Samstag, 15. November 2014

Wecker braucht Geld


Manchmal ist es doch recht erhellend, wenn man die Webseiten, die man als Scharlatane und Verbreiter von Dummheiten erkannt zu haben glaubt, dennoch sporadisch besucht. So habe ich nun feststellen dürfen, dass Konstantin Weckers Eso-Schleuder "Hinter den Schlagzeilen" inzwischen um Geldspenden bettelt und dafür gar abenteuerliche Begründungen liefert.

Da wird das Eso-Blog unverhohlen mit den Nachdenkseiten (die ebenfalls kritisch zu betrachten sind - aber das ist ein anderes Thema) auf eine Stufe gestellt, was allein bezüglich der Reichweite schon einem ausgewachsenen Größenwahn gleichkommt. Nur wenige Zeilen später wird auch der Ossietzky ins schwankende Boot geholt, der bei "Hinter den Schlagzeilen" allerdings so gut wie nie vorkommt und dessen sozialistische Ausrichtung dem Eso-Wahn eigentlich diametral widerspricht. Ich habe keine sinnvolle Erklärung für die Entscheidung der dortigen Verantwortlichen für diese ominöse Kooperation, die über schnöde Geldsorgen hinausginge.

Was aber tut "Hinter den Schlagzeilen" eigentlich, das eine finanzielle Unterstützung überhaupt erfordert? Im Wesentlichen besteht die Arbeit dieses Blogs darin, andere Texte und Artikel aus dem Internet zu verlinken - so beispielsweise aus der Jungen Welt, von Telepolis, aus dem Neuen Deutschland oder auch - immer wieder gerne - aus irgendwelchen obskuren Eso-Verlagen, mit denen teilweise gar eine "Kooperation" besteht ("Nein! - Doch! - Oh!"). Darüber hinaus erscheint alle paar Wochen auch mal ein "eigener" Text - wobei es sich dabei meist ebenfalls um Zweit- oder Drittverwertungen handelt, da viele jener Texte zuvor bereits anderswo erschienen sind. Übrig bleiben die Facebook-Texte Weckers sowie einige wenige Beiträge von Roland Rottenfußer und seltenst auch mal Holdger Platta, wobei auch hier nicht nachprüfbar ist, ob es sich dabei tatsächlich stets um originäre Beiträge handelt.

Ich frage mich nun, woraus diese Geldgier resultiert? Was kostet denn da nun so viel, dass es ein Konstantin Wecker nicht mit Leichtigkeit bezahlen könnte? Ist es die Domain, die es ohne Webspace bereits für 0,19 Euro pro Monat gibt? Oder hat Wecker ein hochmodernes Serverzentrum in der Südsee oder auf dem Mond errichtet, das er durch einen privaten Sicherheitsdienst bewachen lassen muss, der natürlich viel Geld kostet?

Denselben redaktionellen Aufwand, den "Hinter den Schlagzeilen" abliefert, bewältigen hunderte von Blogs allein in Deutschland tagtäglich ohne jede finanzielle Unterstützung - und nicht wenige davon bieten rein quantitativ wesentlich mehr Inhalte - die Qualität möchte ich hier lieber gar nicht erst thematisieren. Wenn ich es angesichts der Masse an Beiträgen beispielsweise bei den Nachdenkseiten noch verstehen kann, dass um finanzielle Unterstützung gebeten wird, gerate ich bezüglich Weckers Eso-Blog in arge intellektuelle Bedrängnis. Diese potenziert sich noch, wenn ich in Bezug auf diese religiotische Schleuder Begriffe wie "Gegenöffentlichkeit" oder gar - man fasst es nicht - "kritischen Journalismus" lesen muss.

Wofür um alles in der Welt verlangen diese Figuren Geld? Und was treibt sie dazu, das kapitalistische Geschäftsmodell noch dazu eins-zu-eins zu kopieren, indem sie den "zahlenden Kunden" wie üblich irgendwelche Premium-Vorteile versprechen - quasi als Belohnung für ihre Zahlungen? Und solche Leute sollen irgendwem - natürlich gegen Geld - erklären, wie furchtbar und zerstörerisch der Kapitalismus ist?

