Samstag, 6. Dezember 2014

Song des Tages: Only When You're Gone




(Madrugada: "Only When You're Gone", aus dem Album "The Nightly Disease", 2001)

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

Gonna need a hammer and nails
To construct this bitter love song
This cruel testamented song
That rings out only when you're gone

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

Rude are the tongues of love
That speak of mercy for us all
And leave us only with a song
And leave us only with a song
Now it's a cold and hollow whisper
That consumes my body when you're gone

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

And it's only when you're gone and away
Your ghost runs through me in that special way
It's a nice old town, my hometown
Come for the darkness of this prison cell
I love you long and I love you well

So bury me in the kitchen
Bury me at the store
Oh, bury me everywhere you go
In the shadows of the hallway
Oh, for we do no longer know
What we can no longer hold
On days like these our heads fill up with smoke
And our memories grow old

Only when you're gone
Only when you're gone
Only when you're gone
And away
Only when you're gone

And gone away
And gone away


Freitag, 5. Dezember 2014

Der Nazi-Terror - und wie er heute kommentiert wird


Es ist ja nichts Neues, dass der umfassende Terror der Nazis zwischen 1933 und 1945 auch im damaligen öffentlichen Leben der Bevölkerung, also auch im Fasching bzw. Karneval, allgegenwärtig war. Aus Köln sind beispielsweise mindestens zwei antisemitische "Motivwagen" seit langem dokumentiert, und zwar aus den Jahren 1933 und 1936:


("Die Letzten ziehen ab", 1933)


("Däm han se op d'r Schlips getrodde!", 1936)

Nun ist in einem Archiv ein Filmdokument aus dem Jahr 1936 aufgefunden worden, das eben diesen zweiten "Motivwagen" zeigt, der aufgrund der kurz zuvor von den Faschisten beschlossenen Nürnberger "Rassegesetze" ganz besonders perfide und widerlich wirkt. Über diesen Fund hat der WDR knapp berichtet - und es dabei wie immer unterlassen, irgendwelche Bezüge zu unserer heutigen Zeit und Realität herzustellen, die ja nun angesichts der um sich greifenden Islamphobie, des zunehmenden Hartz-Terrors samt der ständigen Verharmlosungsversuche oder der permanenten Propaganda gegen Flüchtlinge ganz generell geradezu auf der Hand liegen.

Aber das soll jetzt und hier gar nicht mein Thema sein. Ich habe es nämlich gewagt, die Kommentare zu lesen, die unter diesem Beitrag abgegeben wurden. Wer sich das selber antun möchte, sei gewarnt: Sensible Menschen oder gar Humanisten können da an sehr schmerzhafte Grenzen stoßen. Die Dummheit, Geschichtsvergessenheit, Arroganz und stupide Menschenfeindlichkeit tropft da aus fast allen Zeilen. Mir ist bewusst, dass der Inhalt solcher Kommentarspalten gewiss nicht repräsentativ ist - aber die Tatsache allein, dass sich heute eine gewisse Anzahl von Menschen traut, solche Kothaufen und Jauchegruben öffentlich zu hinterlassen - und das ausgerechnet in Deutschland -, macht mich fassungslos.

Eine Auswahl:

Tom: "Ich stimme 'Kritiker' vollkommen zu. Diese dunkle Zeit wird selbst heutigen Generationen so vorgetragen, dass diese ein Mitschuldgefühl entwickeln. Ein probates Mittel der in- und ausländischen Politik um Deutschland 'gefügig' zu machen."

Zu diesem Statement kann ich nur meinen Kopf auf die Tischplatte knallen und "Setzen, sechs." röcheln. Tom kann offensichtlich nicht unterscheiden zwischen Verantwortung, Sorge und Mitschuld; außerdem wüsste ich gern, wem gegenüber (abgesehen von den USA) "Deutschland" (wer ist damit gemeint?) denn wohl "gefügig" sei. Der Hinweis auf die "in- und ausländische Politik" lässt den Einwurf komplett zur lächerlichen Farce werden, die eigentlich gar nicht kommentiert werden dürfte. Asche auf mein Haupt.

