Samstag, 3. Dezember 2011

Ein etwas anderer Bericht aus Amerika

1999 gründete [Sole] das Label Anticon und revolutionierte damit die Rapmusik. Jetzt ist der Antiheld des US-Hip-Hop eine zentrale Figur der Occupy-Proteste in Denver. (...)

Sole: Anders als die USA ist die Schweiz kein Drittweltland. Wir aber haben alles verloren. Den Wohlstand. Die Moral. Den Humor. Wir haben Barack Obama gewählt. Er hat uns Hoffnung auf einen nötigen Wandel gemacht. Er hat alle Versprechen gebrochen. Obama ist ein Mann der Wall Street, ein neuer Ronald Reagan. (...)

Wir sind vor allem auch moralisch völlig am Anschlag. Ich bin kein Ökonom. Ich weiß nur, dass der Preis eines Marschflugkörpers dem Jahreslohn von vierzig Lehrern entspricht. Wir streichen Lehrerstellen, weil wir andere Länder zerbomben und dann neu aufbauen müssen. Das ist alles, was von Obamas Versprechen geblieben ist. Darum die Explosion: Die Bewegung entstand vor sechs Wochen an der Wall Street. Inzwischen protestieren in 1200 Städten Millionen von Menschen. (...)

Die USA sind die größte Macht in der Geschichte der Menschheit. Konzerne bestimmen über unser Leben. Sie bestimmen Politik, ihnen gehören die Medien. Das Occupy-Modell ist direkte Demokratie, totale Transparenz. Keine Geheimdeals, keine Absprachen in Hinterzimmern. Sie müssen wissen: Es gibt in den USA keine funktionierende Linke mehr. Die Linke hatte den Achtstundentag erkämpft. Wie lange ist das her? Siebzig Jahre? Dann wurde sie systematisch geschwächt und unter Reagan beerdigt.

Die einzigen Linken, die gehört werden, sind Akademiker. Noam Chomsky zum Beispiel. Diese radikalen Professoren gibt es überall, sie sind extrem populär, aber sie haben keine Macht. Zum ersten Mal, seit ich lebe, stehen in den USA Leute für ihre Rechte auf: ältere Ladys, fünfzigjährige Arbeiter, junge Anarchisten, Kids, Studentinnen, Ex-Cops und unzählige Veteranen aus dem Irak, aus Afghanistan, Vietnam, Somalia, Kolumbien, Panama. Alle sagen dasselbe. (...)

Ich bin nicht naiv. Das hier ist nicht Tunesien. Wir legen uns mit einer Macht an, die unbesiegbar ist. Der einzige Mensch in den USA, der mehr Morddrohungen erhält als George W. Bush, ist Michael Moore, der sich seit zwanzig Jahren für die Leute in diesem Land engagiert. Was sich aber extrem schnell geändert hat, ist die Art der Kommunikation. (...)

In einem Land, das regiert wird durch Geheimabsprachen und Hinterzimmerdeals, ist direkte Demokratie die totale Revolution.

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Anmerkung: Nach der bisherigen Berichterstattung über die aktuelle Situation in den USA war ich der Meinung, dass die neoliberale Propaganda und mediale Gleichschaltung dort weitestgehend funktionieren und es kaum gesellschaftlichen Protest gibt. Dieser Rapper aus Denver zeichnet nun ein etwas anderes Bild - eines, das wesentlich mehr Protestpotential in sehr vielschichtigen Bereichen der amerikanischen Gesellschaft vermuten lässt. Falls das stimmt, wäre das fantastisch ... aber vielleicht ist hier auch nur der Wunsch der Vater des Gedankens? Formulierungen wie "Alte Damen stellen sich vor uns, lassen sich für uns von Schlagstöcken die Arme brechen, und es ist ihnen egal. Das ist toll!" lassen das jedenfalls vermuten.

