Freitag, 3. April 2015

Song des Tages: Amnesia




(Dead Can Dance: "Amnesia", aus dem Album "Anastasis", 2012)

Saw the demonstration
On remembrance day
Lest we forget the lesson
Enshrined in funeral clay
History is never written
By those who've lost
The defeated must bear witness to
Our collective memory loss

With every generation comes
Another memory lapse
See the demonstrations of
Failing to learn from our past
We live in the dreamtime
Nothing seems to last
Can you really plan a future
When you no longer have a past

Memories fall from the trees
- Amnesia -
Memories like autumn leaves

If we are subject to
Empirical minds
I wonder what lies beyond
Our memory's confines
If memory is the true
Sum of who we are
May your children know the truth
And shine like the brightest star

Memories, help me see
- Amnesia -
Memories, set me free

All my love and all my kisses
Sweet Mnemosyne
All my love and all my kisses
Sweet Mnemosyne
Sweet Mnemosyne




Anmerkung: Dies ist der vielleicht eindringlichste neuzeitliche Song gegen das Vergessen, der mir bekannt ist. Wenn dieser seit Jahrhunderten andauernde, immer gleiche Ablauf derselben perfiden Mechanismen, die bislang noch ausnahmslos jede Zivilisation oder Hochkultur - oder was heute rückblickend so geschimpft wird - in die Katastrophe und nachhaltige Zerstörung und Auslöschung getrieben haben, nicht endlich gestoppt wird, sieht es auch für unsere zerbröckelnde Insel der "Zivilisation" zappenduster aus.

Anlass zur Hoffnung besteht indes nicht - die Kapelle der korrupten Bande spielt auch heute nur umso schriller, je größer die klaffenden Lecks im Rumpf des sinkenden Dampfers werden. Und so gilt auch weiterhin die allzu leidvolle Erkenntnis, die inzwischen längst zum perversen Motto der menschlichen Spezies geworden ist:

"Those who cannot remember the past are condemned to repeat it."

(George Santayana [1863-1952], in: "The Life of Reason", 1905/06)

Mittwoch, 1. April 2015

Nebenschauplatz Flugzeugabsturz: Triumph der Bigotterie


Ich hatte mir zu diesem Thema eigentlich eine Maulsperre verordnet, um angesichts eines solch sensiblen Sujets nicht ausfällig werden und möglicherweise dem einen oder anderen betroffenen Menschen pietätlos auf die Füße treten zu müssen - angesichts des anhaltenden, um sich greifenden Wahnsinns in Politik, Medien und teilweise sogar kritischen Blogs bleibt mir nun aber keine Wahl mehr und ich muss mich äußern.

Dieses Ereignis ist tatsächlich in allen Facetten ekelerregend: Es ist widerlich, dass viele Menschen gestorben sind; es ist widerlich, dass diese Tatsache innerhalb kürzester Zeit für geheuchelte politische Beileidsbekundungen missbraucht wurde; es ist widerlich, dass Politiker und Medien diesen Unfall zusätzlich unverzüglich für allerlei unterschiedliche Ziele instrumentalisiert haben und dies weiterhin tun; es ist widerlich, dass jenseits der Fakten bezüglich der Ursachen des Unglücks wild spekuliert wird, als seien alle Beteiligten vollkommen irre geworden; es ist widerlich, dass der vermeintliche Täter inzwischen posthum - samt seinem familiären Umfeld - wie eine böse Sau durchs verkommene Dorf getrieben wird.

Mich widert das nur noch an und ich ersehne seit Tagen ein Ende dieser irrwitzigen politisch-medialen Kampagne, welche die Verkommenheit des kaptitalistischen Systems noch übler gar nicht illustrieren könnte. Werfen wir doch einfach mal einen kurzen Blick auf die dünnen Fakten:

  1. Ein Flugzeug ist abgestürzt. - Das tun Flugzeuge, seit es sie gibt, leider immer wieder, und die Gründe dafür sind vielfältig. Ein bewusst herbeigeführter Absturz durch einen Piloten in suizidaler Absicht - der, wie gesagt, aktuell nicht mehr als nur eine vage Mutmaßung ist - stellt bezüglich eines großen Passagierflugzeugs die absolute Ausnahme dar, die meines Wissens bislang noch niemals zuvor dokumentiert worden ist. Weshalb ein solcher eventueller Ausnahmefall, den es nebenbei auch in allen übrigen Bereichen des menschlichen Lebens zu jeder Zeit und an jedem Ort geben kann, medial so aufgebauscht und schrill verzerrt wird, erschließt sich einem nüchternen Betrachter in keiner Weise.

  2. Seit Tagen beherrscht dieses Unglück bzw. beherrschen die wildesten Spekulationen darüber die Medienlandschaft - wodurch die Berichterstattung über andere, möglicherweise weitaus relevantere Themen erfolgreich verhindert wird.

