Montag, 7. Februar 2011

Obama: Yes, we could - but we won't

Sind die USA ein Land, das sich im Wesentlichen rechts von der Mitte befindet? Vordergründig gesehen scheinen die Kongresswahlen vom November 2010 eine Bejahung dieser Frage nahezulegen. Die unter Obamas Flagge segelnden Demokraten erlitten auf Regional-, Staats- und Bundesebene eine empfindliche Niederlage. Im Repräsentantenhaus verloren sie ihre seit 2006 überlegene Mehrheit an die Republikaner und auch im Senat ist ihre Mehrheit nun reduziert.

Nicht wenige Beobachter leiteten daraus ab, dass die amerikanische Gesellschaft grundsätzlich rechtskonservativ ausgerichtet ist und Obamas reformistischer Agenda eine fundamentale Absage erteilt hat. Anscheinend will die Bevölkerungsmehrheit keine sozialstaatlichen Korrekturen des Kapitalismus und schon gar keine universelle Krankenversicherung. Die oft beschworenen Selbstheilungskräfte des Marktes, verbunden mit dem legendären amerikanischen Optimismus und der Eigeninitiative des Einzelnen werden es schon richten – zumindest in der Imagination der meisten Wähler.

So plausibel diese Interpretation der November-Wahlen auch klingen mag – sie ist ein Fehlschluss. Obama und die Demokraten haben die Wahl nicht verloren, weil sie zu sehr nach "links" schwenkten, sondern weil sie bei Weitem nicht links genug waren. Obama und sein Team lieβen den Abstand zwischen sozialstaatlicher Rhetorik und ihrer eigentlichen Regierungspraxis zu groβ werden. Die schamlose Umverteilung von Unten nach Oben, die zunehmende Verelendung der Armen und die Verarmung der Mittelklasse auf der einen Seite sowie der obszön ins Riesige wachsende Reichtum auf der anderen Seite – all das hat sich unter Obama nicht geändert.

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Anmerkung: Was lernen wir daraus? Wenn die "soziale Alternative" in einem politischen System nicht mehr gegeben ist, wählen viele Menschen aus Enttäuschung oder "Protest" die Rechten - oder aber gar nicht mehr. Beides ist katastrophal für die gesellschaftlich-politische Entwicklung, und beides ist nur allzu bekannt aus der Historie der letzten 100 Jahre.

Wer von uns kann angesichts der deutschen Vergangenheit das Grausen noch unterdrücken, wenn er lesen muss: "Rechte Frontgruppierungen wie die faschistoide Tea Party, bestens finanziert von der Öl- und Rüstungsindustrie, versuchen, mit populistischen Slogans den berechtigten Zorn der ausgebeuteten arbeitenden Bevölkerung auf die herrschenden Schichten umzuleiten in fanatischen Nationalismus, Ausländer- und Fremdenhass"? Gab es das alles nicht schon einmal? Wissen wir nicht mehr oder wollen wir es nicht mehr wissen, wohin es geführt hat?

Warum ist auch hierzulande in den Systemmedien nirgends zu lesen, dass es gewiss nicht irgendwelche Islamisten oder arabische Terroristen sind, die uns massiv bedrohen, sondern dass es erneut der Kapitalismus, seine schlipstragenden Apologeten und natürlich die Kapitalbesitzer sind, die uns in den Abgrund drängen? Vor 90 Jahren war das - systembedingt - ganz ähnlich. Damals hat die neoliberale Bande die Juden und einige andere Minderheiten zu Sündenböcken des eigenen Versagens gemacht (Hitler hatte viele Unterstützer und Geldgeber aus der Wirtschaft, auch aus den USA) - heute beginnt dasselbe mit Menschen vornehmlich arabischer Abstammung erneut.

Und Obama - dazu fällt einem bald nicht mehr viel ein. Es ist so offensichtlich, dass die im verlinkten Artikel formulierten Thesen richtig sind, dass ich dazu kaum mehr etwas schreiben mag. Wenn die Menschen in den USA nach dem fulminanten Wahlspektakel und den an Pathos kaum mehr zu übertreffenden "Change"-Reden nun erkennen müssen, dass Obama sich nur rudimentär von Bush und seinen Vorgängern unterscheidet (was für aufmerksame Beobachter aber auch vorher schon prognostizierbar war), ist es nur logisch, dass mangels einer Alternative wieder die Rechten (auch durch Wahlenthaltung) gestärkt werden. Dies war und ist offensichtlich so gewollt. Und auch in Deutschland ist es ja nicht anders - da ist es auch vollkommen gleichgültig, ob man CDU, SPD, Grüne oder FDP wählt - man bekommt immer dasselbe politische Ergebnis, dieselben Handlungen, dieselben Strategien, dieselben hohlen Phrasen. Auch das ist eine Parallele zu der Zeit vor 90 Jahren. Und genauso wie damals verstehen es auch heute die Faschisten, diese Kapitulation der Politik vor dem Kapital auszunutzen - während die Linke einmal mehr auf diesen populistischen Zug nicht aufspringt und daher nicht von der berechtigten Wut der Bevölkerung profitiert.

Idealistisch gesehen ist das beachtenswert und sehr zu begrüßen - realistisch gesehen ist das eine Katastrophe, die uns sehr ängstigen sollte.

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