Da kann man seine Kinder auch gleich zur Tagespflege ins Löwengehege im Zoo geben.

[Auch diesen Text habe ich als Kommentar bei "Hinter den Schlagzeilen" hinterlassen, freigegeben wurde er aber - wen wundert's - nicht.]

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Im Irrenhaus


"Ihr Gatte hat eine schwere Psychose. Er leidet an der Wahnidee, dass es kein Vorherwissen der Zukunft und keinen Verkehr mit den Geistern Verstorbener gibt."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 6 vom 10.05.1926)

Musik des Tages: Syn-Awakening




(Software: "Syn-Awakening", aus dem Album "Syn-Code. Symphony for Computer and DNA-Molecules", 1987)



Anmerkung: Dieses umwerfende Konzeptalbum des ehemaligen Musikerduos Peter Mergener und Michael Weisser, das auch 27 Jahre nach der Publikation noch immer äußerst futuristisch wirkt und eine nach wie vor bahnbrechende Klangqualität aufweist (die sich freilich aufgrund der minderwertigen youtube-Soundqualität des Videos hier nicht erahnen lässt), basiert auf Weissers Science-Fiction-Roman "Syn-Code-7" (Suhrkamp 1982).

Wer gerne einmal psychedelische Drogen ausprobieren möchte, sich aber (völlig zu Recht) vor den physischen und psychischen Konsequenzen fürchtet, dem sei dieses Album ans Herz gelegt: Man lösche das Licht, setze den Kopfhörer auf und gehe auf eine Reise ins eigene Gehirn, die sich gewaschen hat. Das funktioniert freilich auch, wenn man den Roman zuvor nicht gelesen hat - allerdings verändert sich die Wahrnehmung der tiefen musikalischen Botschaft dadurch. Ich habe das Album zuerst kennen und lieben gelernt und den Roman erst viel später gelesen - danach habe ich die Musik neu und "mit anderen Ohren" verstanden.

Selbstredend ist auch dies eine Form der Realitätsflucht. Was aber bleibt einem "wachen Geist" inmitten des alltäglichen Irrsinns zur Regeneration sonst übrig?

Freitag, 14. November 2014

Absurdistan live: "Sittenwidrige Löhne"


Kürzlich las ich im Lawblog die folgende knappe Meldung:

Ein Stundenlohn von 1,53 bzw. 1,64 Euro ist doch sittenwidrig. Mit dieser Entscheidung kippt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein früheres Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus. Dort hatte ein Rechtsanwalt noch Erfolg, der seinen Bürohilfen lediglich die mageren Stundensätze zahlte. / Wegen des geringen Lohnes hatte das Jobcenter das Gehalt der Arbeitskräfte aufgestockt und verlangte nun Geld von dem Arbeitgeber, einem Rechtsanwalt. Das Arbeitsgericht Cottbus hielt den Lohn noch für vertretbar, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg nicht mehr. Deshalb muss der Rechtsanwalt nun dem Jobcenter Ersatz leisten – und künftig angemessene Löhne zahlen.

Ganz ehrlich: Ich wusste beim Lesen nicht, ob ich hysterisch lachen, irre schreien oder doch eher zu einem kräftigen Seil greifen sollte, um mich endlich aufzuhängen. Eigentlich ist das eine Meldung, wie sie üblicher Weise beim Postillon oder in der Titanic zu finden ist - das Lawblog allerdings ist über derlei satirische Ansprüche leider erhaben, so dass ich davon ausgehen muss, es hier mit einer ernsthaften Nachricht zu tun zu haben.

Die ist allerdings so grotesk, dass ich befürchte, mich lächerlich zu machen, wenn ich sie tatsächlich ernst nehme. Aber sei's drum. Wenn in einem Land, das laut dem stetig wiederholten Propagandageschrei auf allen Kanälen zu den reichsten Ländern dieses Planeten zählt und das zudem unablässig immer reicher wird, ein Arbeitsgericht entscheidet, dass Stundenlöhne in Höhe von 1,53 bzw. 1,64 Euro nicht sittenwidrig seien und es erst der nächsten Instanz bedarf, um diese Entscheidung zu revidieren, dann hat der Irrsinn in seiner vollen Pracht längst gewonnen. Diesen Richter, der das seinerzeit entschieden hat, nähme ich mir herzlich gerne einmal zur Brust und könnte ihm auf diese Weise so einiges beibringen, das unter dem Schlagwort "sittenwidrig" einzuordnen wäre.