  3. Das Thema "psychische Erkrankungen" rückt einmal mehr ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Es ist keine Neuigkeit, dass in diesem korrupten Land seit geraumer Zeit versucht wird, "abweichendem" Verhalten den Stempel der psychischen Krankheit aufzudrücken ("Jobcenter" tun das beispielsweise, wenn irgend möglich, sehr gerne) oder unliebsame Zeitgenossen auf diese Weise aus dem Weg zu räumen. Die aktuelle Propaganda illustriert das sehr anschaulich, wenn beispielsweise beim WDR zu lesen ist: "Co-Pilot galt vor Jahren als selbstmordgefährdet", um danach flugs zu relativieren und den nächsten Absatz dennoch mit der hanebüchenen, in diesem Kontext völlig irrsinnigen Headline zu beginnen: "Weiter Rätselraten um Motiv". Für die Propagandaverbreiter steht eben fest: Der "psychisch Kranke" trägt die Schuld; irgendwelcher Beweise - sowohl bezüglich der "Krankheit", als auch bezüglich der Täterschaft - bedarf es offenbar nicht. Auch die schnöde Tatsache, dass ein tatsächlich kranker Mensch in der Regel auch nicht schuldfähig sein kann, findet keinen Eingang in diese üble Hetze. Außerdem ist es ein ausgemachter Skandal, dass medizinische Details, die in der Öffentlichkeit absolut nichts verloren haben, hier nicht nur wie gewohnt von Springers Hetzblättern ungehemmt ausgebreitet werden, sondern auch von den öffentlich-rechtlichen Kuhmedien und sonstigen Qualitätsposaunen. Entsprechend wird nun bereits in einigen dieser Medien das Prinzip der ärztlichen Schweigepflicht angegriffen.

  4. Das perverse kapitalistische System produziert [!] jeden verdammten Tag zehn-, gar hunderttausende von Toten: Zu all den Verhungerten, Verdursteten und an heilbaren Krankheiten Gestorbenen kommen noch all die Ermordeten hinzu, die amerikanischen Drohnen und den imperialistischen Angriffskriegen der NATO laufend zum Opfer fallen. Millionen von Toten im Irak, alle fünf Sekunden ein verhungertes Kind unter zehn Jahren weltweit, eine drastisch erhöhte Suizidrate beispielsweise in Griechenland - die Liste ist schier endlos. Für all diese Menschen gibt es keine politischen Beileidsheucheleien, medialen Sonderberichte oder gar investigativen Untersuchungen - letzteres darf nach herrschaftlicher Weisung ja auch gar nicht sein, da man ansonsten zu dem Schluss kommen müsste, dass das kapitalistische System der Habgier die Ursache der Katastrophen ist. Und das muss um jeden Preis verhindert werden - sagen die "Eliten", und die hörigen Knappen folgen brav und willig.

Die Bigotterie, Heuchelei und Sensationsgier der korrupten Bande feiern in diesem Land ebenso ungeahnte Triumphe wie die schamlos ausgenutze Instrumentalisierung jedweder Ereignisse - je katastrophaler bzw. größer, desto besser - für eigennützige, menschenfeindliche Zwecke. Ich kann mich da tatsächlich nur noch angewidert abwenden, ab sofort erneut mein Maul halten und die Flucht in virtuelle Welten antreten. Täte ich das nicht, brächte ich meine pazifistische Gesinnung in arge Bedrängnis.

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Tender Lie



(Gemälde von Francesco Clemente [*1952] aus dem Jahr 1984, Mischtechnik auf Holz und Aluminium, Privatbesitz, Zürich)

Montag, 30. März 2015

Konzert des Tages: Roger Waters & The Bleeding Hearts Band




(Roger Waters & The Bleeding Hearts Band: "In The Flesh", Konzert in der Rose Garden Arena, Portland, Oregon, USA am 20.07.2000)

Anmerkung: Was Waters mit seinen KollegInnen in diesem 15 Jahre alten zweieinhalbstündigen Konzert abgeliefert hat, beeindruckt mich wirklich sehr. Der Mann hat hier außergewöhnliche Musiker und Sängerinnen engagiert, die allesamt virtuoser und schlicht besser spielen als die gesamte ehemalige Pink-Floyd-Mannschaft einschließlich Waters selbst. Zu Beginn wird ganze anderthalb Stunden lang eine fulminante Auswahl von Stücken aus sämtlichen Floyd-Alben von 1973 bis 1983 dargeboten, die kein Auge trocken und kein Ohr ungerührt lassen kann - einschließlich eines epischen Syd-Barrett-Memorial-Teils, der fast das gesamte Album "Wish You Were Here" umfasst, nebst einem Schmankerl aus dem Jahr 1968, das im Original vom legandären Mitbegründer der Floyds noch mit eingespielt wurde, sowie einem mit 60er-Jahre Glamour-Anzug bekleideten und Barrett-Perücke tragenden Gitarristen. Abgerundet wird das Spektakel von einigen jüngeren Waters-Songs, vor allem aus dem Album "Amused to Death", gefolgt vom unvermeidlichen Finale aus "The Dark Side Of The Moon", dem Wall-Song "Comfortably Numb" und dem eigens für diese Konzertreihe geschriebenen "Each Small Candle".

Ich habe dem Mann, den ich zuvor in den frühen 90ern einige Male live erlebt habe und davon eher mäßig angetan war, einen solchen Auftritt nicht mehr zugetraut und war hellauf begeistert, als ich ein anderes Konzert dieser Tournee kürzlich auf DVD sah. Es wird vermutlich nicht allzu lange bei youtube verfügbar sein - wer es sich dort in einer zumindest halbwegs erträglichen Bild- und Tonqualität anschauen möchte, sollte sich also sputen. Für mich persönlich war beim Ansehen die Erkenntnis ein wenig erschreckend, dass ich tatsächlich sämtliche Textzeilen nach wie vor auswendig kenne - ich habe meine bisherige Lebenszeit offensichtlich in nicht unerheblichem Maße mit Pink Floyd und Roger Waters verbracht ... ;-)