Lümmel: "Mir machen die dummen Neonazis im Übrigen kaum Sorgen. Sorgen bereiten mir die, die im Verborgenen arbeiten in Kombination mit der denkfaulen Masse. Es ist bedenklich, dass wir es in unserem Land nie geschafft haben, einen gesunden Patriotismus auf die Beine zu kriegen."

Mein Kopf ist schon blutig, knallt aber weiter auf die Tischplatte. Der "Lümmel", der wohl eher hirntot ist, beklagt also das angebliche Fehlen eines Patriotismus' in Deutschland - eines "gesunden" noch dazu, was auch immer das wohl sein mag. Angesichts der überall stark zunehmenden Deutschtümelei, der ständigen Reden der korrupten Politmarionetten über die "Führungsrolle Deutschlands in Europa" oder des schwarz-rot-pissgelben Fahnenmeers besonders zu WM-Zeiten wüsste ich ja wirklich gerne, was eine solche Figur unter einem "gesunden Patriotismus" versteht. Wahrscheinlich ist es etwas ähnliches wie die "soziale Marktwirtschaft" bzw. der "Kapitalismus mit menschlichem Gesicht", also eine blödsinnige Schimäre.

Jay: "Ja genau: unseren täglichen Nazi gib uns heute. Ich bin nach 45 geboren, ich schulde der Welt einen Driss."

Dieser Mensch rennt nun nicht mehr nur blind, sondern gleich völlig kopflos durch die Welt: Was interessiert es Jay, was damals geschehen ist - das ist belanglos und geht ihn oder sie nichts an. Solch empathiefreie, egozentrische Arschlöcher schickte ich ja allzu gerne einmal - und sei's auch nur für eine Stunde - mit einer Zeitmaschine ins Köln von 1936 zurück, versehen mit einer hübschen Armbinde, auf der ein gelber Stern prangt. Dabei sind es genau solche Widerlinge, die der Kapitalismus gleich massenhaft hervorbringt - wundern kann sich darüber eigentlich nur jemand, der längst ebenso abgestumpft und verdummt ist. Liebe/r kopflose/r Jay: Im WDR-Text, den Du ja zu "kommentieren" versucht hast, steht nichts darüber, dass ausgerechnet Du Dumpfbacke "der Welt etwas schuldest". Allerdings trägst auch Du - so wie wir alle - die Verantwortung dafür, dass ein solcher Wahnsinn nicht erneut geschieht! Ich verstehe, dass das ohne Kopf relativ schwierig ist, aber vielleicht reicht Dein Rückenmark als Denkorgan ja auch aus.

Sesam: "Und täglich grüßt das Murmeltier!"

Und dies war der finale Klopfer, der meinen Kopf blutig und reglos auf der Tischplatte zurückließ. Ich nehme jedenfalls an, dass Sesam mit diesem wahnsinnig kreativen Pamphlet nicht die furchtbare Zeitschleife der ewigen Wiederkehr des faschistischen Terrors im Kapitalismus gemeint hat, sondern eher die heute noch andauernde Thematisierung des damaligen Nazi-Geschmeißes - wie immer ohne Bezug zum System des Kapitalismus und damit tatsächlich ohne Sinn. Sesam stellt - stellvertretend für 70, 80, 90 (?) Prozent der Bevölkerung - keinen Bezug zwischen Faschismus und Kapitalismus her. Ich konnte aufgrund akuter Bewusstlosigkeitsanfälle nicht mehr darüber nachdenken. Immerhin habe ich es noch fertiggebracht, kurz die Zusammenfassung zu lesen, die sodann folgte und zu der ich tatsächlich nichts mehr sagen kann, weil die Axt in meinem gespaltenen, auslaufenden Schädel jeden weiteren Denkprozess verhindert hat (wodurch mich mit dem Urheber Enno leider einiges verbindet):

Enno: "Ein 'Film, der zurzeit für großes Interesse sorgt.' Ja, ehrlich, großes Interesse? Bei wem denn? Kenne niemand, der sich nach 80 Jahren noch dafür interessiert, wie in der NS-Zeit wohl in Köln ein Karnevalswagen ausgesehen haben mag. Und wie auch schon andere Kommentatoren hier sinngemäß angemerkt haben: sind doch nur die üblichen linksgrünen Medien und Verdächtigen, die dieses Thema seit Jahrzehnten versuchen, am kochen zu halten, damit der schläfrige deutsche Michel auch weiterhin brav seine Klappe hält. Karneval 1936: Aufnahmen aufgetaucht... und in China ist ein Sack Reis umgefallen!

