Samstag, 14. Mai 2016

Mediengroteske: "Fast die Hälfte aller Bürger kann sich eine Autoreparatur von 400 Dollar nicht leisten"


Die Zeit Online ist aktuell wieder einmal in vorderster Front dabei, die fatalen Auswirkungen des kapitalistischen Systems zu vernebeln und in dumpfe, natürlich "eigenverantwortliche" Bereiche der jeweiligen Opfer zu entführen. In einem Bericht zur wachsenden Armut in den USA heißt es dazu:

In den USA ist es einfacher, auf Pump zu leben, als zu sparen. Die Armut nimmt zu. Fast die Hälfte aller Bürger kann sich eine Autoreparatur von 400 Dollar nicht leisten.

Es lohnt sich, den ganzen Text zu lesen, auch wenn das bisweilen arg schmerzt. Mit keinem Wort wird hier der Kapitalismus erwähnt - laut Zeit sind die Menschen in den USA offenbar einfach zu dumm und verschulden sich deshalb massenhaft. Der publizistische Irrsinn könnte indes gar nicht offensichtlicher sein. Ein hanebüchenes "Bildungssystem", das Menschen nach der Uni mit immensen Schulden ins Dasein des Ausgebeuteten entlässt, wird hier ebenso als gottgegebene Rahmenbedingung angesehen wie die perversen Niedrigstlöhne, die trotz einer Arbeit in Vollzeit nicht ausreichen, um ein halbwegs menschenwürdiges Leben zu führen.

Sehr berühmt ist die Zeit ja für ihre nicht vorhandenen Übertragungen. Es fällt jedenfalls mir nicht sonderlich schwer, von den beschriebenen Auswüchsen in den USA auf deutsche Verhältnisse zu schließen, wo sich ja ganz ähnliche Tendenzen abzeichnen. Es gibt nicht mehr nur "ein paar" Menschen, die sich beispielsweise nicht nur keine Reparatur, sondern überhaupt kein Auto mehr leisten können - die Zahl geht längst in die Millionen (mit zunehmender Tendenz), und der Kapitalismus setzt darauf, dass es dafür eben mehr "privilegierte" Menschen gibt, die sich zwei oder noch mehr Autos leisten können, um den Rubel weiter rollen zu lassen. Das lächerliche, menschenfeindliche Spiel ist so alt und übel wie der Kapitalismus und Faschismus selbst.

Dasselbe betrifft das unsägliche Verschuldungsthema. Schulden bzw. Kredite sind der Nährboden des Kapitalismus, ohne den er gar nicht existieren könnte. Entsprechend werden auch hierzulande die Menschen - auch vom Staat, nicht bloß von den verbundenen Konzernen - in die Schuldenfalle gestoßen. Das fängt beim Hartz-Terror-Opfer, das beispielsweise eine neue Waschmaschine benötigt und dafür ein "Darlehen" beim Amt aufnehmen muss [sic!], an und hört beim Angestellten, der sich ein "Eigenheim" schaffen will, noch lange nicht auf.

Der Zeit-Artikel von Thorsten Schröder liest sich so, als habe der Autor eine finstere Haftanstalt besucht (ohne das dem Leser mitzuteilen) und sich nun darüber echauffiert, dass alle Insassen sich perversen Regeln unterwerfen - als gebe es keine Alternative. Ich formuliere es - extra für Herrn Schröder - einmal aus: Im Kapitalismus gibt es in der Tat nur die Wahl zwischen Ausbeutung, Verschuldung und Sklaventum auf der einen und der "völlig freien" Obdachlosigkeit auf der anderen Seite. Das ist die "Freiheit", die Kapitalisten - und mit ihnen auch die Zeit - in höchsten, gerne elfischen Tönen besingen.

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Das Ende des Kapitalismus


"Im wunderschönen Monat Mai ---"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 6 vom 06.05.1919)

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Anmerkung: Der Text zur Zeichnung bezieht sich auf Heinrich Heines Gedicht "Lyrisches Intermezzo" aus seinem "Buch der Lieder" (1827):

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

Freitag, 13. Mai 2016

Song des Tages: Lieblingsfarben und Tiere




(Element of Crime: "Lieblingsfarben und Tiere", aus dem gleichnamigen Album, 2014)

Schön, dass Du anrufst, leider umsonst,
dass mein Handy abgestellt ist, hast Du schon geschnallt.
Denn warum solltest Du sonst mein völlig sinnloses Festnetztelefon
zum Klingeln bringen - mach's wie ich, leg Dich hin und mach die Augen zu.

Denk an Lieblingsfarben und Tiere,
Dosenravioli und Buch und einen Bildschirm mit Goldfisch,
das ist für heute genug.

Schön, dass Du persönlich an der Tür die Klingelleitung testest,
Du hast Recht, da ist technisch nicht alles 1-A.
Im Schwachstromsignal-Übertragungsweg gibt es Durchleitungsprobleme,
doch wer wirklich zu mir will, kommt damit klar.

Er braucht nur Lieblingsfarben und Tiere,
Dosenravioli und Buch und einen Bildschirm mit Goldfisch,
das ist für heute genug.

