Samstag, 18. April 2015

Realitätsflucht (19): Risen




Mein heutiger Fluchtexkurs in die Virtualität führt in die Welt des deutschen Entwicklerstudios Piranha Bytes und deren Spiel "Risen" aus dem Jahr 2009. Dieser Nachfolger der wohlbekannten Gothic-Reihe war für mich persönlich das - nach "Fable" - zweite Rollenspiel dieser Art, das ich überhaupt gespielt habe. Und, um das Fazit vorwegzunehmen, es bleibt für mich eines der besten Spiele, die auf diesem Gebiet bisher entwickelt worden sind.

Zur Geschichte gibt es nicht viel zu sagen: In altbewährter Gothic-Tradition findet sich der Spieler am Beginn als natürlich "namenloser Held" als Schiffbrüchiger am Strand einer ebenso namenlosen Insel wieder, von wo er sich sodann aufmacht, eben diese zu erkunden und sie nebenher vor dem Untergang zu bewahren. Der Rahmen dieser Geschichte ist sehr krude und lautet verkürzt so: Die Götter, die seit Urzeiten herrschten und die Titanen im Zaum hielten, haben die Welt verlassen, weshalb nun der Untergang der Welt durch jene, nun entfesselten Titanen droht. Es versteht sich von selbst, dass es auch in dieser Geschichte einen größenwahnsinnigen Vollidioten (nämlich den Inquisitor Mendoza) gibt, der meint, die bösen Mächte beherrschen und für seine eigenen Zwecke nutzen zu können - ganz so, wie es ähnliche Gesellen in unserer realen Welt auch heute immer noch tun.

Bis dieser lächerliche CDU-Trottel im Vorbeigehen besiegt werden kann, vergehen viele Stunden voller Spielspaß, die es in sich haben: Der namenlose Held hat unzählige Quests zu erledigen, die ihn sowohl bezüglich des Kampfes, als auch in Sachen sozialer Kompetenz stetig voranbringen. Der Spieler hat die Wahl, ob er aus seinem Helden einen kraftstrotzenden Kämpfer, einen mächtigen Magier, einen weisen Alchemisten, einen fiesen Dieb oder einen fabulösen Schmied machen möchte - oder ob er eine wilde Mixtur all dieser Fähigkeiten bevorzugt.

Zu Beginn muss man sich bereits entscheiden, ob man lieber den Weg des Magiers oder den des Kämpfers bevorzugt - das Spiel nimmt einem unwilligen Spieler die Entscheidung allerdings ab, indem es den namenlosen Helden, wenn der Spieler nicht aufpasst, ziemlich schnell als Zwangsrekrut in die Magierfestung katapultiert. Wer das nicht möchte, sollte dem Rat des ersten Banditen, dem man im Spiel begegnet, schnell Folge leisten.

Wie in solchen Spielen gewohnt, gibt es für jede erledigte Aufgabe Erfahrungspunkte, die regelmäßig zu Level-Aufstiegen führen. Über die damit verbundenen Lernpunkte kann der Spieler frei verfügen und bei verschiedenen Lehrern im Spiel ganz unterschiedliche Fertigkeiten erlernen. Besonders hervorheben möchte ich hier die Waffenart der Armbrust, die in anderen Spielen dieser Art eher selten vorkommt. Bogenschießen in "Skyrim" macht schon Spaß - aber gegen die Armbrust in "Risen" kann das nicht anstinken.

Das Spiel ist anfangs sehr leicht, wird zunehmend aber immer schwieriger. Die aus "Gothic III" (das ich persönlich erst später gespielt habe) bekannte Taktik, aus einer größeren Gruppe mittels Fernkampfwaffe einzelne Gegner herauszulocken, um sie dann leicht nacheinander zu erledigen, funktioniert hier leider nur sehr selten. Dafür kann man in Gefahrensituationen fast immer die Beine in die Hand nehmen und vor den Feinden fliehen - oder sie zu Verbündeten führen, die sie dann bekämpfen.

Ein totaler Stilbruch ist allerdings der Endkampf mit dem Feuertitan, den man angesichts der zuvor im Spiel verbrachten vielen Stunden einfach nicht ernstnehmen kann. Hier haben die Entwickler offensichtlich Konzessionen mit billigen Konsolenspielen gemacht - anders ist das alberne Herumgehopse, das man hier absolvieren soll, nicht erklärbar. Es ist schade, dass hier kurz vorm Orgasmus ein so lächerlicher coitus interruptus eingebaut wurde.

