Samstag, 8. März 2014

Song des Tages: A Dying Wish




(Anathema: "A Dying Wish", aus dem Album "The Silent Enigma", 1995)

I bear the seed of ruin
A golden age turned to stone
Elysium ... to dust

For this, a tragic journey
A vision of a dying embrace
Scattered earth
Silence ...

Where Echonia wept
I sank into the silent desert

Fallen am I,
In a solitude of a broken promise
... I cried alone
My empyrean is a scar
From the memory of her beautiful life
Forever was her name

Fulfillment lost in a lifetime of regret
Ornate peace would cover me
As I would die now ...
For one last wish



Anmerkung: Es kann angesichts der inflationären Anzahl der veröffentlichten Abgesänge und Untergangshymnen seit mehr als 20 Jahren niemand mehr behaupten, es habe keine Anzeichen oder Warnhinweise gegeben - die Analogie zur ins Nihilistisch-Apokalyptische driftenden Musik, Malerei und Literatur der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts ist mehr als offensichtlich. Dieses dunkle Stück von Anathema ist prinzipiell nichts anderes als beispielsweise das leider wegweisende, weil allzu prophetische Gedicht "Weltende" von Jakob van Hoddis aus dem Jahr 1911:

Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

(Jakob van Hoddis [1887-1942], in: "Der Demokrat", 1911)

Wie damals ignoriert aber auch heute die große Mehrheit der Menschen diese Hinweise, bleibt passiv, zieht sich ins Private zurück oder vergeudet ihre Kraft sinnlos auf albernen Nebenschauplätzen - oder radikalisiert sich sogar im Sinne des Kapitals, indem die vorhandenen und stetig wachsenden, immer existenzieller werdenden Probleme irgendwelchen Minderheiten in die Schuhe geschoben werden, die damit nicht das Geringste zu tun haben, während die wirklich Schuldigen in ihren Palästen sich feist ins goldene Fäustchen lachen und den beginnenden Faschismus von ihren Lakaien munter anheizen lassen. So ist das erneute "Weltende" vorprogrammiert und nicht aufzuhalten - und einmal mehr werden wir miterleben müssen, wie der Kapitalismus aus einem vermeintlichen "golden age" eine große Kloake des Todes, Irrsinns und Untergangs macht.

Der Kunst bleibt einmal mehr nur die leidvolle Rolle des kommentierenden Begleiters in den Untergang - mit dem kleinen, aber sehr feinen Unterschied, dass die "offizielle" Kunst (also die, die aus den entsprechenden Töpfen noch halbwegs bezahlt wird) heute auch längst korrumpiert ist und wir deshalb meist in den alternativen Nischen suchen müssen, um nicht manipulierte Kunst zu finden. Mit jedem vollendeten Zyklus des kapitalistischen Wahnsinns lernt die widerliche Bande etwas dazu - ich will mir gar nicht ausmalen, wie das in 80 Jahren aussehen wird, sofern der Planet und die verbliebene Menschheit diese Perversionen so lange überhaupt noch aushalten. Ich befürchte, dass es dann gar keine Kunst, keine Alternativen, keine Meinungsäußerungen wie diese mehr geben wird, sondern nur noch Dauerbeschallung, Dauerpropaganda, Dauerberieselung - das ist heute ja schon (bezogen auf den größten Teil der westlichen Bevölkerung) erfolgreich umgesetzt. Und das trotz prinzipiell noch vorhandener Alternativen wie dem Internet.

"Der Sturm ist da" - in der Tat. Und wenn die Welt ihm standhalten soll, müssten unsere Politiker und ein Großteil der hier lebenden Menschen Gedanken zulassen, denen sie nicht einmal im wildesten Fiebertraum frönten. Folgt man der bitteren Logik, bleibt da nur noch eine Alternative übrig, und die heißt: Stellen wir die Uhr zurück auf 1933 - ohne die Festlegung, wo der furchtbare Alptraum erneut beginnen soll. Der Ort ist der kapitalistischen Bande nämlich egal, ihren Palast in Griechenland, Portugal, auf der Krim oder wo auch immer kann sie jederzeit durch ein neues Domizil ersetzen.

Wir steuern einmal mehr in eine wahrlich glorreiche, so finstere Zukunft - und müssten es eigentlich doch so viel besser wissen.

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