Samstag, 28. März 2015

Zitat des Tages: Der Soldat


unterm netz von stacheldraht
      hockt verlassen der soldat

sucht sich schläfrig umzudrehen
      denn er ist es müd zu sehen

wie er sich entgegengähnt
      mit dem kamm nach läusen strähnt

schaut er rechts sieht er sich rauchen
      links aus einem trinknapf tauchen

durch ein fenster sieht er sich
      zwanzigfach um einen tisch

und mit schweißverklebten haaren
      wird er in den hof gefahren

er sieht hände die ihn fassen
      und zur erde fallen lassen

hört ins manteltuch gehüllt
      wie er laut vor schmerzen brüllt

überm wald liegt feuerschein
      der soldat schläft langsam ein

(Christa Reinig [1926-2008], in: "Die Steine von Finisterre", Eremiten-Presse 1960)


Freitag, 27. März 2015

Realitätsflucht (18): Fable - The Lost Chapters


Meine heutige Flucht führt mich ins Fantasyreich "Albion", dem Handlungsort des PC-Rollenspiels "Fable - The Lost Chapters" (Lionhead Studios) aus dem Jahr 2005, das auf dem Konsolenspiel "Fable" aus dem Jahr 2004 basiert. Dieses Spiel war das allererste Rollenspiel dieser Art, das ich vor einigen Jahren überhaupt gespielt habe - deswegen hat es eine besondere Bedeutung für mich, da ich mich noch sehr gut an die Begeisterungsstürme, die es seinerzeit bei mir ausgelöst hat, erinnere.

2012 ist eine überarbeitete "Anniversary"-Version erschienen, was ich nun zum Anlass genommen habe, diese erste Spielerfahrung noch einmal zu wiederholen. Ich musste allerdings schnell feststellen, dass man das Spiel in weiten Teilen konsequent "verschlimmbessert" hat: Neben allerlei Bugs, die es zuvor nicht gab, ist hier insbesondere das komplett geänderte Menü zu nennen. Das ursprüngliche Menü war zwar ebenfalls kein großer Wurf, aber es war benutzbar, und darauf kommt es in einem solchen Spiel, in dem man diese Funktion relativ häufig benötigt, an. Die neue Version ist vollkommen unübersichtlich, potthässlich - und vor allem in der Bedienung komplett unbrauchbar, da das Menü sich - anders als in der alten Version - nicht einmal mit der Maus bedienen lässt, sondern exotische Tasten wie "Pos1" oder "Ende" bemüht. Ich habe mich drei quälende Stunden damit herumgeärgert, das Spiel dann entnervt wieder von der Platte entfernt und stattdessen die ursprüngliche Version gestartet. Um diese geht es im Folgenden.

"Fable" ist ein typisches Rollenspiel mit einer recht spannenden, wunderbar erzählten und teils sehr dramatischen Geschichte, über die ich hier nicht mehr verraten möchte. Der Spieler startet als Kind, erlebt die Kindheit und Jugend des späteren Helden quasi als Tutorial, bis er schließlich als junger, unerfahrener Heldenanwärter nach "Albion" aufbricht, um als Schwertkämpfer, Bogen- bzw. Armbrustschütze oder Magier (oder einer Kombination aus allen diesen) mannigfaltige Abenteuer zu bestehen und letztlich - natürlich - einmal mehr das ganze Land vor dem Untergang zu retten.


Im ersten "Bosskampf" tritt man gegen den Oberräuber "Zwillingskling" an.

Im Grunde handelt es sich um eine offene Welt - allerdings werden gewisse Areale erst später im Spiel freigeschaltet, wenn man bestimmte Aufgaben erfüllt und eine gewisse Stärke erreicht hat. Einen besonderen Schwerpunkt legt das Spiel auf die Atmosphäre: Dazu tragen fantasievoll und detailreich gestaltete, ziemlich unterschiedliche Areale ebenso bei wie der Tages- und Nachtrhythmus, der Wetterwechsel und die besonders zu lobende Musik, die tatsächlich im positiven Sinne Ohrwurmcharakter besitzt und ein unverwechselbares "Fable"-Gefühl produziert.