Die Grafik des Spiels ist zeitgemäß, die deutsche Sprachausgabe ist professionell, die Musik ist minimalistisch, aber passend. Ich habe nach "Risen" kein Rollenspiel mehr gespielt, das mir mehr Spaß gemacht und das mich mehr in seinen Bann gezogen hat. Auch der Vorgänger "Gothic III" und der Nachfolger "Risen II" (über die ich beide sicher noch schreiben werde) können daran nichts ändern. Wer das Spiel noch nicht ausprobiert hat, sollte das dringlichst tun.


Freitag, 17. April 2015

Song des Tages: Cold Cell




(Coil: "Cold Cell", aus dem Album "The Ape of Naples", 2005)

O Lord, save my sinful soul
From local punishment
From the far-away zone

From being frisked
From the tall fence
From the severe prosecutor
From the Devil or from the devil owner
From small rations
From dirty water
From steel handcuffs
From hidden obligations

A cold cell
And short haircuts
Save us from the death penalty
Amen
Amen
Amen



Anmerkung: Der Text dieses Songs ist laut CD-Booklet die ins Englische übertragene Version eines "russischen Häftlingsgebets" aus der dunklen Zeit Stalins und der Gulags. Das Album wurde kurz nach dem tragischen Tod des Sängers John Balance [1962-2004] veröffentlicht und gehört nach meinem Empfinden zu den besten Arbeiten dieser großartigen Ausnahmeband.

Ganz am Rande: Wer auf dem Cover lediglich einen "brüllenden Affen mit zum Gebet erhobenen Händen" erkennt, sollte sich das Bild einmal auf dem Kopf stehend ansehen und dabei an das böse Szenario einer Kastration denken.

Donnerstag, 16. April 2015

Triumph der Bigotterie (2): "Nationale Betroffenheit"


Die widerliche, menschenfeindliche Bande zieht ihren verabscheuungswürdigen Heuchelkurs unbeirrt durch (hier geht's zum ersten Teil). Was interessieren Merkel, Gabriel & Co. tote "Neger", wenn es stattdessen auch medienwirksam Deutsche zu "betrauern" gibt?

Ein Gastbeitrag von Altautonomer.

Wenn die politische Elite der "Weltmeister der Herzen" eines perfekt beherrscht, dann ist es die öffentliche Trauer-"Arbeit", das Zelebrieren von angeblicher Betroffenheit. Für die "größte Trauerfeier Deutschlands" (Vorsicht: Link geht zur BLÖD-"Zeitung") im Kölner Dom werden neben Ana Pastor Julián (Spaniens Verkehrsministerin) und Laurent Fabius (Frankreichs Außenminister) die üblichen Repräsentanten des geheuchelten Mitleids aus Deutschland dabei sein: Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Kanzlerin Angela Merkel, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sowie Hessens Ministerpräsident Volker Buffier.

Niemand denkt daran, diese Trauerzeremonie abzusagen, sie zu verschieben oder eine weitere für die neuen Opfer zu planen. Denn am vergangenen Wochenende sind vor der Küste Libyens 400 Flüchtlinge ertrunken, weil ihr überladenes Boot kenterte. Darunter auch eine schwangere Frau, während eine weitere Frau noch auf dem Rettungsschiff der italienischen Kriegsmarine ein Baby zur Welt brachte. Für diese Toten aus armen Ländern bricht kein Politiker seine Urlaubsreise ab, es fliegen auch weder Merkel noch Steinmeier nach Lampedusa, um mit einem italienischem Hubschrauber über die Stelle im Mittelmeer zu fliegen, an der das Boot gekentert ist. Es macht sich auch keine Armee von Journalisten auf nach Libyen, um dort in penetranter Art und Weise die Hinterbliebenen der Opfer, so sie dort anzutreffen wären, zu filmen oder zu interviewen.

Pech eben, dass unter den Opfern keine Deutschen waren.

Obwohl in diesem Jahr bereits rund 900 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer, dem größten Friedhof Europas, ertrunken sind (2014 waren es über 3.000), beschränkt sich die Reaktion der Bundesrepublik auf das Statement von Regierungssprecher Steffen Seibert, der nicht müde wird, im Auftrag seiner Chefin bei Unterschlagung der Verantwortung von "Frontex" zu wiederholen, dass die Länder, aus denen die Flüchtlinge aufbrechen, "die Schlepperaktivitäten besser bekämpfen" müssten. Der Kanzlerin, dem Außenminister, dem Bundesgauckler und dem sozialdemokratischen Erzengel Gabriel ("Dick und Doof in einer Person") sind diese Toten nicht einmal eine Pressekonferenz oder irgendeine sonstige Bemerkung wert.