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Zitat des Tages: Bürger


Bürger,

nehmt euch in acht vor dem Fremden mit leichtem Gepäck!
Sein Blick durchschneidet die dickste Luft,
sein Blick durchstochert die dunkelsten Gassen,
ein Schabmesser, das an den Hauswänden kratzt,
ein Glasschneider, der die Fenster durchritzt,
eine Klinge, die zwischen Türspalten fährt,
ein Dolch, der aufspießt, was ihm begegnet.

Hütet euch, Kinder, vor seinem freundlichen Wort,
vor seinen Pfiffen, Bonbons und Tricks,
hütet euch vor seiner Flöte!

Nehmt euren Hut vors Gesicht, Bürger,
bevor euch sein Auge trifft,
zieht eure Ohren und Schwänze ein,
haltet den Mund, nicht den Dieb!

Bindet den Hund an die Leine
und fester den Helm, Polizisten!
Doch ich rate euch, nicht seinen Pass zu verlangen,
und macht seinen kleinen Koffer nicht auf!
Lasst ihn laufen, seid froh, wenn er läuft!
Lasst euren Knüppel im Sack!

Bürger, lasst auch den Esel im Stall
und den Tisch ungedeckt, wenn er naht.
Er schnappt euch den Bissen vom Teller,
er schlürft euch den Wein aus der Flasche
und beißt in die Gläser,
er frisst euch die Zeitungen aus der Hand
und kotzt sie zerkaut vor die Füße.

Bietet ihm keinen Stuhl an,
hängt euer Ruhetagsschild vor die Schenken,
Bürger, und staut euch nicht auf dem Steig!
Fallt nicht auf, fallt nicht um,
fallt ihm niemals ins Wort,
nicht in den Arm und nicht in den Schritt,
fallt ihm nur nicht auf die Nerven!

Schont eure Anlagen, Bürger,
lasst eure Steine im Glashaus,
die Katzen im Sack,
und schüttet die offenen Gruben zu!

Prüft eure Blitzableiter, die Feuermelder,
prüft eure Leitungen, Drähte und Schläuche,
schaltet den Strom ab, das Gas und das Denken,
dreht eure Hähne zu und verbergt eure Küken!

Steckt eure Frauen in Lederjacken,
schützt ihre Blusen vor seinem Messer,
und rührt euch nicht, wenn er schon schlitzt.
Steht still! Aber geht, wenn er geht,
und seht ihm nicht nach, seht ihn nicht an,
aber seht auch nicht auffällig weg!
Vermeidet alles, was provoziert,
tretet leise, fahrt Rad oder Auto,
doch leise - und produziert!

Steigert die Umsätze, Männer,
erhöht die Absätze, Frauen,
setzt eure Männer mit um!
Setzt eure Frauen und Kinder mit ab,
sichert euch Nachlass, sichert euch Ablass,
sichert euch und versichert euch,
und zahlt die Reststeuer pünktlicher,

BÜRGER!

(Wolfgang Bächler [1925-2007], in: "Die Erde bebt noch. Frühe Gedichte 1942-1957", Fischer 1988)



Anmerkung: Bächler hat dieses bemerkenswerte Gedicht einige Jahre nach der Veröffentlichung zu einem kurzen Prosa-Text mit dem Titel "Ein Fremder in der Stadt" umgeschrieben, der noch ein wenig deutlicher macht, wer mit jenem Fremden, dem die narkotisierte, verdummte und völlig verschreckte Bevölkerung hier begegnet, gemeint ist. Man muss Worte wie Kapitalismus, Raffgier oder Ausbeutung gar nicht benutzen, um sie bloßzustellen und zu kritisieren.

Vor knapp drei Monaten schrieb ich über den Autor: "Von Bächler ist die wunderbare Selbstbeschreibung überliefert: 'Ich bin ein Sozialist ohne Parteibuch, ein Deutscher ohne Deutschland, ein Lyriker ohne viel Publikum ... kurzum ein unbrauchbarer, unsolider, unordentlicher Mensch, der keine Termine einhalten und keine Examina durchhalten kann und Redakteure, Verleger und Frauen durch seine Unpünktlichkeit zur Verzweiflung bringt.' Ich wüsste nicht, wie man sich mit so wenigen Worten noch besser und sympathischer vom hochglänzenden Lügenterror der neoliberalen Bande und ihrem faschistoiden Menschenbild abgrenzen könnte."