Andererseits ist es sicherlich hilfreich, wenn solche Meinungen (wenn auch natürlich nicht in den Mainstreammedien) verbreitet werden. Ich weiß nicht, wie populär dieser Sole ist - mit Rap-Musik habe ich nichts am Hut -, aber wenn er diese Popularität dafür nutzt, revolutionäre Samen zu streuen, ist das doch sehr zu begrüßen.

Wieder einmal fällt hier aber eine - wohl "typisch amerikanische" - Ignoranz sehr unschön auf: Selbst diesem Rapper erscheint es offenbar als völlig selbstverständlich, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, einen selbst angebauten Drei-Jahres-Vorrat (sic!) an Gemüse im Keller oder sonstwo einzufrieren, um "unabhängig" zu sein. Wie grotesk eine solche Vorstellung für die überwältigende Mehrheit der Menschen - sicherlich auch in den USA - ist, fällt ihm offenbar nicht einmal auf. Wer sich so viele Tiefkühltruhen samt dem notwendigen Platz und Strom dafür leisten kann, hat offenbar den Blick für die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen völlig verloren.

Schizophren geht die Welt zugrunde.

Das teuflische Grinsen von der Leyens

Sie grinst. Dafür hat sie gute bzw. schlechte Gründe. Ihr Ehemann aus der Dynastie der Krefelder Seidenbarone von der Leyen kann sich als staatlich alimentierter Professor risikofrei als Unternehmer betätigen. Sie bekommt sieben mal Kindergeld vom Staat, nein besser: Sie kann sieben mal den viel höheren Kinder-Steuervorteil der Vermögenden zum Ministergehalt dazuschlagen. Irgendwie müssen die zahlreichen Hausbediensteten auf dem schlossartigen Familienanwesen in Burgdorf-Beinhorn schließlich bezahlt werden.

Sie ist nicht die Powerfrau, als die sie sich vortäuscht, sondern ein Kunstprodukt der Gossenpresse. Die "promovierte Gynäkologin" ist keine, einen Facharztabschluss hat sie nicht. Der "Aufenthalt in Stanford" suggeriert Lehr- oder Forschungstätigkeit an der kalifornischen Elite-Universität, doch dort war sie nur als Anhängsel ihres Karrieremannes. (...)

Natürlich in [der BLÖD-"Zeitung"] verkündet sie, dass die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger noch konsequenter angewandt werden. Deutschland führt: "Im internationalen Vergleich ermöglicht Hartz IV die strengsten Sanktionen", jubelt sie.

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Anmerkung: Auch dieser Beitrag Werner Rügemers aus dem Buch "Lügenbarone und Ganoven" ist sehr zu empfehlen, um sich ein erstes Bild von dieser aalglatten, evangelikalen Asozialen zu machen. Wer noch ein wenig mehr erfahren möchte, sollte sich diesen Insider-Bericht eines IT-Experten über das Zustandekommen des "Zugangserschwerungsgesetzes" (besser bekannt als "Netzsperren") zu Gemüte führen, das ja unter der Feder von der Leyens entstanden ist - und inzwischen ausgesetzt wurde und wieder abgeschafft werden soll. Jener Experte kommt zu dem schnöden Fazit:

"So kam das deutsche Zugangserschwerungsgesetz zustande. Und so ähnlich werden vermutlich auch zukünftig Gesetze zum Internet zustandekommen. Erst war es ein Irrtum, auf dem Ignoranz und Inkompetenz massiv wucherten. Und dann war es eine wissentliche Täuschung der Öffentlichkeit, um den Gesichtsverlust zu vermeiden."

