Freitag, 2. August 2013

Das verschwiegene Unrecht: Kinder im Kerker


Der vierzehnjährige palästinensische Junge wurde am 3. März um zwei Uhr nachts im Haus seiner Familie von sechs maskierten israelischen Soldaten aus dem Schlaf gerissen. Sie legten ihm Handschellen an und verbanden ihm die Augen. Der verzweifelten Mutter gaben sie keine Auskunft. Der Junge wurde ins Gefängnis von Megiddo gebracht. Am 22. April stand er bleich und zitternd vor dem Militärgericht von Salem. Anklage: Steinwurf gegen einen israelischen Panzer. (...)

Das Urteil steht noch aus. Die gängige Praxis der Kolonialjustiz ist jedoch bekannt: Steinewerfende Kinder können mit bis zu neun Jahren Gefängnis bestraft werden. In ihrem neusten Lagebericht (2013) befasst sich die Unicef, die Kinderhilfsorganisation der Uno, mit minderjährigen Gefangenen in israelischen Gefängnissen. Wörtlich heisst es: "Die Misshandlung palästinensischer Kinder in den Gefängnissen der israelischen Militärjustiz ist weit verbreitet, systematisch und institutionalisiert." Über 700.000 Kinder haben seit Beginn der Besatzung vor 46 Jahren diese Misshandlung erlebt. Und natürlich geht es der Regierung in Tel Aviv nicht darum, Panzer vor Steinen zu schützen, sondern darum, in den besetzten Gebieten Druck auf die palästinensischen Familien auszuüben.

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Anmerkung: Dies ist eines der vielen, vielen Themen, die in den deutschen Propagandamedien schlichtweg nicht stattfinden - man muss schon exotische Quellen oder eben Jean Ziegler bemühen, damit man überhaupt davon erfährt. Es ist eines der vielen Verdienste Zieglers, dass er auch hier die Finger unablässig in die Wunde legt und unnachgiebig anklagt, was anzuklagen ist - auch wenn es sonst fast niemand tut.

Die Geschichte böte so viele Ansätze für eine kritische Presse, die menschenfeindliche Politik der Regierung in Tel Aviv anzuklagen - aber nichts dergleichen geschieht. Da kann es noch so hanebüchen sein, dass Kinder wegen eines Steinwurfes auf einen Panzer - man stelle sich das einfach bildlich vor - verfolgt, kriminalisiert und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden ... da fragt kein westlicher Journalist nach: "Moment - ein Kind hat einen Stein [sic!] auf einen Panzer [sic!] geworfen und wird dafür zu neun Jahren Haft verurteilt?" Das ist die Welt 2013 - diese unsägliche Posse aus Israel ist dabei leider nur eine Randnotiz, die die gesamte Perversion dieser Welt aber schrill illustriert.

Ähnlich schrille Beispiele finden wir auch direkt vor der Haustür, wenn wir denn die Augen aufsperren. Ich erinnere da nur an die zum Hungern verurteilten Kinder in Deutschland, deren Eltern beispielsweise den willkürlichen Befehlen des örtlichen "Jobcenters" nicht folgen und die "sanktioniert" und denen deshalb die Existenzgrundlage genommen wird - ganz "legal" und ohne gesellschaflichen Aufschrei. Das geschieht jeden Tag mannigfaltig in diesem Horrorland, auch wenn die Tagespropaganda um 20 Uhr im Ersten nicht darüber berichtet.

Eigentlich ist es ein Wunder, dass die vierzehnjährigen Töchter und Söhne der Hartz-Terror-Opfer in diesem Land nicht auch längst Steine in die gepanzerten Fenster der "Jobcenter" werfen. Man würde sie selbstverständlich auch hierzulande kriminalisieren und verfolgen, wenn sie es täten - so furchtbar verschieden sind Israel und Deutschland im Jahre 2013 nicht mehr. Und das ist - anders als man historisch vermuten und eigentlich erhoffen mag - keineswegs ein Lob. Die Menschen, die damals hierzulande unter dem Naziterror gelitten haben und noch rechtzeitig fliehen konnten, würden auch heute einen großen Bogen um Deutschland - genauso aber auch um Israel - machen. Eine solche Katastrophe hat sich kein Endzeitliterat ausdenken können - die Realität ist weitaus schlimmer als jede Fiktion der vergangenen 65 Jahre.

Montag, 29. Juli 2013

Zitat des Tages: Die Tragödie


"Das Spiel ist aus!" riefen in der Schlussszene die endlich siegreichen Gegenspieler den entlarvten bösen Machthabern zu, verstellten ihnen den Weg zur Flucht oder zu den Waffen, nahmen sie fest und führten sie, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, in die Kulisse ab, während der Vorhang fiel.

Als er aber dann zum Applaus wieder hochging, kamen die besiegten Machthaber schon Hand in Hand mit den neuen Siegern zurück, und alle verneigten sich artig vor dem Publikum, das ihnen zurief und wie von allen guten Geistern verlassen Beifall klatschte.

(Erich Fried [1921-1988], aus: "Fast alles Mögliche", Berlin 1975)

Anmerkung: Wenn es nicht so bitterernst wäre, müsste man über Frieds hübschen Theatervergleich schallend lachen. So aber bleibt nicht viel mehr als schnöde, lähmende Ohnmacht - gerade angesichts der zurückliegenden Jahrhunderte ohne wesentliche Veränderungen dieses absurden, ständig wiederholten Schauspiels, das freilich nicht nur das immer wiederkehrende Wahltheater, sondern genauso auch anders herbeigeführte "Wechsel" - also Revolutionen - abdeckt. - Um die Zeichnung unten noch etwas deutlicher (und wahrhafter) zu machen, müsste man zum Thema "Wahl" allerdings das Wort "Kampf" durch "Schaukampf" und das Wort "Ausschlafen" durch "Ausplündern" ersetzen.

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Die Neugewählten


"Das war ein harter Kampf, Herr Kollege ... aber jetzt haben wir ja ein paar Jahre Zeit zum Ausschlafen."

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 11 vom 09.06.1920)