Selbstverständlich ändert das nichts daran, dass wir inmitten eines apokalyptischen, menschenfeindlichen Albtraumes leben, aus dem es keinen gangbaren Ausweg zu geben scheint. Es ist aber, wie ich finde, zumindest hilfreich zu bemerken, dass es in der Vergangenheit Menschen gab, die das ebenfalls in aller Deutlichkeit registriert hatten.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Breaking News: Putins Terror-Regime nun auch in Köln!


Heute durfte ich auf der hochseriösen Website des WDR die folgende Meldung lesen (die Korrekturen der Schreib- oder Tippfehler stammen von mir):

Der halb-nackte Auftritt einer Femen-Aktivistin bei der Weihnachtsmesse 2013 im Kölner Dom hat ein juristisches Nachspiel vor Gericht. Der Frau wird "Störung der Religionsausübung" vorgeworfen. Die Aktivistin muss sich ab Mittwoch vor dem Kölner Amtsgericht verantworten.

Nein, welch ein Skandal, dachte ich belustigt, als ich das las, und musste natürlich sofort an den großen Medienaufreger der Aktion von "Pussy Riot" in Russland, die nur allzu gerne zu "Ikonen des Widerstandes gegen Putin" hochstilisiert wurden, denken. Was haben sich die heimischen Propagandablätter seinerzeit doch das geifernde Maul zerrissen, um über die üble Behandlung von Kirchen- oder gar Politikkritikern in diesem Dämonenreich des Bösen zu schimpfen. Jetzt allerdings schweigen die versammelten Blätter und deren Mietmäuler fast ausnahmslos, denn es ist selbstredend etwas anderes, ob im teuflischen Russland oder in Köln gegen die verkrustete Kirche, die verkrustete Politik oder andere korrupte Verkrustungen protestiert wird.

Der WDR beruhigt seine LeserInnen in bester Orwell-Tradition sogleich, denn die arme Verwirrte, die den unheiligen Protest gewagt hat, hat natürlich in unserer freiheitlich-demokratischen Welt keine ernsthaften Konsequenzen zu befürchten: "Laut Paragraf 167 des Strafgesetzbuches kann der Tatbestand mit einer Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden. 'Jedoch wird der Richter am Verhandlungstag entscheiden, ob bei der 20-jährigen Angeklagten als Heranwachsender das Erwachsenenstrafrecht oder das Jugendstrafrecht angewendet wird', so Gerichtssprecherin Sonja Heidel gegenüber WDR.de". Na, dann ist ja alles gut - hier ist alles in bester Ordnung, gehen Sie einfach weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Welche Strafe der Frau letzten Endes tatsächlich aufgebrummt wird, werden wir aus den Propagandamedien gewiss nicht erfahren.

Was soll man dazu überhaupt noch sagen. Es ist gewiss diskutabel, ob es ausgerechnet diese Form des Protestes sein muss - aber davon abgesehen ist es doch mehr als nur begrüßenswert, dass es überhaupt noch so etwas wie einen "Restprotest" gegen dieses verkommene System gibt. Wenn der sich gegen Putin richtet, stehen die heimischen Propagandamedien streng und aufrecht bei der Stange - wenn dasselbe aber im heiligen kapitalistischen Inland, dem unwiderruflichen "Hort der Menschenrechte und Menschenwürde", geschieht, dann blicken sie pikiert darüber hinweg oder verharmlosen die ebenbürtige staatliche Repression.

Wenn ich dürfte, wie ich wollte, kotzte ich den Altar des Kölner Doms während der Weihnachtsmesse nicht nur möglichst schleimig voll, sondern schlachtete gleich einige Kinder aus Afrika, Asien oder Südamerika darauf. Selbstverständlich würde man das entsprechend ahnden und scharf verurteilen - während dasselbe einige tausend Kilometer entfernt unentwegt weiter geschieht, ohne dass irgendjemanden das interessiert oder man es den völlig vernebelten KirchgängerInnen in Köln und anderswo auch nur ansatzweise erklärte.

