Freitag, 11. November 2011

Hessel: "Die Sozialdemokratie existiert nicht mehr"

Mit dem Pamphlet "Empört euch!" inspirierte er Hunderttausende, auf die Straße zu gehen. Der 94-jährige ehemalige Widerstandskämpfer Stéphane Hessel erzählt, wieso Utopien wichtig sind, was ihn an der Sozialdemokratie stört und warum er den Vorwurf des Antisemitismus gerne erträgt.

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Anmerkung: Dieses Interview bitte unbedingt lesen - es kommt nicht so oft vor, dass ein weiser, alter Mensch so ausführlich öffentlich Stellung beziehen kann. Man muss nicht allen seinen Ausführungen zustimmen - auch Hessel ist "nur" ein Mensch -, Denkansätze bietet er in diesem Gespräch jedoch mehr als komische Figuren wie Merkel, Steinbrück, Trittin und Rösler dies zusammen in ihrer ganzen Lebenszeit tun könnten.

Insbesondere (aber bei weitem nicht nur) seiner Bewertung der Sozialdemokratie stimme ich zu. Das Bild, das beispielsweise die heutige SPD in Deutschland (in anderen Ländern ist es genauso erbärmlich) bietet, kann man nur noch als absurdes Zerrbild der Sozialdemokratie oder als rot angepinselten Klon der schwarz-gelben Demokratieheuchler ansehen. Diese blassroten, grünen, schwarzen und gelben Flitzepiepen sind allesamt nichts weiter als die Blockflöten der NED (Neoliberalen Einheitspartei Deutschlands). Erst heute las ich dazu einen kleinen Text des SPD-Mitglieds Albrecht Müller.

Die SPD bleibt damit ihrer Tradition treu: In schwierigen Krisenzeiten schlägt man sich auf die Seite des Kapitals und verrät die eigenen Wähler und sämtliche Werte ... das war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts so, folgerichtig ist das auch heute (nicht erst seit Boss-Genosse Schröder) so. Marc-Uwe-Kling hat das 2008 auf den Punkt gebracht - geändert hat sich seitdem selbstverständlich nichts:



[Schade, dass er nicht singen kann ... ;-)]

Atomlobby unterwandert Universitäten

Deutsche Atomkonzerne finanzieren etwa 30 Professuren - und bestimmen damit maßgeblich, worüber an Universitäten diskutiert wird. Manche Institute wirkten schon wie getarnte Subunternehmen von Eon und RWE (...)

Allein der Energiekonzern EnBW hält elf Stiftungsprofessuren an deutschen Hochschulen. Eon stiftete etwa für das Forschungsinstitut für Energie der Rheinisch-Westfällische Technische Hochschule (RWTH) Aachen die stolze Summe von 40 Millionen Euro und finanziert damit gleich fünf Professuren des Instituts. Einer davon ist Bruno Thomauske, Professor für das Fach "Nuklearer Brennstoffkreislauf". Früher war er bei Vattenfall – heute liefert er entscheidende Gutachten für die Bundesregierung über das Atomendlager Gorleben.

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Anmerkung: Die neoliberale Zerstörung der Hochschullandschaft nimmt unaufhaltsam ihren Lauf - dies sind erst die anfänglichen Verwerfungen, die die neoliberale "Hochschulfreiheit" produziert. Dieser Prozess der Kommerzialisierung und Unterwanderung der Hochschulen wird noch viel absurdere Formen annehmen - von Orwells "1984" sind wir offenkundig nicht mehr weit entfernt.

Lobbyismus, Propaganda und Korruption allenthalben - auch den Wissenschaften ist längst nicht mehr zu trauen. Bewiesen haben das seit längerem (und sehr nachdrücklich) u.a. die Ökonomen - die Physiker sind nun die nächsten, die dem Zugriff der Konzerne wehrlos ausgeliefert sind und massenweise wissenschaftlich haltlosen Quatsch als "Wahrheiten" publizieren werden bzw. dies bereits tun, wie im Text angedeutet.

Die neoliberale Bande fabuliert derweil weiter von der "Wissensgesellschaft", dem "Informationszeitalter" und ähnlich grotesken Albernheiten, während an den Unis von Konzernen bezahlte Marionetten den Studierenden das "Wissen vermitteln" ...

Einmal mehr wähnt man sich bei solchen Nachrichten in einem gruseligen Paralleluniversum, in dem jeder undenkbare Wahnsinn bittere Realität ist. - Aufwachen - ich möchte aufwachen, bitte!