Das Spiel hat neben den üblichen Haupt- und Nebenquests, die es zu erledigen gilt, eine Menge Details zu bieten, die von verschiedenen Mini-Games bei Abzockern, die man in jeder größeren Stadt findet (u.a. Blackjack, Memory, Münzenschießen etc.), über einen Angel-Wettbewerb bis hin zu wunderbar prolligen Faustkämpfen reichen. Überall sind mehr oder weniger versteckte Truhen, vergrabene Schätze oder im Wasser verborgene Kostbarkeiten zu finden, wodurch der Anreiz, die Welt akribisch zu durchsuchen, gestärkt wird. Oft lohnt sich das, denn so lassen sich nicht nur wertvolle Gegenstände, die man verkaufen kann, finden, sondern auch Heiltränke, besondere Waffen oder Rüstungsteile sowie die im Spiel besonders wichtigen Silberschlüssel. Diese benötigt man, um besondere Truhen zu öffnen, in denen sich immer legendäre Gegenstände befinden. Fast schon sagenhaft sind die sprechenden sogenannten "Dämonentüren", von denen man in "Albion" eine ganze Reihe findet: Diese stellen dem Spieler jeweils eine bestimmte, manchmal auch verschlüsselte Aufgabe, die es zu erledigen gilt, bevor die Tür sich öffnet und ihre stets wertvollen oder nützlichen Schätze preisgibt.

Man kann sich frei entscheiden, ob man einen "guten" Helden oder einen "bösen" Tyrannen spielen möchte. Diese Entscheidung beinhaltet teilweise unterschiedliche Nebenquests und hat neben der Reaktion der Bevölkerung auf den Protagonisten (Jubel bzw. Angst und Flucht) insbesondere eine optische Konsequenz: Der Held erhält im weiteren Spielverlauf tatsächlich einen wunderbar kitschigen Heiligenschein, während dem Schurken allmählich diabolische Hörner aus der Stirn wachsen. Genauso ironisch wie dieses Detail sind weite Passagen des Spiels, das neben der ernsten, dramatischen Hauptgeschichte auch eine Menge Humor zu bieten hat.

Der Spieler kann Handel treiben, Häuser und Läden erwerben, sich verlieben, heiraten, Kinder bekommen, andere Leute bestehlen, ganze Städte ausrauben, wahllos morden und vieles mehr - alle diese Handlungen haben aber Konsequenzen, die man vorher bedenken sollte. Viel mehr will ich dazu gar nicht verraten.

Die deutsche Sprachausgabe ist äußerst gelungen und professionell umgesetzt. Das Spiel (wohlgemerkt: nicht die "Anniversary"-Version) ist frei von Bugs und läuft unter Win7/64 perfekt stabil (das Programm ist in beiden Spielverläufen kein einziges Mal abgestürzt). Der einzige wirkliche Kritikpunkt, der mir einfällt, ist die mangelhafte Speichermöglichkeit: Es gibt keine Schnellspeicherfunktion, und auch über das Menü lässt sich lediglich der "Helden-Spielstand" abspeichern, was zur Folge hat, dass man eine mit einer Bildschirmmitteilung begonnene Quest erst beenden muss, bevor man speichern und das Spiel beenden kann - ansonsten fängt man bei der nächsten Spielsession wieder am Beginn der besagten Quest an.

Es mag sein, dass ich "Fable" durch eine leicht rosa gefärbte Brille betrachte, da es ja mein "erstes Mal" in Sachen Rollenspiele gewesen ist - ich habe aber tatsächlich ansonsten nichts an diesem Spiel auszusetzen und betrachte es als eines der ganz Großen dieses Genres, das mir beim zweiten Mal genauso viel Spaß gemacht hat wie zuvor.


Donnerstag, 26. März 2015

Song des Tages: Stay With Me




(Asrai: "Stay With Me", aus dem Album "Pearls In Dirt", 2007)

Where will I stand
When there's nothing left to say?
Please stay ...
What will you choose
When there's nothing left to lose?
Time stands still ...

Hide behind the walls
Where a house is not a home
I can't break through ...
Stay with me
Time is all we have
Stay with me ...

Stay with me
When there's nothing left to hold
Please, stay ...

How can I breathe
When the sky has turned to grey?
It fades away ...
And I don't understand:
Does it always feel so cold?
Come, breathe with me ...

Does the nightmare find your head
Staring at the face?
The face behind ...
And I can't explain
When the sky has turned to grey
Breathe with me ... be with me ...

Breathe with me
When there's nothing left to lose
Please, stay ...


Mittwoch, 25. März 2015

Maut = Überwachung: Die schönen Pläne der neoliberalen Bande


Vor 15 Monaten konnte man auf den Internetseiten der SPD noch die folgende Ankündigung bestaunen:

Die CSU will allen Bürgern kräftig in die Tasche greifen. Zum Start ins neue Jahr preschen die Christsozialen mit Vollgas vor, um ihr Lieblingsprojekt Pkw-Maut durchzusetzen. Die SPD lehnt den Vorstoß von CSU-Chef Horst Seehofer ab und fordert: Kein Abkassieren aller Autofahrer – besonders der vielen Pendler mit geringem Einkommen.

