Sonntag, 3. Juli 2011

Über den "mitfühlenden Liberalismus"

  1. (...) Die Idee der Freiheit finden wir in den Programmen aller politischen Parteien. Der Sozialismus beruft sich ebenso auf sie wie der Liberalismus. Für mich war und ist der Sozialismus nichts anderes als ein zu Ende gedachter Liberalismus. Die Begründung dafür finden wir in einem der bemerkenswertesten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe: "Freiheit als Privileg" von Domenico Losurdo, das 2010 im PapyRossa Verlag erschien.

    In ihm weist der italienische Philosoph nach, dass die Liberalen in ihrer Parteiengeschichte die Freiheit in der Regel als Privileg einer Minderheit verstanden haben. Die Theoretiker des Liberalismus hatten kein Problem, das hohe Lied der Freiheit zu singen und gleichzeitig die Unfreiheit und Unterdrückung ganzer Völker und benachteiligter Gesellschaftsschichten zu rechtfertigen.

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  2. Unter Westerwelle galten die Liberalen als eine Partei der gesellschaftlichen Kälte. Die schneidig-markigen Vorwürfe des ehemaligen Vorsitzenden gegenüber Hartz-IV-Empfängern hatten der FDP den Ruf eingebracht, zu einem Haifischschwarm unsozial gesinnter Besserverdienender und Karrieristen verkommen zu sein, die vor allem Lobbyinteressen im Auge hatten. Die neue Führung um Rösler und Lindner versucht der FDP nun ein neues Markengesicht zu geben. Dazu gehört der Begriff des "mitfühlenden Liberalismus", der seit einiger Zeit die Runde macht.

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Anmerkung: Dass der "mitfühlende Liberalismus" nach FDP-Art ein Brüllwitz, ein wahrer Schenkelklopfer des Orwell'schen Neusprech der ersten Liga ist, muss nicht weiter erläutert werden. Es ist an Lächerlichkeit kaum mehr zu überbieten, wie diese Schlipsträger-Riege der Karrieristen so ihre alberne Marketingstrategie durchzieht, um das drohende kontinuierliche Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde wegen ihrer schamlosen Klientelpolitik vielleicht doch noch abzuwenden.

Lafontaine ist vollkommen zuzustimmen, wenn er schreibt: "Freiheit ist das Recht eines jeden Menschen, sein Leben so weit wie möglich selbst zu bestimmen. Begrenzt wird dieses Recht durch den gleichen Anspruch der Mitmenschen. Wer am Monatsende nicht weiß, ob er noch genug Geld hat, sich und seine Familie zu ernähren, ist nicht frei. Und junge Menschen, die von einem befristeten Arbeitsverhältnis zum nächsten weitergereicht werden, scheuen davor zurück, eine Familie zu gründen. Es ist auch kein Zufall, dass der japanische Atomkonzern Tepco Leiharbeiter in die verstrahlten Reaktoren schickte. Solche Praktiken zeigen die hässliche Fratze einer Wirtschaftsordnung, in der die Freiheit als Privileg einer Minderheit begriffen wird."

Exakt so sieht das "Freiheitsbild" der neoliberalen schwarz-gelb-rot-grünen Bande natürlich aus: Alle Menschen haben die Freiheit, obdachlos durch die Wälder zu streifen oder sich zum Sterben zurückzuziehen - aber eine individuelle Freiheit in Würde und sozialer Sicherheit mit gesellschaftlicher Teilhabe für alle sieht dieses perfide Weltbild keineswegs vor. Der Text Lafontaines lohnt sich sehr - absolute Leseempfehlung.

Nur am Rande sei erwähnt, dass nicht nur in Japan, sondern selbstredend auch in Deutschland Leiharbeiter in Atomkraftwerken eingesetzt werden. Die taz schreibt dazu: "In deutschen Atomkraftwerken werden in großem Umfang Leiharbeiter eingesetzt, um auch gefährliche Arbeiten zu erledigen. Diese sind durchschnittlich einer fast doppelt so hohen Strahlenbelastung ausgesetzt wie Festangestellte, wie aus einer am Montag bekannt gewordenen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht." (Quelle)

Gerade an diesem Beispiel kann man den "mitfühlenden Liberalismus" dieser Bande deutlich erkennen, finden Sie nicht auch? - Es ist mir ein völliges Rätsel, wie diese Figuren es schaffen, sich jeden Morgen wieder im Spiegel in die eigene Fratze zu blicken und trotzdem einfach mit allem weitermachen können.

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