Freitag, 10. Mai 2013

Vergib uns unsere DDR, wie auch wir vergeben keine Solidarität


Für die deutschen Werktätigen war die Deutsche Demokratische Republik das, was Buchbesprecher einen "Glücksfall" nennen; nicht durchweg im Osten, wo der Aufbau schwer, die Politbürokratie kleinlich und die Konsumgüterversorgung allenfalls stabil war, aber jedenfalls im Westen, wo der Realsozialismus nebenan dafür sorgte, dass den westdeutschen Lohnabhängigen die größten Schweinereien erspart blieben.

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Anmerkung: In diesem wunderbaren Text rechnet der Autor Stefan Gärtner im Rahmen seiner wöchentlich aktualisierten, generell sehr empfehlenswerten Titanic-Kolumne "Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück" mit der auch heute noch andauernden Unsitte der "großdeutschen" Mainstreammedien ab, die ehemalige DDR in sämtlichen Details und Einzelheiten so darzustellen, als sei dieser Staat die pure Inkarnation des Bösen gewesen - diesmal am Beispiel eines Pamphlets, das - natürlich - auf "Spiegel Online" erschienen ist. Wie von der Titanic nicht anders gewohnt, darf der Autor im Rahmen der Satire dabei ordentlich vom Leder ziehen und nimmt einmal mehr kein Blatt vor den Mund - und gerade in dieser satirischen Überspitzung trifft er auch diesmal exakt den Nagel auf den Kopf: "(...) die Hirn- oder wenigstens Sozialforschung ist aufgerufen zu prüfen, ob es jetzt wirklich soweit ist, dass man dem 'Spon'-Publikum derartig primitiven, unverhohlenen Agit-Nonsens als Journalismus verkaufen kann."

Zum Thema will ich noch anmerken, dass ich zwar nie Bürger der DDR war, das Land aber trotzdem durch regelmäßige Besuche vergleichsweise gut kannte. Es ist wohl unstrittig, dass es eine Menge an diesem Staat zu kritisieren gab, wobei die erwähnte "Konsumgüterversorgung" wohl die eher weniger bedeutsamen Themen berührt. Das traf und trifft indes auf den westdeutschen Teil des Landes bzw. das ganze Land seit 1990 genauso zu, so dass ich mich dem harschen Urteil Gärtners nur anschließen kann.

Deutschland wurde von der neoliberalen Bande seit 1990 in einen derart verkommenen, korrupten, menschenfeindlichen, autoritären, kriegslüsternen, asozialen, kapitalistisch-faschistoiden Überwachungsstaat deformiert - und dieser üble Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen -, dass ich mit Fug und Recht behaupten kann, dass dieses heutige Deutschland furchtbarer und abscheulicher ist als es BRD und DDR zusammengenommen je hätten sein können. Wenn nach einem solchen desaströsen Verlauf (bzw. bewusst betriebenen Zerstörungswerk) von den Propaganda-Medien nun auch weiterhin wie von Sinnen einzig auf die DDR eingeprügelt wird, wirkt das so grotesk und absurd, dass ich eigentlich nur das Fazit Gärtners dick unterstreichen kann:

"Der Autor dieses neuerlichen 'Spon'-Drecks ('Das letzte Gefecht an der Bierflasche') heißt übrigens Hammelehe, nein: Hammelehle. Schade; 'Hammelehe', das hätte den Unflat ein bisschen glaublicher gemacht. Genealogisch."


Mittwoch, 8. Mai 2013

Schmutz in den Medien - Schmutz in den Hirnen der LeserInnen


Zwei Müllsäcke haben einem Obdachlosen (...) vermutlich das Leben gerettet. Der Mann hatte in einem Abfallcontainer Quartier bezogen. Er wäre fast in der Müllpresse gelandet.

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Anmerkung: Dieser Bericht des WDR ist eigentlich schon bedrückend, widerwärtig und entlarvend genug, weil er wieder einmal das Schicksal eines der ärmsten, unter die Räder des Systems gekommenen Menschen dieses Landes effekheischend ins mediale Rampenlicht zerrt - und das nicht etwa, um die wichtigen Fragen zu stellen, wie es zu einem solchen Elend inmitten des überquellenden Reichtums überhaupt kommen kann oder weshalb nicht auf der Stelle ein Aufschrei durch dieses furchtbare Land geht, wenn ein offensichtlich obdachloser, hilfsbedürftiger Mensch wahrgenommen wird, sondern einzig um Klickzahlen, also "Traffic" zu produzieren, weil dieser lukrativ ist für den WDR. Andere Gründe sind mir nicht ersichtlich, weshalb der Sender in dieser oberflächlichen Form über den Vorfall berichtet. Mir wird speiübel davon.