Einen so schönen, aufgeklärten Rechtsstaat haben wir hier - da reicht der Vorwurf der "Störung der Religionsausübung" aus, um jemanden in den finanziellen Ruin oder gar ins Zuchthaus zu schicken. Über den Sinn oder vielmehr Unsinn von Religionen macht sich die Obrigkeit keine Gedanken - schließlich verhilft ihr dieser stupide Mumpitz auch weiterhin zur Macht. Das Mittelalter lässt grüßen. Wenn es ein Land gibt, in dem ich - abgesehen von den USA, Nordkorea und China - nicht leben möchte, dann ist es dieses.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Song des Tages: Something Wicked This Way Comes




(The Enid: "Something Wicked This Way Comes", aus dem gleichnamigen Album, 1983)

At bedtime when the light goes out once more,
Something wicked this way
Comes creeping soft across the floor.
Don't look now - it might be there ...
Oh, don't look now - it's over there somewhere!

Oh please, oh please help me!
Oh, wonderful world: A passing dream.
Oh, wonderful world: Just passing fancy.

The light's out and it is forever more.
Something wicked this way
Came singing songs of war.
Calm yourself - arm yourself!
No need to fear, your darling mother's here ...

Oh please, oh please help me!
Oh, wonderful world: A passing dream.
Oh, wonderful world: Just fleeting fancy.

In the sun (then there were none)
Three became two (all's said and done)
Two became one (thy will be done)
Then there were none (thy kingdom come)
Then there were none ...

Oh, wonderful world: A passing dream.
Oh, wonderful world: Just fleeting fancy.

(Just passing fancy.)



Anmerkung: Wer eine noch schönere Untergangsmusik kennt, die in solcher ausgefeilter Perfektion die orchestralen Werke des späten 19. Jahrhunderts in die Rockmusik implementiert, möge sich bitte zu Wort melden. Bislang ist Robert John Godfrey, das "Mastermind" von The Enid, der einzige mir bekannte Musiker und Komponist, der dies tatsächlich konsequent getan und mittels immer wieder neuen Komponenten stetig erweitert hat. Die Spanne des Werkes dieser Band reicht von herrlich frickeligen Prog-Kunstwerken aus den 70ern über sinfonisch-epische Konzeptalben aus den 80ern bis hin zu elektronischer Musik sowie geradezu klassisch anmutenden Kleinwerken wie beispielsweise dem reinen Klavierstück "Ballade" vom Album "White Goddess" (1997), das im Netz leider nirgends zu finden ist.

Davon abgesehen ist der hier verlinkte Song eine geradezu sinnbildliche Hymne auf unsere heutige, untergehende Zeit. Dass er trotz aller Dramatik letztendlich ebenfalls in einer harmonischen Dur-Sequenz endet, kann man durchaus als Reminiszenz zur Musik der Spätromantik verstehen, die den Untergang des Bestehenden ja ebenfalls oftmals thematisiert hat. Damals stand noch der Gedanke im Hintergrund, dass aus der Asche etwas Neues, Besseres aufleben könne - heute allerdings sind wir in dieser Hinsicht (abgesehen von manchen Eso-Jüngern, die dem damaligen knorrigen Gedankengut auch weiterhin anhängen) weiter und wissen, dass allenfalls eine Neuauflage des kapitalistischen Terrors auf die Menschheit wartet, wenn dieser wieder einmal zum Chaos und Weltkrieg führt. Aber - wir wissen es ja alle -: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das Albumcover illustriert es vortrefflich: "Three became two - two became one - then there were none."

