortung" in ihrer neoliberalen Pervertierung. Wahrscheinlich soll der Satz bloß bedeuten: Der Staat als Helfer in der Not hat ausgedient - in der Zukunft muss das eben irgendjemand anderes übernehmen, wenn er denn gerade Zeit und Lust und Geld dazu hat. Da eine "neue Menschlichkeit" zu entdecken, ist genauso zynisch wie der Spruch "Arbeit macht frei" über dem Tor des KZ.

In einem Punkt möchte man dem Herrn Malik aber wünschen, dass er richtig liegt: "Der krasse Egoismus der letzten Jahre wird sozial geächtet sein." - Allein: Woher soll das inmitten dieses neoliberalen Sumpfes, der den Großteil der Menschen in den Schmutz zieht, denn kommen? Wird ein göttlicher Blitz vom Himmel herabfahren und die Erleuchtung bringen? Werden all die Nachbeter der marktradikalen Ideologie plötzlich entmachtet oder tot umfallen oder das Gegenteil dessen propagieren, was sie uns jahrzehntelang eingebläut haben?

Der Kapitalismus ist in der Tat gescheitert - aber nicht erst heute, sondern schon viele Male zuvor. Wie Herr Malik indes auf die verwegene Behauptung kommt, der Sozialismus sei gescheitert, erklärt er leider nicht. Falls er Stalinismus oder andere Diktaturen fälschlicherweise für Sozialismus hält, sollte er dringend eine Bibliothek aufsuchen und seinen Experten-Status zuvor beim Arbeitsamt abgeben.

Der "gute Millionär": Mehr Geld von den Reichen

Mehr Geld von den Reichen: Der Reeder und Millionär Peter Krämer über seine Forderung nach höheren Steuern, ein lächerliches Sparpaket und Gangster vor der Haustür. (...)

SZ: Haben Sie nicht das Gefühl, Sie zahlen schon jetzt zu viel Steuern?

Krämer: Nein, ganz und gar nicht. Schauen Sie mal ins Ausland! In den USA, Japan und Frankreich zahlen Wohlhabende das Vierfache, im Mutterland des Kapitalismus, in Großbritannien, sogar das Fünffache dessen, was hierzulande fällig ist. Wenn die Reichen in Deutschland 2,0 statt bisher 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zahlen müssten, das entspricht dem europäischen Durchschnittssatz, könnte der Fiskus 20 Milliarden Euro mehr einnehmen. (...)

SZ: Die CSU in Bayern würde jetzt sagen, Sie nehmen den Kindern das Haus ihrer Eltern weg.

Krämer: Das ist totaler Quatsch. Ich will der Oma nicht ihr kleines Häuschen wegnehmen. Das will doch gar keiner, nicht einmal die Linke. Wir sollten aber ab einem bestimmten Freibetrag, zum Beispiel einer halben Million Euro, bei den Erben stärker zugreifen.

SZ: Was sagt Ihr älterer Sohn dazu, wenn ihm vom Erbe weniger bleibt?

Krämer: Mir hat ein Bekannter eine schöne Geschichte erzählt. Dessen Sohn fragte ihn: Warum soll ich eigentlich Erbschaftssteuer zahlen? Du hast doch dein gesamtes Geld versteuert und wenn ich es kriege, warum soll ich noch mal etwas abgeben? Daraufhin hat der Vater gesagt: Mein lieber Sohn, die Steuern habe ich bezahlt und was ich mit dem versteuerten Geld mache, ob ich es verprasse oder verschenke, das ist meine Entscheidung. Wenn du es erbst, zahlst du das allererste Mal Steuern und was kannst du dafür, mein Sohn und Erbe zu sein.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Sollte es doch noch reiche Menschen mit einem sozialen Gewissen und einem gewissen Verstand geben, die doch erkannt haben, dass ihr eigener Reichtum (und der des Nachwuchses) nur gesichert bleiben kann, wenn die Spaltung der Gesellschaft aufgehalten und rückgängig gemacht wird? Man mag es kaum glauben!

Was allerdings besonders irritiert, ist die Frage der Süddeutschen nach der Reaktion des ältesten Sohnes ... - Herrscht dort in der Redaktion noch der alte Glaube vor, dem "Erstgeborenen" stünde das ganze Königreich zu, während jüngere Söhne (oder gar Töchter) in die Röhre gucken? Oder wie ist diese Frage zu verstehen? Vielleicht kann mir da jemand auf die Sprünge helfen?

Ein wenig relativiert sich der Edelmut des Herrn Krämer aber, wenn er zum Schluss sagt: "Ich war häufiger in Südafrika, und dort verbarrikadieren sich die Wohlhabenden. Die Mauern werden immer höher, durch die Stacheldrähte auf den Mauern in Johannesburg fließen Tausende Volt. Es macht nicht so arg viel Spaß, dort spazieren zu gehen. Solche Verhältnisse möchte ich in Deutschland nicht erleben."

Nein, solche Verhältnisse will wohl niemand erleben - weder in Südafrika, noch in Timbuktu, noch in Deutschland. Was aber wohl die große Mehrheit der Menschen in all diesen Ländern will, scheint auch dem edlen Millionär nicht so wichtig zu sein.