Darin sind die teuflisch grinsende von der Leyen und ihre Kumpane und Gesellinnen der neoliberalen Bande wirkliche Experten: in der wissentlichen Täuschung der Öffentlichkeit. Auf anderen Gebieten - wie z.B. dem asozialen Herumhacken auf Armen, Kranken, Alten und Behinderten - gibt die Bande sich nicht einmal mehr die Mühe eines Versuchs der bewussten Täuschung - das tut sie schamlos, niederträchtig und unverfroren nämlich meist ganz offen.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Georg Schramms "Aufruf zur Revolution"



Der "antisoziale Mensch" aus neoliberaler Sicht: Eine Farce

Wenn es zu Unruhen und Aufständen kommt, dann könnten auch soziale Probleme eine Ursache sein. Großbritannien wurde im Sommer von [Aufständen] erschüttert, die plötzlich aufbrachen, die Menschen ansteckten und sich verbreiteten, aber bald wieder erloschen. Die Regierung griff hart durch und sprach von den Folgen einer "zerbrochenen Gesellschaft", in der vielen die Disziplin fehlt, von "egoistischen Menschen ohne Moral und ohne Verantwortung".

Der britische Justizminister sah wie der Rest der Regierung die Heilung in Strenge und Unterwerfung der "wilden Unterschicht". Ausfindig gemacht wurden 120.000 Problemfamilien der Unterschicht, die besonders betreut oder vielmehr beobachtet werden müssten. Präventiv sollen Kinder schon möglichst ab Geburt überwacht werden, um schnell eingreifen zu können. Kein Wunder, dass in einer solchen Atmosphäre auch die Idee von Schulen propagiert wird, in der ehemalige Soldaten den Schülern mit dem Ansatz von Nulltoleranz die angeblich notwendige Disziplin beibringen sollen.

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Anmerkung: Es ist nur noch eine lächerliche Posse aus Absurdistan. Da propagiert, fordert und fördert die neoliberale Bande seit Jahrzehnten ein asoziales, egoistisches Verhalten, lebt dies auch in aller Ausführlichkeit vor - und entdeckt nun die Gründe für Aufstände, Plünderungen, Konsumwahn etc. ausgerechnet in bestimmten Menschen, die in Armut leben müssen und als "antisozial" beschimpft werden. Merkt von diesen Schlips-Borg eigentlich noch jemand, was für einen hanebüchenen, debilen Irrsinn sie da verzapfen??

Gerade in England ist die neoliberale Zerstörung ja bereits sehr weit fortgeschritten - dort ist man schon seit Thatchers Zeiten damit beschäftigt, den Sozialstaat aufzulösen und die Menschen zu drangsalieren, zu überwachen, gnadenlos auszubeuten und zu verarmen. Die Maßnahmen, die gegen diese Menschen in Britannien egriffen wurden, lesen sich im Text wie ein menschenverachtender Horrorkatalog, der auch auf die Bürger hierzulande und im restlichen Europa wartet.

Wäre es nicht eine solche faschistoide Farce, müsste man die neoliberale Bande schallend auslachen - eine Bande von egoistischen, habgierigen Asozialen bezichtigt zwangsverarmte Menschen einer "antisozialen Persönlichkeit". Ich wünsche Cameron und seinen Kumpanen noch eine Menge weiterer "Riots" - mögen sie sich auf das ganze Land ausbreiten und dieses schlipstragende Gesindel aus dem Land jagen.

Jean-Claude Juncker - Europas Ausverkäufer

"Ich würde es sehr begrüßen, wenn unsere griechischen Freunde nach dem Vorbild der deutschen Treuhandanstalt eine regierungsunabhängige Privatisierungsagentur gründen würden. Sie sollte auch mit ausländischen Experten besetzt sein." Luxemburgs Premierminister Juncker will Griechenland "retten". Doch der christlich lackierte Biedermann aus dem kleinsten Mitgliedsstaat der Europäischen Union agiert als Bauchredner deutscher und internationaler Bankster.

"Unsere griechischen Freunde": Dies hinterfotzige Süßholzgeraspel meint, dass korrupte griechische Politiker den Ausverkauf ihres Staates betreiben sollen. "Vorbild der deutschen Treuhandanstalt": Der Kohl-Imitator ist nicht nur ewiger Premierminister des großherzoglichen Puppenstaats, sondern war bis 2009 auch 20 Jahre lang Finanzminister. Vom Cheflobbyisten der zweitgrößten Finanzoase der Welt wurde er zum Cheflobbiysten der europäischen Großbanken. In Luxemburg residierten nach der Schweiz die meisten Briefkastenfirmen, über die die Treuhand das Vermögen der DDR verscherbelte und Ostdeutschland zur kolonisierten Sonderwirtschaftszone mit hoher Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen machte.