Montag, 1. Dezember 2014

Zitat des Tages: Dies Haus


Dies Haus

in dem wir wohnen
wird hinter uns abgerissen

Wir liefern die Schlüssel ab
beim Verwalter
so ist es

Es sind
ein paar Dialoge geschrieben
die andere sprechen

Die Bücher
machen das größte Kopfzerbrechen

Für die paar Tage bitte
keine Blumen mehr
nichts mehr einkaufen

Vier Stockwerke
das ist die Höhe

Wenn es soweit ist
muss alles sehr schnell gehen

(Nicolas Born [1937-1979], in: "Gedichte 1967-1978", Rowohlt 1978)



Anmerkung: Manchmal werde ich den seltsamen Eindruck nicht los, dass eine Menge kritische Literatur bereits vor Jahrzehnten von Menschen geschrieben worden ist, die wohl über eine Zeitmaschine verfügten und eigentlich über unsere heute zerfallende Weltkulisse geschrieben haben. Vielleicht waren diese Menschen damals aber auch einfach etwas feinfühliger und haben die auch damals natürlich schon vorhandenen, deutlichen Tendenzen, die zum heutigen kapitalistisch-humanistischen Inferno geführt haben, schlicht etwas wacher und deutlicher wahrgenommen als es die damalige Propaganda der "Elite" vorgegeben bzw. vorgesehen hat.

Menschen, die heute vergleichbare Gedanken formulieren, werden nicht nur aus jedem künstlerischen Betrieb rigoros ausgeschlossen, sondern gleich zu "Ketzern" bzw. den allseits beliebten "Verschwörungstheoretikern" erklärt - und damit auch zukünftig an jeglicher Teilnahme am kulturellen Entwicklungsprozess, der ja längst auch gelenkt und damit zum Erliegen gekommen ist, gehindert. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Gedichte wie dieses in Schulen und Universitäten diskutiert, interpretiert und analysiert - heute kann ich mir das angesichts der grotesken "Lernmodule" und gleichgeschalteten "unternehmerischen", auf reinen Profit getrimmten und vom Wohlwollen irgendwelcher "Unternehmen" abhängigen Hochschulen nicht einmal mehr mit viel herbeigezauberter Fantasie vorstellen.

So werden wir Zeugen, wie die rudimentären Ansätze eines solidarischen Wohlfahrtsstaates, die nach der Katastrophe des letzten Kapitalismus-Endes und der nachfolgenden faschistischen Barbarei in langwierigigen und schweren Auseinandersetzungen ganz langsam erkämpft wurden, nun in immer schnellerem Tempo wieder abgeschafft und niedergerissen werden, während die mahnenden und damals auch teilweise gehörten Stimmen der Vergangenheit allmählich verstummen - in der erneuten untergehenden Glitzerwelt des Kapitalismus gibt es mahnende Stimmen nun ganz offiziell nur noch in der Form von Spinnern, Verschwörungstheoretikern und "ewig Gestrigen" - während das tatsächlich ewig Gestrige zeitgleich wieder rigoros an Fahrt aufnimmt. Die Formulierung des letzten Verses hat Born sicherlich mit großem Bedacht gewählt: Die Zerstörungen und zunehmenden Verwerfungen zugunsten der absurden Superreichtumsvermehrung der "Elite" mögen zunächst langsam vonstattengehen - aber wenn der unvermeidbare Endpunkt naht, muss es in der Tat "sehr schnell gehen", damit auch bloß niemand merkt, was für ein widerliches Spiel da eigentlich wiederholt wird.

"Dies Haus" ist das programmatische Gedicht von Schröder, Fischer und Konsorten, die unter dem Beifall der schwarz-gelben Bande den Abriss der ersten Fragmente eines beginnenden Wohlfahrtsstaates in die Wege geleitet haben - und wir dürfen gewiss sein, dass das Ende dieses Zerstörungsprozesses, den die Bande selbstredend in guter Orwell-Tradition und mit Unterstützung der Propagandamedien auch noch "Reformen" nennt, erst dann erreicht ist, wenn es tatsächlich wieder einmal "sehr schnell" gehen muss, um "Schäden" am Wachstum des Superreichtums (wohlgemerkt: nicht am eigentlichen Superreichtum, sondern lediglich am stetigen, nie endenden Zuwachs dieser grotesken Geldhalden) abzuwenden, indem einmal mehr eine unbeteiligte Minderheit oder, wenn's gar nicht anders geht, eben gleich die ganze faule Bevölkerung zum Sündenbock gemacht wird.

Dieses Haus ist ein Totenhaus, es ist todkrank, ins Perverse abgedriftet und in einer ewigen Zeitschleife der Wiederholung gefangen - in der Literatur nennt man so etwas "Albtraum" oder "Dystopie". Leider leben wir nicht in der Literatur, sondern in der Realität.