Mittwoch, 9. November 2011

Zitat des Tages: Herbstlied im Kapitalismus

Herr, es ist Zeit. Sehr frei. Und heiß. Und gut.
Wir haben selbst uns auf dem Rost gewendet
und unser Fett verschwendet an die Glut.

Was hier nicht reifte, wird herangefahren
von Süd nach Nord und stündlich, Sack um Sack.
Der Mensch. Der Held. Nach zehn Millionen Jahren
kann er schon saufen aus dem Tetrapack.

Wer hier ein Haus baut, lebt auch auf Kredit,
und wer kein Dach kriegt, muss den Himmel tragen.
Den Donner hat der Blitz noch nie erschlagen.
Wer einsam bleibt, weiß, dass ihm Recht geschieht.

Er wird, wenn wir längst schlafen, ohne Ruh
aus dem Papierkorb unsre Lügen klauben.
Mit denen deckt er bis zum Hals sich zu.
Sie wärmen ihn. Er braucht sie nicht zu glauben.

Die Briefe, die er schreibt, schickt er nicht los.
Es fehlen das Kuvert ihm und die Marken.
Er schreibt sie nicht einmal. Sein Kopf ist groß.
Die wirren Sätze können darin parken.

Nur seine Finger wandern hin und her
auf den vom ersten Frost bemalten Scheiben,
bis ihn die Hunde früh um sechs vertreiben.
In den Alleen siehst du ihn nicht mehr.

(Henry-Martin Klemt [*1960]: Was ich will. Lieder und andere Begegnungen. Frankfurt/Oder 2008. Frei nach Rilke.)

Der andauernde Triumphzug des neoliberalen Scheiterns

  1. Der bittere Befund: Auch Rot und Grün und viele Medien kleben an der Agenda 2010 und den dahinter steckenden neoliberalen Vorstellungen

    Dieser Befund ist nicht unbedingt neu. Aber man gibt sich – auch ich gebe mich – gelegentlich der Hoffnung hin, unter dem Eindruck des offensichtlichen Scheiterns der neoliberalen Theorie würden sich zumindest Rot und Grün und einige Medien eines Besseren besinnen. Das ist leider nicht der Fall. Die aggressive Reaktion auf das Grundsatzprogramm der Linken ist ein aktueller Beleg dafür. Die programmatischen Festlegungen der Linken sind in wichtigen Teilen ein Spiegel, den die Linkspartei der SPD und den Grünen [vorhält]. Sie erkennen darin, dass sie wichtige und richtige eigene Positionen verlassen und verraten haben.

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  2. Schon nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank im September 2008 las der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch mit dem Buch "Postdemokratie" dem Neoliberalismus die Leviten. Jetzt erklärt er, warum der Totgesagte eigentlich immer noch so erstaunlich lebendig ist. (...)

    "Denn die Krise des Keynesianismus [in den 70er Jahren] führte nicht deshalb zu seiner Abschaffung statt zu einer Reform oder Anpassung, weil irgendetwas an seinen Ideen grundsätzlich falsch gewesen wäre, sondern weil die Schicht, deren Interessen er vertrat - die Arbeiterschaft der westlichen Industrieländer - sich in einem historischen Niedergang befand und ihre gesellschaftliche Macht zu verlieren begann. Im Gegensatz dazu haben die Kräfte, die heute vom Neoliberalismus profitieren - globale Konzerne insbesondere des Finanzsektors -, keineswegs an Einfluss verloren. (Obwohl die Banken für die Krise 2008/2009 verantwortlich waren, gingen sie gestärkt aus ihr hervor.)"

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Anmerkung: Beide Texte sind zur Erklärung der ungebrochenen Macht des Neoliberalismus, die nach seinem offensichtlichen (und vorhersehbaren) Scheitern rational kaum erklärbar ist, hilfreich. Allerdings ist beiden Autoren vorzuwerfen, dass sie auch weiterhin im kapitalistischen Denken verharren - sie wollen den Kapitalismus "reformieren", anstatt ihn, wie die Linke es formuliert, zu überwinden. Eine solche Rückkehr zur "guten, alten Zeit" des Kapitalismus, in der er angeblich an die Leine gelegt und streng reguliert war, kann es indes nicht geben - aus mehreren Gründen:

  1. Einen "guten Kapitalismus" hat es nie gegeben - in der Zeit zwischen 1948 und den 70er Jahren waren die meisten Leidtragenden dieses Systems lediglich noch nicht so unübersehbar auch in den westlichen Industrienationen zu finden, sondern in anderen, fernen Regionen der Welt. Leid, Hunger, Ausbeutung, Tod, sich anhäufender Reichtum bei sehr Wenigen und katastrophale Natur- und Resourcenzerstörungen hat es auch in dieser Zeit gegeben - auch wenn das noch nicht von allen gleichermaßen wahrgenommen wurde. Die Revolte 1968 hat ja nicht deshalb stattgefunden, weil alles zum Besten bestellt war - es war eine antikapitalistische Revolte, die auch damals schon die furchtbaren Auswirkungen dieses kruden Systems auf die Menschheit und die Welt gesehen hat.