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Anmerkung: Das von Peter Sodann herausgegebene Buch "Lügenbarone und Ganoven", dem dieser Beitrag von Werner Rügemer entnommen ist, kann ich nur wärmstens empfehlen. Der verlinkte Text ist wahrlich herzerwärmend, da er mit wenigen, prägnanten Worten ein Mitglied der neoliberalen Brandstifterbande als schamlosen, raffgierigen, asozialen Lobbyisten der Finanzmafia entlarvt. In unseren gleichgeschalteten Mainstreammedien suchen wir derlei Informationen ja vergeblich - da ist auch der fiese Herr Juncker stets ein "Ehrenmann".

Dienstag, 29. November 2011

Italien und die Kettenhunde Merkels

"Es ist unerträglich, dass die italienische Politik nicht mehr vom selbstgewählten Parlament, sondern durch die Finanzmärkte und Frau Merkel diktiert wird. Die Bundeskanzlerin benutzt die Finanzmärkte, um in der gesamten Eurozone Lohn- und Sozialdumping zu erpressen. Es ist gut, dass Berlusconi weg ist. Es ist schlecht, dass die neue italienische Regierung – egal welche - zu einer selbstzerstörerischen Sparorgie gezwungen wird", kommentiert Sahra Wagenknecht die heutige Abstimmung über das Sparpaket im italienischen Senat.

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Anmerkung: Die Diktatur nimmt ihren Lauf. Nach Griechenland und Italien sind Portugal und Spanien die nächsten, aber keineswegs letzten Kandidaten, denen fremdbestimmt der neoliberale Wahnsinnskurs von Merkel, Sarkozy & Co. aufgezwungen wird. Dabei ist es vollkommen unerheblich, welche Namen die vor Ort eingesetzten Parteien und Personen haben. Ob "Sozialdemokraten" oder "Konservative" - der Kurs, den sie auf Geheiß der deutsch-französischen neoliberalen Wahnsinnigen verfolgen müssen, ist stets derselbe.

Das ist schon kein Zündeln am Pulverfass mehr, was diese Verrückten da betreiben - sie legen gleich massenhaft angezündete Wunderkerzen in die Fässer hinein und scheinen eine diebische Freude dabei zu haben, darauf zu warten, wann es wohl endlich ausufernd kracht. Mit Arroganz, Ignoranz oder schlichter Dummheit ist das nicht mehr erklärbar - es muss wohl Vorsatz sein.

Das schönste an der ganze Sache ist: Nicht nur die Marionetten der hochoffiziell entdemokratisierten Länder sind austauschbar - diejenigen, die sie eingesetzt haben, sind es auch! Wenn Merkel oder Sarkozy irgendwann mal genug Geld gescheffelt haben und abtreten, treten einfach die nächsten Borg aus dem Hintergrund an ihre Stelle und machen mit demselben Spiel weiter. Man muss konstatieren: Die Menschen haben aus der Geschichte nichts gelernt - sie wiederholen sie einfach. Die "Elite" hingegen hat offenbar sehr wohl gelernt, denn diesmal scheint sie es tatsächlich geschafft zu haben, eine Diktatur mit auswechselbaren Führungs-Marionetten in einer fast funktionierenden Scheindemokratie zu errichten.

Lange funktionieren wird das indes nicht, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis das erste Fass explodiert. Ob daraus ein dritter Weltkrieg hervorgeht oder aber eine weitergehende globale Diktatur, ist jenen "Elitären" allerdings egal - denn beides wäre gleichermaßen profitabel für sie. Eigentlich steht nur eines fest: Solange der Kapitalismus und dieses Geldsystem nicht rückstandsfrei entsorgt worden sind, solange wird der Albtraum der Menschheit, in dem sie sich seit Jahrhunderten in immer wiederkehrenden Zyklen befindet, fortdauern.