Allerdings ist mit der Revision dieses Urteils ja ebenfalls nichts gewonnen, denn ich gehe nicht davon aus, dass das genannte Landesarbeitsgericht hier belastbare Grenzen für die Sittenwidrigkeit von Löhnen formuliert hat. Die Spanne zwischen 1,53 Euro und dem ebenso lächerlichen schwarz-roten Möchtegern-Mindestlohn von 8,50 Euro ist verdammt groß - da verbleibt genügend Spielraum für kreative, habgierige Menschenschinder und Sklavenausbeuter, um den Begriff des "angemessenen Lohnes" auch weiterhin ad absurdum zu führen.

Derweil häuft die winzig kleine "Elite" weiterhin, Tag für Tag, Millionen und Abermillionen in ihren Geldspeichern an. Was gäbe ich für eine tatsächlich gerechte Justiz, die endlich diese absurde Hortung und Konzentration von irrsinnigem Reichtum als sittenwidrig verurteilte! Darauf kann ich in diesem System allerdings warten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag - und noch weit darüber hinaus.

Ich harre nun bloß noch des Tages, an dem irgendein Gericht in diesem verkommenen, fauligen Land die geplante Zwangsarbeit der "Null-Euro-Jobs" für sittenkompatibel und grundgesetzkonform erklärt. Lange kann's wohl nicht mehr dauern.

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Die Zukunft Europas


"Wenn niemand mehr etwas anzuziehen hat, ist das dann das Paradies?"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 21 vom 18.08.1920)

Mittwoch, 12. November 2014

Geschäftsidee: Armut, Leid, Not


Es ist ja nun ein alter Hut, dass in einem rein profitorientierten, irrwitzigen System wie dem Kapitalismus auch die absurdesten, skurrilsten, immer wieder auch lächerlichsten Geschäftsideen gerne auf äußerst fruchtbare Böden fallen. Darüber - wie beispielsweise über das "goldgeprägte Toilettenpapier" - kann man sich lustig machen und die beteiligten "Marktteilnehmer", die so etwas aushecken und tatsächlich auch kaufen, wahlweise als arme Irre, dekadente Arschlöcher oder gehirngewaschene Konsumzombies bezeichnen.

Das eigentliche Problem indes reicht weitaus tiefer, denn längst ist der Kapitalismus dazu übergegangen, die Armut, das Leid und die Not vieler Menschen tatsächlich und unverhohlen als profitbringende Einnahmequelle zu benutzen. Die Beispiele dafür sind so zahlreich, dass es mir schwerfällt, hier überhaupt eine möglichst repräsentative Auswahl zu nennen. Da ist beispielsweise die "Fortbildungsindustrie", die im fauligen Fahr- oder eher Brackwasser des Hartz-Terrors entstanden ist und die keine Fortbildung für die Zwangseingewiesenen, dafür aber satte Profite für die Betreiber generiert. Da gibt es die sogenannten "Mikrokredite" für bettelarme Menschen in Indien und anderen Regionen dieses gebeutelten Planeten, welche die Banken zwar nur unerheblich reicher machen, die Betroffenen dafür aber in eine meist lebenslange Abhängigkeit führen und nicht selten in den verzweifelten Suizid treiben.

Ein besonderes Highlight aus dieser besonderen Latrine des Kapitalismus habe ich kürzlich beim WDR gefunden, wo ich das Folgende lesen durfte:

Hilfsprojekt für Stadtstreicher: Studenten bauen Obdachlosen-Rucksack / Wer beim Thema Design nur an teure Täschchen oder edle Möbel denkt, liegt falsch. Drei Design-Studenten der Hochschule Niederrhein in Krefeld haben jetzt etwas ganz anderes entwickelt: Einen Rucksack für Obdachlose. Mittlerweile hat eine Krefelder Schneiderin einen Prototyp zusammengenäht.