Das Sterben vor den Stränden der südeuropäischen Urlaubsparadiese geht unterdessen weiter. Diejenigen, die die rettenden Küsten Europas lebend erreichen, werden dagegen von den Medien zur "Asylantenschwemme" und Bedrohung für die Einwanderungsländer gebrandmarkt. Nicht wenige davon werden in Deutschland direkt in Abschiebehaft genommen und dürfen sich dort gleich wie zu Hause fühlen.

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Anmerkung des Kapitäns: Wenn ich so viel kotzen könnte wie ich müsste, wäre der Kölner Dom schon vor der Ankunft der widerwärtigen Heuchlerbande bis zum Rand gefüllt und damit nicht begehbar.

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Magenbeschwerden



(Lithografie von George Grosz [1893-1959] aus dem Jahr 1921, in: "Ecce Homo", Malik 1923)

Mittwoch, 15. April 2015

Zitat des Tages: Schlussstück


Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
Lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
Wagt er zu weinen
Mitten in uns.

(Rainer Maria Rilke [1875-1926], in: "Das Buch der Bilder", 1902)

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Bildnis eines toten jungen Wissenschaftlers



(Gemälde von Jiří Georg Dokoupil [*1954] aus dem Jahr 1982, Dispersion auf Nessel, Privatbesitz [sic!], Köln)

Dienstag, 14. April 2015

Musik des Tages: Klavierkonzert Nr. 1 in e-moll




  1. Allegro maestoso
  2. Romanze – Larghetto
  3. Rondo – Vivace

(Frédéric Chopin [1810-1849]: Klavierkonzert Nr. 1 in e-moll, Op. 11; Israel Philharmonic Orchestra, Klavier: Evgeny Kissin, Leitung: Zubin Mehta, 2011)

Nachrichten aus Kapitalistan: "Weil überall Geld fehlt"?


Wer kennt ihn nicht, diesen dusseligen Spruch, der sich unter Anderem in absurden Feststellungen niederschlägt wie XY "muss den Gürtel enger schnallen" oder XY "hat über seine Verhältnisse gelebt"? Die angebliche Geldknappheit - ein systemisches Wesensmerkmal des eigentlich laut offizieller Propaganda ja "Wohlstand bringenden" Kapitalismus - wird immerzu als alternativloses Totschlagargument angeführt, wenn wieder einmal in großem Stil gekürzt, also verarmt (sprich: von unten nach oben umverteilt) werden soll.

Ein unscheinbarer Text bei n-tv klärt den so gebeutelten Verarmten oder von Armut Bedrohten nun lapidar auf:

42 Milliarden Euro für Aktionäre / Deutsche AGs zahlen Rekord-Dividenden / Nicht nur im Dax regnet es derzeit Geld für Anleger - in Summe zahlen alle börsennotierten deutschen Unternehmen laut einer Studie so viel Dividende wie noch nie zuvor.

Das widerliche Gesindel der Superreichen, das im Kapitalismus in diesem Zusammenhang gern euphemistisch als "Anleger" oder gar "Investoren" bezeichnet wird, füllt sich unverdrossen, kontinuierlich und nach wie vor völlig hemmungslos die schon lange aus allen Nähten platzenden, überquellenden Taschen, während zeitgleich das offizielle Gejammere über die angebliche Geldknappheit munter weiter aufrechterhalten wird.

So geht Orwell im 21. Jahrhundert. Und wie wir tagtäglich beobachten können, funktioniert der irrsinnige Schwindel auch heute noch immer - oder, korrekter gesagt, besser als jemals zuvor: Fast die gesamte Bevölkerung trabt grunzend wie eine Horde hirntoter Zombies im Propagandastrom mit, schuftet brav für den steten Vermögenszuwachs der feudalen Herrschaften und bemerkt nicht einmal, welche Sklavendienste sie überhaupt leistet. Es gibt massenhaft ZeitgenossInnen, die perfekt konditioniert sind und das infantile Märchen von der "Eigenverantwortung" schon so weit verinnerlicht haben, dass sie nicht einmal im Traum auf die Idee kämen, es angesichts der herrschenden Verhältnisse auch nur kurz in Frage zu stellen - während zeitgleich das "elitäre" Pack leistungs- und verantwortungslos die Milliarden auf Kosten aller anderer Menschen unaufhaltsam an sich rafft.

Dieser perversen Welt fehlt kein Geld, und zwar nirgends - dieser Welt fehlt lediglich eine ausgewachsene Revolution. - Darauf können wir im obrigkeitshörigen Dumm-Deutschland indes warten, bis der Bart gleich dreimal um den Erdball reicht und die Sonne verdunkelt.

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Gottvertrauen


"Halb sechs - sie muss kommen, die Weltrevolution!"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 15 vom 08.07.1919)