Griechenland: Jenseits der Demokratie

Nach fünf Tagen Verhandlungen hat man sich in Athen am Donnerstagnachmittag auf den Nachfolger von Ministerpräsident Giorgos Papandreou geeinigt. Loukas Papadimos, im Ausland anglifiziert als Lucas Papademos bestens bekannt, soll bis auf weiteres die Fäden in Griechenland ziehen. Der ehemalige Vizechef der Europäischen Zentralbank gehörte sicherlich zu den Wunschkandidaten sowohl der einheimischen als auch der in Brüssel und Washington herrschenden Eliten. Hatte er sich doch schon zu seiner Amtszeit als Präsident der griechischen Nationalbank lang vor der Krise für eine rigorose Umverteilungspolitik zugunsten des Kapitals eingesetzt. (...)

Bis zu einer Rückkehr zur regulären parlamentarischen Demokratie kann nun beliebig viel Zeit vergehen. Denn Papadimos hat die Übernahme des Amtes von der Rücknahme des Wahltermins am 19. Februar nächsten Jahres abhängig gemacht.

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Anmerkung: Was soll man dazu noch sagen – eine nicht gewählte, demokratisch nicht legitimierte "Regierung", die den regulären nächsten Termin für eine neue Wahl nicht anerkennt – mitten in Europa und auf Geheiß der stärksten europäischen Führungen installiert ... – Mehr muss man eigentlich nicht wissen um zu erkennen, dass wir in einer Diktatur leben.

Ich hoffe sehr, dass die Menschen in Griechenland diesen Putsch nicht einfach akzeptieren, sondern richtig Randale machen und das neue Unrechtsregime alsbald stürzen!

Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn ausgerechnet Griechenland – die Wiege der Demokratie – heute zur Leichengruft der Demokratie mutierte. Aktuell sieht es aber genau so aus.

Nebenbei wirft dieser Vorgang ein sehr erhellendes Licht auf das (nicht vorhandene) Demokratieverständnis der in anderen europäischen Staaten herrschenden neoliberalen Banden – allen voran wieder einmal Deutschland. Merkel hat genauso viel Demokratie in ihrem Blut wie Bush, Honnecker, Schröder oder Kohl.

Bemerkenswert an diesem Vorgang ist vor allem, dass in Griechenland ein streng neoliberal agierender Pseudosozialist weggepuscht wurde, um von einem noch viel strengeren Neoliberalen ersetzt zu werden ... allein dieser an sich absurde Vorgang zeigt uns schon, dass die kapitalistische Zerstörung ihrem großen Finale entgegen driftet. Anders ist das kaum mehr erklärbar.

Vor allem die Armen, die Migranten, die gesellschaftlichen Minderheiten überall in Europa sollten sich sehr warm anziehen, denn die kommende Zeit wird brutal und hart. Der Angriff der Superreichen geht in seine finale Phase.

Update 30.11.11: Die griechische Publizistin und Ökonomin Nadia Valavani hat eine bemerkenswerte Rede zu diesem Thema gehalten - bitte unbedingt lesen!

Die Absurditäten des Kapitalismus: Beispiel Telekom

Telekom legt dank Sparprogramm deutlich zu

Die Deutsche Telekom hat ihren Gewinn im dritten Quartal deutlich gesteigert. Das Konzernergebnis stieg um 14,6 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro, wie die Telekom am Donnerstag (10.11.2011) in Bonn mitteilte. Das Ziel des Sparprogramms sei damit fast erreicht. Insgesamt seien seit 2010 knapp vier Milliarden Euro eingespart worden. Als Ziel hatte die Telekom für den Zeitraum von 2010 bis 2012 4,2 Milliarden Euro vorgegeben.

