Sonntag, 16. Oktober 2011

Die neoliberale Einheitspolitik

Die neoliberale Einheitspolitik lässt Wahlen sinnlos erscheinen. (...)

Sozialdemokratische Parteien werden zumeist, und kaum zu Unrecht, als Teil des neoliberalen Problems, nicht als Teil seiner Lösung betrachtet. Tony Blair und Gerhard Schröder haben ganze Arbeit geleistet. Zuletzt erhebt Spaniens angeblich linke Regierung im Überrumpelungsverfahren eine "Schuldenbremse" in Verfassungsrang. Und die griechischen Sozialdemokraten, eigentlich mit einem "Social Justice"-Programm an die Macht gekommen, verfolgen heute unter dem Druck der EU-Troika eine lupenrein neoliberale Politik, die das Land in den endgültigen Ruin führen wird. Sie alle haben die Rede von der vorgeblichen Alternativlosigkeit solcher Politik zutiefst verinnerlicht. Margaret Thatchers berüchtigter Spruch "There is no alternative" ist zum Mantra der Sozialdemokratie geworden.

Die wirkliche Alternativlosigkeit liegt anderswo, nämlich im Fehlen einer politischen Alternative zu diesem Mantra und seinen Vorbetern von rechts wie von links. Genauer: einer Alternative innerhalb des Systems repräsentativer Demokratie. Dass diese Alternative nicht in Sicht ist, hat natürlich mit dem Verlust des Vertrauens nicht nur in die traditionelle Linke, sondern auch in das repräsentative System selbst zu tun. Wenn eine Regierung, um beim griechischen Fall zu bleiben, das exakte Gegenteil dessen umsetzt, wofür sie gewählt wurde, stellt sich die Frage nach dem Sinn von Wahlen überhaupt. Wo nicht mehr zwischen erkennbaren Alternativen, sondern nur noch die Alternativlosigkeit selbst gewählt werden kann, steht Demokratie als solche infrage.

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Anmerkung: Dieser Text ist eine lesenswerte Bestandsaufnahme der momentanen europäischen Einheitspolitik der neoliberalen Bande. Leider vergisst der Autor jedoch, auf spezifische Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern hinzuweisen, wie beispielsweise die Besorgnis erregende Erstarkung der Rechtspopulisten (die im Allgemeinen jedoch im trüben neoliberalen Einheitsbrei mitfischen) und die tatsächlich vorhandenen politischen Alternativen - in Deutschland etwa die Piraten oder die Linke.

Anders als der Autor sehe ich die Demokratie durch diese nicht unterscheidbaren neoliberalen Einheitsparteien aber nicht nur in Frage gestellt, sondern de facto längst außer Kraft gesetzt. Was in Spanien, Griechenland und selbstredend auch in Deutschland und den anderen EU-Staaten geschieht, hat mit Demokratie nichts zu tun - es ist das pure Mästen und schamlose Bereichern von Superreichen auf Kosten der Bevölkerungen und der Sozialstaaten. Darüber wird von den Propagandamedien nur niemand informiert, denn diese Medien spielen allesamt das große Theaterstück mit, das uns allen vorgaukeln soll, es gebe signifikante Unterschiede zwischen der CDU, der SPD, der FDP und den Grünen. Es ist extrem seltsam, dass diesem absurden Schauspiel noch immer so viele Menschen auf den Leim gehen - schließlich können wir seit Jahrzehnten verfolgen, dass es vollkommen egal ist, wer gewählt wird, denn das politische Handeln bleibt stets dasselbe. Das trifft keineswegs nur auf Deutschland, sondern auf ganz Europa und natürlich auch auf die USA mit ihrem grotesken Zwei-Parteien-Einheitssystem zu.

Im Fazit bin ich wieder ganz bei Oliver Marchart, wenn er schreibt: "Das bedeutet, dass die sozialen Bewegungen in Europa schlecht beraten wären, wollten sie sich mit dem Ruf nach einer 'wahren' Demokratie begnügen. Man wird vielleicht nicht überall eine neue Partei gründen, wofür es zumindest in Israel Anzeichen gibt. Aber man darf der repräsentativen Demokratie auch nicht den Rücken kehren. Linke Politik wird das Dilemma nur überwinden können, wenn sie auch auf repräsentativer Ebene am Aufbau einer Alternative arbeitet." - Hinzuzufügen wäre da noch, dass jene Alternative nicht wieder so schnell und umfassend korrumpierbar sein darf, wie das in Deutschland mit der SPD und den Grünen geschehen ist. In diesem Zusammenhang ist es dringend geboten, generell wieder über die Bedeutung und Beschneidung von Macht und Privatbesitz nachzudenken. Es reicht nicht aus, eine "echte" linke Partei ins kapitalistische Wettbewerbsrennen zu schicken, solange es zeitgleich wenige Superreiche auf der einen und massenweise Armut, Abhängigkeit und Elend auf der anderen Seite gibt.

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