Heute klingt dieses Bekenntnis allerdings so:

Der Weg für das umstrittene Pkw-Maut-Gesetz ist frei. Experten [sic!] von Union und SPD einigten sich in der Nacht auf Änderungen an dem Vorhaben, sodass das Gesetz am Freitag vom Bundestag beschlossen werden kann. Die SPD setzte dabei zudem durch, dass der Bundestag per Entschließungsantrag auch die Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen vorantreiben soll.

Soviel zur Glaubwürdigkeit der SPD und ihrem Front-Opportunisten und Schröderianer Sigmar Gabriel. Was bei der Berichterstattung über diese Farce aber wie gewohnt unter den Tisch fällt, ist die mit diesem Gesetz untrennbar verbundene Ausweitung der Überwachung, die nun dank SPD nicht mehr nur auf Autobahnen beschränkt bleiben, sondern auf alle Bundesstraßen ausgedehnt werden soll. Wenn die unsägliche Infrastruktur, die schon heute auf den Autobahnen dafür sorgt, dass keine Fahrt unentdeckt bleibt, künftig auch alle Bundesstraßen zieren sollte, sind wir dem von interessierter Seite herbeigesehnten "gläsernen Bürger" einen weiteren Schritt näher. In Kooperation mit den geplanten GPS-Systemen, die zukünftig in allen Pkw (angeblich zur "schnellen Hilfe bei Unfällen") verpflichtend installiert werden sollen, wird der Staat und werden natürlich auch die mit der Umsetzung beauftragten privaten Unternehmen exakt dokumentieren können, zu welcher Zeit sich ein Pkw an welchem Ort befunden hat.

So schöne Aussichten auf die "fürsorgliche Belagerung" durch die Obrigkeit hatten die BürgerInnen dieses Landes wahrlich schon recht lange nicht mehr.

Es ist nur eine Randnotiz, dass das unsägliche Maut-System in Kürze natürlich auch auf Bundesstraßen für Pkw gelten wird, wenn die entsprechende Infrastruktur einmal installiert ist. Da es heute schon absehbar ist, dass die nun beschlossene Gesetzesvariante, die "Deutsche" angeblich nichts kosten soll, mit "EU-Recht" unvereinbar ist, kann sich einjede/r selbst ausmalen, wie das Endergebnis aussehen wird: Diejenigen, die sich ein Kfz noch leisten können, werden künftig also ordentlich blechen müssen, um die eigene Totalüberwachung zu finanzieren. Ein typisches asoziales, bürgerfeindliches SPCDU-Projekt, das nach viel medialem Tamtam im Vorfeld nun beiläufig, schnell und im Schatten des Flugzeugabsturzes über die politische Schaubühne ins neoliberale, großkoalitionäre Körbchen getrieben wurde.

Der Weg zum humanimplementierten GPS-Chip als Voraussetzung für die deutsche Staatsbürgerschaft ist offensichtlich nicht mehr allzu weit - vermutlich werden "Ausländer", die immigrieren möchten, zuerst damit behelligt, bevor ...

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Unterwegs


"Emil, die Politik ist zum ---" — "--- Wem sagste das, Otto?!"

(Zeichnung von Henry [Henri] Bing [1888-1965], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 12.01.1925)

Dienstag, 24. März 2015

Zitat des Tages: Auf der Straße


Wenn ich auf die Straße hinaustrete,
sehe ich keinen Verkehr zwischen den Leuten,
keine Gruppen, die sich über die Zeitung unterhalten,
es liegt kein Gespräch in der Luft.
Ich sehe Leute, die so aussehen, als lebten sie
unter der Erde und als wären sie das letzte Mal
bei irgendeinem dritten oder vierten
Kindergeburtstag froh gewesen. Sie bewegen sich,
als wären sie von einem System elektrischer Drähte
umgeben, das ihnen Schläge austeilt, falls sie
einmal einen Arm ausstrecken oder mit dem Fuß
hin und her schlenkern.
Sie gehen aneinander vorbei und beobachten sich,
als wäre jeder der Feind des anderen.
Das ganze Leben hier macht den Eindruck,
als würde irgendwo ein großer Krieg geführt
und alle würden auf ein Zeichen warten,
dass die Gefahr vorüber ist und man sich
wieder bewegen kann.