Telekom-Chef René Obermann stimmte den Konzern auf weitere harte Jahre ein. Zudem sei man mit einem Sättigungsproblem konfrontiert: Jeder zweite Inhaber eines Festnetzanschlusses verfüge inzwischen über einen Breitbandanschluss, und die Zahl der Mobilfunkkunden in Deutschland stagniere im Jahresvergleich. Da der Preisverfall im Telekommunikationsmarkt drastisch bleiben werde, müsse die Telekom trotz bisheriger Erfolge auch künftig sparen. Für Lohnerhöhungen in der anstehenden Tarifrunde gebe es keinen Spielraum.

(Quelle)

Anmerkung: Diese Meldung, vom WDR tatsächlich unkommentiert so ins Netz gestellt, muss man sich genüsslich und langsam - Aussage für Aussage - auf der Zunge zergehen lassen ... und schon hat man die Perversion des kapitalistischen Systems erkannt.

Zusammengefasst könnte man es so wiedergeben: Damit die deutliche Gewinnsteigerung des Konzerns im dritten Quartal (die auf "Sparmaßnamen" in Milliardenhöhe - also auf Entlassungen, Arbeitsplatzabbau, Auslagerung von Jobs, Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, schlechteren Dienstleistungen für Kunden etc. - beruht und von der einzig die Aktionäre - also die Superreichen - etwas haben) auch weiterhin gesteigert werden kann, müssen die Daumenschrauben bei den Beschäftigten und Kunden weiter hart angezogen werden. Und nebenbei stellt man noch wie aus heiterem Himmel fest, dass der Telekommunikationsmarkt nicht unendlich wachsen kann. Upps. Darauf hätte auch wirklich niemand früher kommen können, dass es vielleicht mal eine Zeit gibt, in der fast jeder schon einen Telefon- und Internetanschluss hat und der "innovative Fortschritt" der Technik auch kein künstliches Wachstum mehr generieren kann ...

Die Profite müssen trotzdem immer weiter steigen - und wenn die Kunden sich nicht mehr vermehren lassen oder nicht noch mehr bezahlen wollen oder können, muss man den Profit eben durch "Sparmaßnahmen" erzeugen - also durch schlechtere Leistungen und zunehmende Ausbeutung der Angestellten. Genau dies teilt uns die Telekom und der WDR hier lapidar - quasi zwischen Tür und Angel, als sei es das Normalste von der Welt - mit.

Na denn ... sie machen kein Geheimnis mehr aus ihren perfiden Angriffsplänen ... es ist an uns, endlich angemessen auf diese Kriegserklärung (oder besser: den längst begonnenen Krieg gegen uns) zu reagieren.

Eine Lösung wäre so einfach, wenn sie denn politisch gewollt wäre: Der Konzern muss wieder verstaatlicht werden, die Vorstände und andere völlig überflüssige Multimillionäre sind zu entlassen, die bereits abgezogenen Profite der letzten Jahrzehnte müssen enteignet und an den Staat zurückgezahlt werden - und schon hätten wir ein wundervoll funktionierendes, nicht profitorientiertes Telekommunikationsnetz, in dem Kunden wesentlich geringere Preise zahlen müssten und Angestellte wesentlich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen hätten. - Es versteht sich von selbst, dass die neoliberale schwarz-gelb-rot-grüne Bande seit Jahrzehnten genau den entgegengesetzten Kurs (euphemistisch "Privatisierung" genannt) verfolgt - mit eben diesem katastrophalen Ergebnis.

Sonntag, 27. November 2011

Verzweifelt gesucht: die Realität

Unsere Wirklichkeit ist nichts Gegebenes, sie ist im besten Fall ein Rätsel. Und, glaubt man großen Philosophen, ein fast unlösbares. Wenn wir nach ihr suchen, finden wir, wie in einem Spiegel, immer wieder uns selbst. Ein Streifzug durch die Welten der Spiritualität, Wissenschaft, Filme und Computerspiele zeigt: Wir interpretieren, verzerren, ja erschaffen andauernd, was wir wahrzunehmen glauben.