Der Anlass, weshalb ich das hier einstelle, ist aber dennoch ein anderer - ich habe es nämlich gewagt, mir die Leserkommentare zu diesem Bericht durchzulesen, und siehe da: meine anfänglichen Befürchtungen sind mühelos weit unterboten worden. Was sich da an menschenverachtendem, faschistoidem Schmutz, vorgetragen von so harmlos klingenden Arschgeigen wie "Ede", "DetlefausDuisburg" oder "Elena - 1984", sammelt, hat meinen Brechreiz in ein akut stattfindendes Ereignis gesteigert - wer starke Nerven hat, kann sich das gerne selbst durchlesen, zitieren will ich daraus nichts.

Ich habe spontan auf der Seite auch einen (recht verhalten und diplomatisch formulierten) Kommentar hinterlassen, der aber trotzdem unverzüglich mit dem merkwürdigen Hinweis gelöscht worden ist: "Posting wurde entfernt. Bitte tragen Sie mit sachlichen Argumenten zum Thema des Artikels bei." Die Hetzkommentare sind hingegen natürlich weiterhin sichtbar - sie stellen nach Ansicht der Redaktion offenbar "sachliche Argumente zum Thema" dar.

Allmählich beginne ich zu erahnen, wie das damals in den 20er Jahren mit dem sich zuerst langsam, dann immer schneller und radikaler steigernden Antisemitismus und der generellen Menschenfeindlichkeit, gerade den Minderheiten und Schwachen gegenüber, gewesen ist. Diese handvoll Kommentare unter einem erbarmungswürdig widerlichen Artikel sprechen eine grausame braune Sprache, die mein Herz gefrieren lässt und mein Hirn in suizidale Regionen katapultiert. Willkommen in Deutschland.

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Abseits



(Zeichnung von Anton Hansen [1891-1960], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 12.01.1925)

Dienstag, 7. Mai 2013

Song des Tages: A Strange Kind of Love




(Peter Murphy: "A Strange Kind of Love", aus dem Album "Deep", 1989)

A strange kind of love
A strange kind of feeling
Swims through your eyes
And like the doors
To a wide vast dominion
They open to your prize

This is no terror ground
Or place for the rage
No broken hearts, white wash lies
Just a taste for the truth
Perfect taste, choice and meaning
A look into your eyes

Blind to the gemstone alone
A smile from a frown circles round
Should he stay or should he go?
Let him shout a rage so strong
A rage that knows no right or wrong
And take a little piece of you

There is no middle ground
Or that's how it seems
For us to walk or to take
Instead we tumble down
Either side left or right
To love or to hate


Anmerkung: Der Innenminister Friedrich warnt: Lauschen Sie diesen blasphemischen Klängen nicht, da es sich bei diesem Interpreten um einen fiesen Konvertiten handelt, der - bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts - zum Islam konvertierte in den islamistischen Terror-Untergrund abdriftete und seitdem die Welt mit seinen böswilligen und profitfeindlichen Botschaften der Liebe und Harmonie terrorisiert. Der Bundes-Verfassungsterminator ist informiert und überwacht diesen Gefährder des Kapitals permanent.

Dieser satirische Einwurf soll keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass ich persönlich jede mir bekannte Religion für einen abstrusen Popanz und ein Relikt aus der menschlichen Steinzeit halte - was aber gewiss niemanden davon abhalten kann und soll, für sich selbst zu anderen Ergebnissen zu kommen. Religion wird immer erst dann zu einem Problem, wenn sie institutionalisiert und/oder instrumentalisiert wird und gesellschaftliche und politische Macht erhält bzw. ausübt. Dazu zählt selbstverständlich auch die Instrumentalisierung einer Religion als Feindbild.

Zitat des Tages: Barbaren


Sie streiten, wer Barbar sei unter ihnen,
und zum Beweise, dass stets nur die andern
vor aller Nachwelt solchen Ruf verdienen,
verwüsten sie mit schrecklichen Maschinen
Galipoli, Galizien, Serbien, Flandern,
Wolhynien und das Land der Beduinen.

Das Blut gerinnt, es häufen sich die Leichen
im Elsass, in Tirol, in Frankreich, Polen.
Auf hoher See und in den Tropenreichen
ist Kampfgetöse, Mord, ist Sieg und Weichen.
Es wird gebrannt, geschändet und gestohlen,
und über Trümmern ragen Ruhmeszeichen.

Aus Wolken fetzt der Mord, vom Meeresgrunde,
und Kinder müssen sterben, Frauen, Greise;
den Hunger ruft man sich, die Pest zum Bunde.
Der Mutter Träne und die Todeswunde
erhabenen Planens zu der Menschheit Preise
gibt von der Heldenzeit Europas Kunde.

