Mittwoch, 12. Januar 2011

Das ungarische Desaster

Das Mediengesetz ist nur die Spitze einer Entwicklung. Viktor Orbán ist weit vorangekommen bei seinem autoritären Umbau, eine Alternative ist nicht in Sicht (...)

Die ungarische Geschichte ist ein lehrreiches und warnendes Beispiel, das zeigt, wie zerbrechlich die europäischen bürgerlichen Demokratien in diesen wirren und dekadenten Zeiten geworden sind. (...)

Zunächst verurteilte das Parlament in einem feierlichen Akt den Vertrag von Trianon von 1920 und stellte Angehörigen der ungarischen Minderheit in den Nachbarstaaten die ungarische Staatsbürgerschaft in Aussicht. Sodann wurden alle staatlichen Institutionen und öffentlichen Gebäude angewiesen, ihre Wände mit dem grundsätzlichen Bekenntnis des neuen Regimes zu schmücken - der Erklärung zu einer Nationalen Kooperation (das Regime nennt sich offiziell "System Nationaler Kooperation", und die Regierung ist eine Regierung der Nationalen Einheit).

Weiterhin wurden die Wahlgesetze geändert, um es kleinen Parteien zu erschweren, ins Parlament zu gelangen. Außerdem wurde das Verfassungsgericht kastriert. Zu guter Letzt wurden die Spitzenposten bei der Generalstaatsanwaltschaft für neun Jahre, des Rechnungshofes sowie der lokalen Rechtsorgane mit Politikern des rechten Flügels besetzt. Die Geheimdienste wurden umstrukturiert und ein neues Antiterrorismuszentrum unter Leitung von Viktor Orbáns früherem persönlichen Leibwächter geschaffen.

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Anmerkung: Es überkommt einen das kalte Grausen, wenn man diesen Text liest. Die Parallelen zu einer längst vergangen geglaubten schlimmen Zeit in Deutschland, die sich sofort aufdrängen, erzeugen Fassungslosigkeit: Mitten in Europa entsteht heute wieder ein autoritäres System. Bitte unbedingt lesen - da reiht sich eine Ungeheuerlichkeit an die nächste. Vollends heruntergeklappt ist mein Kiefer bei dieser Passage: "'Antifaschismus ist ein Verbrechen', hat ein führender konservativer Kolumnist, Universitätslehrer und Redakteur einer angesehenen Monatszeitschrift erklärt." Das ist bezüglich des Weges, den die ungarische Rechte einzuschlagen gedenkt, mehr als nur eine böse Drohung.

Ich weiß zu wenig über die Historie Ungarns, so dass ich mir an dieser Stelle kein umfassendes Urteil erlauben kann. Aber wenn ich diesen Text lese und mir vor Augen halte, was in diesem Land offenbar geschieht, dann kann ich nicht anders als aufzustehen und laut Nein zu sagen. Wie kann die Bevölkerung Ungarns diese Entwicklungen hinnehmen? Und wie kann es die EU zulassen, dass in einem ihrer Mitgliedsstaaten solche Entwicklungen stattfinden?

Die EU ist ja ebenfalls ein zutiefst undemokratisches Gebilde, und wir dürfen uns getrost die Frage stellen, wieviele Figuren der neoliberalen Bande sich angesichts der ungarischen Entwicklungen heimlich zuhause diabolisch grinsend die Hände reiben ...

Wir müssen sehr wachsam sein. Sehr wachsam.

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