Donnerstag, 28. Juli 2011

"Der Pöbel soll nicht wählen dürfen" - nur ein Sommerloch-Thema?

Politologische Untersuchungen zeigen: Die Büezer wählen heute häufig SVP. Doch das hindert einen SVP-Mann nicht daran, über die einfachen Bürger herzuziehen. In einem Aufsatz in der Weltwoche stellt der Zürcher (...) Regierungsrat Christian Huber die "politische Reife" der Besitzlosen in Frage.

Huber befürchtet, dass die weniger vermögende Mehrheit die direkte Demokratie nutzen könne, um den Reichen die Konten zu plündern. "Volksherrschaft kann auch die Herrschaft des Pöbels bedeuten, die Enteignung der Minderheit der Leistungswilligen und Besitzenden durch die Mehrheit von Habe- und Taugenichtsen."

Das "Gegengift", das dem SVP-Mann offenbar vorschwebt: ein Zensuswahlrecht wie bei den alten Griechen. "Also die Beschränkung des Wahlrechts auf Stimmbürger, welche gewisse Kriterien wie materiellen Besitz oder die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand erfüllen". Dass Kriminelle, Asoziale, Analphabeten und Pädophile wählen und abstimmen dürfen, missfällt Huber sowieso. Die Weltwoche setzte den Titel "Nur wer Eigentum hat, soll wählen und stimmen dürfen" über den Aufsatz.

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Anmerkung: Es ist selten, dass rechte Ideologen einmal wirklich aussprechen, was sie denken. Hier haben wir so einen Fall, der klar und deutlich belegt, was jeder Denkfähige sowieso längst wusste: Die Basis des Denk- und "Werte"-Systems jedes Rechtspopulisten ist der Faschismus.

Es ist mir - auch angesichts des "Sommerlochs" - ein vollkommenes Rätsel, dass sich irgendein denkfähiger Mensch mit derartigen Meinungen öffentlich äußern kann, ohne vor lauter Scham auf der Stelle im Boden zu versinken - und dies noch dazu im Namen einer Partei, die nicht wenige Wähler findet. Das beschränkt sich keineswegs auf die rechtsextreme SVP in der Schweiz - Pendants dazu gibt es in fast allen westlichen Ländern und verschiedensten Parteien. Selbstverständlich auch in der CDU, der FDP und der SPD. Es sei da nur beispielhaft an die kruden, faschistoiden Äußerungen Missfelders (CDU), Sarrazins (SPD), Clements (SPD) oder Möllemanns (FDP) erinnert - derlei Belege gibt es mannigfaltig.

Nun betrifft es wieder einmal das Wahlrecht, das dem "Pöbel" (sprich: den Armen) entzogen werden soll. Kapitalisten und Faschisten, die einander bekannter Maßen auf dem Fuße folgen, reiben sich begeistert die feisten Hände. Dasselbe tun sie, wenn andere Stimmen unfassbare Parolen in die Welt plärren, wie "Nur wer arbeitet, soll auch essen" (Müntefering, SPD) oder andere Beispiele, die Arbeitslose als "Parasiten" diffamieren (Clement, SPD) oder alten Menschen medizinische Leistungen verweigern wollen (Missfelder, CDU) - usw. usf.

Welche Geiteshaltung hinter solchen Menschenbildern steckt und wohin diese letzlich führt, wissen wir seit langem - der Terror der Nazis ist hoffentlich allen Menschen noch immer wohlbekannt. Jetzt hat uns der ekelhafte Norweger erneut daran erinnert, dass eine solche faschistoide Geisteshaltung aus scheinbar ganz "normalen" Menschen wilde Bestien machen kann. Es greift hier viel zu kurz, diesen Mann einfach als "geisteskrank" oder "verrückt" zu bezeichnen - derlei Beispiele von "netten Familienvätern" oder "unauffälligen Normalos", die dann "plötzlich" zu Massenmördern und unsäglichen Folterern wurden, gab es im Nazi-Terror-"Reich" tausend-, gar zehntausendfach.

Damals wie heute galt und gilt: Die geistigen Brandstifter, die hinter dieser furchtbaren Ideologie stecken, sind mindestens ebenso Schuld am grausamen Ergebnis wie die unmittelbaren Täter selbst. Hoffentlich wiederholt sich die Geschichte nicht - hoffentlich werden diesmal auch die Brandstifter rechtzeitig als Täter identifiziert, öffentlich gemacht und aus dem öffentlichen Diskurs gezogen.

Diese Hoffnung ist klein und sehr still und leise ... die Schreihälse der neoliberalen, faschistischen Seite sind dagegen laut und sehr penetrant.

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