Das "Hilfsprojekt" entpuppt sich beim weiteren Lesen allerdings wenig überraschend als eine kapitalistische "Geschäftsidee", die vom "sozialen" Jung-Entwickler so kolportiert wird: "Wer dann einen Rucksack kauft, finanziert mit dem Kauf einen zweiten und der wird dann an einen Obdachlosen weitergegeben". - In der Tat, eine so tolle Idee muss man als Jungkapitalist erst einmal haben: Ich entwickle einen Hightech-Rucksack für Camper und Survival-Junkies und verkaufe das als "Hilfsprojekt für Obdachlose". Und der WDR verbreitet das - wie immer - unkritisch und bietet dem habgierigen Irrsinn eine willfährige Plattform.

Ganz abgesehen davon, dass es vollkommen absurd ist, von eventuellen Käufern dieses ominösen Rucksacks ernsthaft zu erwarten, aus reiner Herzensgüte den doppelten Preis zu bezahlen, ist auch alles andere an dieser Meldung samt der vorgestellten "Idee" irrsinnig. Es wird (sofern dieser Vorschlag tatsächlich ernst gemeint sein sollte) einmal mehr nur an (noch dazu eher zweitrangigen) Symptomen geflickschustert. Das tatsächliche Problem der zunehmenden Obdachlosigkeit im "immer reicher werdenden Deutschland" wird extrem verharmlost, unter anderem illustriert durch die Benutzung des Wortes "Stadtstreicher". Von dort ist es sprachlich und gedanklich nicht mehr weit zu den "Landstreichern" der Vergangenheit und damit zu den "Zigeunern".

Es muss nach kapitalistischer "Logik" nicht mehr dafür gesorgt werden, dass den Menschen, die in diesem System ganz unten angelangt sind, geholfen wird, damit sie wieder halbwegs menschenwürdig leben können - angesichts des nahenden Winters ist laut WDR ein "trockener" (und nicht etwa auch ein warmer) Schlafplatz das Maß aller Dinge - auch wenn das ein aufgespannter Design-Stofffetzen mit hübschen roten Reißverschlüssen ist, der ja eigentlich zum Rucksack bzw. Schlafsack gehört, so dass zum Schlafen darunter offenbar nur noch eines der beiden erwähnten Stoffteile übrig bleibt.

Wie immer in solchen kapitalistischen Kindermärchen vom "next big thing" geht es auch hier nicht um Obdachlose oder deren Wohlergehen, und erst recht nicht um die Frage, wieso es mitten im kapitalistischen Paradies des stetig steigenden Reichtums immer mehr Menschen gibt, die auf der Straße leben müssen. Es geht einzig um den Profit der Aushecker - und dafür ist jede auch noch so zynische Ummantelung gerade so gut wie das Plus auf dem persönlichen Konto.

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Die Segnungen unseres geliebten Kapitalismus



(Aufnahme von Canon EOS 450D, in: "Unsere furchtbare Realität", Beispiel USA [New York] vom 06.08.2008)

Dienstag, 11. November 2014

Zitat des Tages: Kulisse


Regen -
Regen rauscht auf den Rummel.
Das Glücksrad verliert seine Farbe,
der Würfelbecher wird klebrig;
in der Schießbude schlafen die Schüsse.
Wills keiner mehr wagen?
Will keiner mehr würfeln?
Will keiner mehr drehn?
Regen -
Regen rauscht auf den Rummel.

(Wolfdietrich Schnurre [1920-1989], in: "Kassiber und neue Gedichte", List 1979)


Anmerkung: Dieses Gedicht sollte als Kommentar zum heuchlerischen, ins Bizarre und Schrille driftenden "Mauerfall"-, "Einheits"- und "Freiheits"-Geseiere der vergangenen Tage völlig ausreichen, das die Propagandamedien und Politmarionetten so wohlfeil inszeniert haben. Zu diesem Kasperletheater möchte ich mich aus hygienischen Gründen ansonsten nicht weiter äußern.