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Anmerkung: Ich schätze die Texte Roland Rottenfußers, der u.a. das Webmagazin Konstatin Weckers (Hinter den Schlagzeilen) redaktionell betreut, oftmals sehr - in diesem Fall aber muss ich vehement widersprechen.

Ich halte den Inhalt des Artikels für absurden, esoterischen, groben Unfug. Das Universum hält sicherlich noch viele Überraschungen für uns (und möglicherweise auch für viele andere Lebewesen) bereit, aber es bedarf ganz sicher keiner menschlichen Gehirne oder deren Vorstellungskraft, um "dinglich" zu existieren. Eine solche Vorstellung überhöht das kleine menschliche Sein in eine groteske Dimension, in die es – als schlichter Teil der kleinen, irdischen Biologie – nicht gehört.

Die im Text bemühte Rose bleibt immer eine Rose – ganz egal, was unterschiedliche menschliche oder tierische Individuen auch in ihr sehen oder mit ihr verbinden mögen. Der zitierte Film "Matrix" macht das meines Erachtens auch sehr deutlich – denn es ist vollkommen unerheblich, wie die handelnden Personen sich entscheiden: Die "objektive Realität" bleibt immer dieselbe – ganz egal, ob sie wahrgenommen wird oder nicht. Es ist nicht das Problem der Realität, sondern der einzelnen Personen, ob sie der Illusion erliegen oder aber die Realität erkennen.

In diesem Zusammenhang (besonders in Bezug auf religiöse Varianten des Themas) sei auf Oskar Salas Vertonung eines Textes von Jean Paul verwiesen, die das, wie ich finde, ziemlich genial zum Ausdruck bringt: "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei". Angehört und/oder heruntergeladen werden kann das imposante Werk des Hindemith-Schülers hier.

Ich finde es immer wieder erschreckend, etwas so Großes, so Unfassbares wie das Universum auf menschliche Gehirne reduziert zu sehen. Die Menschheit auf diesem Planeten ist – aus kosmologischer Sicht – nichts als eine kleine Randnotiz, ein kurzes Atemhauchen, das in den kosmologischen Zeitmaßstäben einem Augenaufschlag entspricht, bevor es wieder in der Tiefe des Nichts verschwunden sein wird. Das Universum hat lange vor der Menschheit exisitiert und wird dies auch danach noch lange tun – und es ist ihm egal, was sich in der kurzen Zwischensequenz der menschlichen Existenz irgendwelche Gehirne dazu überlegt oder welche Gottheiten sie sich zur Erklärung ausgedacht haben mögen.

Vielleicht bräuchte es einen zweiten Galilei: Das Universum dreht sich nicht um den Menschen bzw. um seine Wahrnehmung – sondern der Mensch ist ein vollkommen belangloser, zeitlich kaum wahrnehmbarer, staubkornartiger Teil des Universums, das auch ohne Menschen nicht anders wäre.

Solche Gedanken machen Angst, keine Frage ... und da bleibe ich beim oben verlinkten Text von Jean Paul, der seinen Protagonisten nach der "Höllenfahrt der Erkenntnis" sagen lässt: "Meine Seele weinte vor Freude, als ich erwachte ... und als ich aufstand, glimmte die Sonne tief hinter den vollen, purpurnen Kornähren und warf friedlich den Widerschein ihres Abendrotes dem kleinen Monde zu ... und zwischen dem Himmel und der Erde streckte eine frohe, vergängliche Welt ihre kurzen Flügel aus."

Was im obigen Text nur ein Traum ist, ist unsere Realität – wir sollten also tunlichst nicht erwachen, um der Höllenfahrt zu entgehen und weiter den trügerischen friedlichen Abendsonnenschein (also unser kleines Leben) genießen zu können.

Sehr erhellend ist da auch die Dokumentation "Reise durchs Universum", die alle Themen zwar nur grob und oberflächlich anreißt, damit aber offensiv zur weiteren Auseinandersetzung mit den einzelnen Schwerpunkten einlädt.