  2. Heute hat der Kapitalismus Formen und Dimensionen angenommen, die nicht mit 1968 oder den 70er Jahren vergleichbar sind - der Vergleich mit 1928 ist da schon näherliegender (vgl. Hickel: "Gesamtwirtschaftlicher Analphabetismus oder Brüning lässt grüßen" [pdf]). Was auf die schrecklichen neoliberalen Auswüchse nach 1928 folgte, dürfte hinlänglich bekannt sein.


Es lohnt sich sehr, das viel gescholtene Grundsatzprogramm der Linken einfach mal zu lesen - die dort formulierten Gedanken, Pläne und Ziele kann ich nahezu ausnahmslos befürworten. Wieviel davon bei einer eventuellen Regierungsbeteiligung der Linken allerdings tatsächlich in die Tat umgesetzt werden würde, steht auf einem anderen Blatt.

Während wir aber noch lesen, donnert der neoliberale Katastrophenzug unter CDU-, FDP-, SPD- und grünem Applaus unaufhaltsam auf den Abgrund zu.

Sonntag, 6. November 2011

Die BLÖD-"Zeitung" hat's geschafft: Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein

Griechen raus!

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Anmerkung: Ich nehme die BLÖD-"Zeitung" mangels Relevanz ja nicht zur Kenntnis, bin nun aber über den Bild-Blog auf diesen Beitrag gestoßen - und kann nur noch festhalten, dass dieses nicht repräsentative, neoliberale Fischeinwickelblatt es tatsächlich geschafft hat, dass ich mich zurzeit schäme, ein Deutscher zu sein.

Lest den Bild-Blog-Beitrag, schaut euch die Screenshots an - die BLÖD-"Zeitung" gräbt selbst in den tiefsten Untiefen der Kanalisation noch Gruben, um ihr eigenes Schmierenniveau stetig zu unterbieten.

Liebe Griechen, nehmt das Geplärre dieser Gossenbande bitte nicht zu ernst - ich bin sicher, dass es auch in Griechenland ähnliche nach Fäkalien duftende Vertreter in der "Medienlandschaft" gibt, die ihr ebenfalls nicht ernst, sondern lediglich als Kartoffelschalen-sammelmappe nehmt, nicht wahr?

Gut ... es gibt noch viele andere Gründe, weswegen man sich seit einigen Jahrzehnten wieder einmal schämen sollte, Deutscher zu sein - eine vollständige Aufzählung würde den Rahmen dieses Beitrages deutlich sprengen. Kriege gehören dazu, gezielte Verarmung und Schikanierung der Bevölkerung zugunsten der Superreichen, die Missachtung der Menschenrechte, staatliche Gestapo-Überwachungsmethoden und so vieles, vieles mehr. Aber was sich diese windige Bande der Springer-"Presse" hier geleistet hat, grenzt nicht mehr nur - wie gewohnt - an grobe Volksverdummung und schlichte Lügen- und Propagandageschichten, sondern an faschistische Volksverhetzung und die völlige Verkehrung der Wirklichkeit in ein wahnhaftes Feind-Weltbild, das jeder rationalen, logischen Wahrheit entbehrt.

Wer sich über die Bankenkrise, die keine "Schuldenkrise" und auch keine "Griechenland-Krise" ist, ernsthaft informieren möchte, sei u.a. auf die Nachdenkseiten verwiesen.

Es wird offensichtlich Zeit, einem alten Ruf wieder zu neuem Leben zu verhelfen: Enteignet Springer! Diese permanenten Schmutz- und Propagandakampagnen ohne jeden Informationswert müssen endlich aufhören - das hat nichts mit "Pressefreiheit" zu tun, sondern nur noch mit der Frage, wie stark man seinen pressenden Brechreiz kontrollieren kann, wenn man solche Pamphlete tatsächlich liest.


(Bild: Charlie / onlinewahn.de)