Und jubelnd töten sie für ihren Zaren,
für ihren Kaiser, König, Präsidenten,
und starke Männer sinken hin in Scharen
und wissen, dass sie tapfere Streiter waren ...
Blut tropft und Jammer von den Firmamenten –
und jeder schmäht die andern als Barbaren.

(Erich Mühsam [1878-1934], aus: "Brennende Erde. Verse eines Kämpfers", 1920)

Montag, 6. Mai 2013

Im Propagandanebel: Der Exportweltmeister und seine um sich greifende Armut


Der Taxifahrer, der mich neulich zum Bahnhof fuhr, war 71 Jahre alt. Warum er noch arbeite, fragte ich ihn; eigentlich nur, um ein lockeres Gespräch zu beginnen. "Nicht aus Spaß am Taxifahren", erwiderte er. Seine Altersrente nach einem arbeitsreichen Leben betrage lediglich 750, die Miete allein schon 550 Euro.

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Anmerkung: Diesen kleinen Text des Schriftstellers Wolfgang Bittner sähe ich sehr gern weit verbreitet in diesem narkotisierten, verseuchten Land. Beim Lesen solltet Ihr stets bedenken, dass Bittner Schriftsteller und kein Journalist ist und dass auch dieser Text somit vermutlich fiktionalen Charakters ist - wir lesen also nicht, was dem Mann wirklich begegnet ist, sondern was ihm seiner - und auch meiner - Meinung nach eigentlich zunehmend begegnen sollte und sogar müsste - wenn den Menschen nicht nur in diesem Land denn auch nur die spärlichen Fakten, die im Text genannt werden, hinreichend bekannt und bewusst wären.

Tatsächlich sehen derartige Gespräche mit den Opfern des Kapitalismus in aller Regel völlig anders aus, wie man in diversen Dokus, medialen Propagandaberichten und selbstverständlich auch im eigenen Umfeld immer wieder - und zunehmend - erleben muss: Da wird in der Regel wild die dumpfe neoliberale Propaganda heruntergeleiert, nach der der ganze Wahnsinn "alternativlos" sei, weil irgendwelche [an dieser Stelle bitte beliebige Menschengruppen einfügen, wie beispielsweise "Südländer", "arbeitsscheues Gesindel", "Ausländer", "Islamisten", "Gutmenschen", "Sozialbetrüger" und derlei Unfug mehr] Schuld daran seien, gegen die man selbstverständlich hart vorgehen müsse. Da kann man sich regelmäßig nur noch die Haare raufen und kommt auch mit belegbaren Informationen nicht weiter - die Mehrheit glaubt weiterhin wie von der Tarantel gestochen den unsäglichen Stuss, dass ihnen diejenigen, die wenig oder nichts mehr haben, schon eine Menge "weggenommen haben" und das auch zunehmend weiter tun wollen, und nicht diejenigen, die heute schon im unvorstellbaren, niemals "verkonsumierbaren" Super-Luxus ertrinken.

Wenn ich jemals in meinem Leben auf einen Taxifahrer oder irgendeinen anderen Menschen aus einem ähnlichen, stinknormalen Lebensbereich treffen sollte, der derart aufgeklärt und entwaffnend-erkennend auf den Irrsinn dieser uns einlullenden kapitalistischen Katastrophe blickt, wird das der Tag sein, an dem ich den Glauben an eine kleine Chance für den Fortbestand der Menschheit jenseits der Dystopie zurück bekomme. Bis dieser unwahrscheinliche Fall eintritt, sollten all diejenigen, die Bittners Taxifahrer ebenso ins Herz und vor allem Gehirn geschlossen haben wie ich, daran mitwirken, dass solche Texte eine möglichst große Verbreitung finden - und sei es auch nur, um der stetigen Propagandaflut aus den Senkgruben der Springer-, Bertelsmann-, Burda- und sonstigen Propagandamedien und natürlich aus denen der Neoliberalen Einheitspartei etwas entgegenzusetzen.

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Schacht dekretiert


"Ich erkläre den öffentlichen Luxus für staatsfeindlich. Luxus ist Privatsache."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 38 vom 19.12.1927. - Mehr über Hjalmar Schacht gibt's hier. Es gilt nun zu mutmaßen, welche der aktuell im Bundestag herumsitzenden elitären Damen und Herren wohl ebenso schnell wie der saubere Herr Schacht und so viele andere damals zu Vasallen der Faschisten mutieren würden - die politischen Haltungen unterscheiden sich zum momentanen Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr. Ich mag gar nicht an solche grotesken, zumeist millionenschweren Figuren wie Westerwelle, Friedrich, Uhl, Schäuble, Steinbrück, Rösler, Özdemir, De Maizière, Trittin oder natürlich Merkel und so viele, viele andere denken - da wird es mir reichlich blümerant zumute, wenn ich freundlich bleiben will.)