(Friedrich Christian Delius [*1943], in: Born / Delius / von Törne: "Rezepte für Friedenszeiten. Gedichte", Aufbau 1973)


Montag, 23. März 2015

Manipulierte Realität: Ich bestimme, was du getan hast


Das haben hoffentlich alle mitbekommen: Die gesamte Kommunikation aller BürgerInnen via Handy bzw. "Smartphone" unterliegt seit Jahren dem unkontrollierten und schrankenlosen Zugriff der Geheimdienste. Damit sind nicht "nur" sogenannte Meta-Daten gemeint, deren Abschnorchelung schon schlimm genug wäre, sondern tatsächlich die gesamte Kommunikation inklusive der jeweiligen Inhalte.

Der ansonsten allzu oft Mainstream-Propaganda verbreitende Computer-"Experte" des WDR, Jörg Schieb, schreibt dazu in seinem WDR-internen Blog:

NSA und GCHQ haben sich die Schlüssel von SIM- und Chip-Karten unter den Nagel gerissen. Vor einigen Jahren schon. Wer anlässlich der jüngsten Enthüllungen des Online-Portals The Intercept nur mit den Achseln zuckt, dem ist entweder alles egal - oder er hat die Konsequenzen nicht verstanden. Denn wer den Schlüssel einer SIM- oder Chip-Karte hat, der kann mit der Karte machen, was er will. Er kann nicht nur Daten auslesen - er kann auch Daten schreiben, die Karte manipulieren. Die Geheimdienste können damit Gott spielen. Sie kriegen alles mit - und können nicht erwischt werden.

Das lassen wir uns doch mal auf der Zunge zergehen: Während die korrupte Bande - übrigens auch via WDR - nach wie vor abwiegelt, verharmlost und sogar immer wieder dreist behauptet, es gebe keine Belege für die allumfassende Totalüberwachung der ganzen Welt durch die "five eyes", sind Menschen, die des Lesens mächtig sind und diese Kompetenz nicht allein an BLÖD, FAZ, Spiegel & Co. ausgelagert haben, dank Edward Snowden glücklicherweise etwas schlauer.

Spinnen wir den bösen Gedanken doch einfach mal weiter: Wenn jene Geheimdienste, die sich ohnehin außerhalb jeder Jurisprudenz wähnen, in die Lage versetzt werden, Daten nicht nur hemmungslos, uneingeschränkt und illegal abzuhören und aufzuzeichnen, sondern dazu auch noch die Möglichkeit haben, sie nach Belieben - und in jedem Fall sanktionslos, weil nicht beweisbar! - zu manipulieren, was werden sie dann wohl tun? Die naheliegende Antwort kann sich einjede/r selbst geben.

Allmächtige, außerhalb aller Gesetze stehende Geheimdienste können eigentlich für jeden klar denkenden Menschen nur eine faschistoide Horrorvorstellung aus einer dystopischen Endzeit sein - für das Kommentariat des Schieb-Blogs gilt das allerdings nicht in Gänze. Dort entblößen gleich mehrere Kommentatoren ihre Dämlichkeit dermaßen brachial, so dass ich davon ausgehen muss, dass es es sich dabei eigentlich nur um Sockenpuppen der interessierten, profitierenden Seite handeln kann - anders ist die außerordentliche Diskrepanz zwischen totalem Irrsinn und zumindest sprachlich vorhandem Intellekt nicht rational erklärbar. Ein Beispiel reicht zur Illustration aus:

Machen wir uns doch nichts vor. Ein Geheimdienst der sich an all die Gesetze und Vorlagen halten würde, wäre im Ergebnis eine Lachnummer. Viele Erkenntnisse kommen nun einmal nur durch "illegale" Praktiken zur Auswertung. Sicherlich nicht schön, aber wenn es denn auch funktionell sein soll, geht es anders nun einmal nicht.

Das schreibt ein "Ulli Zauner" [sic!], den es mit dieser irrwitzigen Meinung - und da bin ich mir fast sicher - so nicht gibt, schlicht gar nicht geben kann. Die Bande kämpft mit allen Mitteln - gefälschte Kommentare sind auf diesem Gebiet doch eine eher geringfügige Lappalie.

Der Blog-Beitrag stammt vom 20. Februar - was ist also seitdem von Seiten unserer geliebten Bundesregierung geschehen, um diesen furchtbaren Missstand, der ohne ein rigoroses, sofortiges Eingreifen zweifellos in einem katastrophalen, faschistischen Fiasko enden muss, zu beheben? Die leidvolle Antwort kann sich wiederum einjede/r selbst geben. - Genau: Nix.

Ein Leben im Albtraum eines Perversen wäre ein fröhliches Zuckerschlecken gegen unsere böse, verkommene Realität.