Meine Lieblingsfarbe ist eigentlich grün, aber manchmal blau,
und gestern war es rot, das war auch ganz schön.

Die E-Mails und die Kurznachrichten kannst Du zusammen
mit den Excel- und Word-Dokumenten dahin tun,
wo die Sonne auch an warmen Tagen niemals scheint und wo
auch schon die Meetings und die Skype-Kontakte ruh'n.

Denk an Lieblingsfarben und Tiere,
Dosenravioli und Buch und einen Bildschirm mit Goldfisch,
das ist für heute genug.


Donnerstag, 12. Mai 2016

Bloggerprobleme: Hilfe bei einem Script


Seit einigen Tagen funktioniert das Script, mit dem bisher in der rechten Spalte die "neuesten Kommentare" angezeigt wurden, nicht mehr (oder nur noch sporadisch). Ich habe nun schon diverse Scripte, die ich im Internet fand, ausprobiert, allerdings ohne Erfolg - sie funktionieren hier allesamt nicht. Vielleicht kann mir ja irgendein hilfsbereiter Bloggerkollege auf die Sprünge helfen und ein Script posten oder verlinken, das bei blogspot auch tatsächlich zuverlässig funktioniert? Vielen lieben Dank im Voraus! :-)

Dieses ist das aktuelle Script, das seinen Dienst verweigert:


Mittwoch, 11. Mai 2016

Der "Nachtwächterstaat" im Kapitalismus


Die neoliberale Bande schwafelt seit Jahrzehnten davon, dass "der Staat" sowie dessen minimaler Einfluss auf "die Märkte" schlicht Teufelszeug seien, die es zu bekämpfen und zu beschneiden gelte. Selbstverständlich gilt das aber nur, wenn es um die "Freiheit" der korrupten Profitgeier der selbsternannten "Elite" geht - in allen anderen Bereichen darf und soll der "schlanke", rigoros autoritäre Staat zu einem fettleibigen Monstrum werden, das beispielsweise Arbeitslose, Flüchtlinge, Kranke oder Alte rigoros verfolgt, drangsaliert und ihnen jede verbliebene Form der gern gepriesenen Freiheit unmöglich macht. Die Hartz-Terror-Gesetze sind ebenso ein beredtes Beispiel dafür wie der schikanöse Umgang mit Flüchtlingen (konsequente Zwangsverarmung, "Residenzpflicht", geplante Zwangsassimilation etc.).

Wie der "schlanke Staat" nach kapitalistischer Sicht auszusehen hat, zeigen die jüngsten Vorstöße der menschenfeindlichen Bande nur allzu deutlich: Thomas "die Misere" will das Personal des BKA um 1.500 neue Bürgerüberwachungsvasallen aufstocken und Stahlhelm-Uschi von der Leyen möchte die "Verteidigungs"-Armee Deutschlands gleich um mehrere zehntausend potenzielle, gelernte Mörder erweitern.

Das ist gewiss genau das, was diese Welt gerade braucht: Mehr Überwachung der BürgerInnen und noch mehr Militär, um die furchtbar bedrohten Grenzen Deutschlands in aller Welt mit Bomben und mörderischem Terror zu "sichern". Da spielt es auch keine Rolle, was das den "Steuerzahler" kostet - massenhafte Altersarmut, eine ebenfalls in der Armut verschwindende Mittelschicht und eine zunehmend marode Infrastruktur müssen in Kauf genommen werden, wenn der "schlanke Staat" seine diktatorischen, zunehmend monströsen Muskeln spielen lässt und dabei Milliarden Euro verschlingt. Es geht im Kapitalismus schließlich klar erkennbar nicht um das Wohl der Menschen, sondern um den Erhalt des kranken Systems um jeden Preis, um die Privilegien, die Macht und den Reichtum der "Elite" zu sichern.

Dummerweise bemerkt der Großteil der betroffenen Menschen das nicht und verhält sich wie das Schlachtvieh vor 90 Jahren, das willfährig dem braunen Grauen den Weg geebnet hat. Angesichts der zunehmenden staatlichen Überwachung und der militärischen Aufrüstung kann ich mir den ohnmächtigen Gruß nicht verkneifen: Herzlich willkommen im untergehenden Weimar 2.0.

Und nun schlafen wir - wie damals - selig weiter. Gute Nacht allerseits.

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Taverne



(Gemälde von Andrei Petrowitsch Rjabuschkin [1861-1904] aus dem Jahr 1891, Öl auf Leinwand, Tretjakow-Galerie, Moskau, Russland)

Dienstag, 10. Mai 2016

Neues von der Veganerfront


Kürzlich las ich eine Meldung, die mich einmal mehr tief berührt und in den Grundfesten meines Denkens erschüttert hat. Ich esse ja bekanntlich gerne - wenn auch aus finanziellen Gründen eher selten - Fleisch und vor allem echten, handgemachten Käse, der nichts mit den industriell hergestellten Gummiwaren aus den Supermärkten gemein hat. Nun gerät diese Vorliebe wieder einmal ins Wanken, denn auf dem seriösen Info-Portal Paramantus musste ich lesen:

Die Welt der Medizin steht Kopf. Zum ersten Mal ist es Ärzten gelungen, einem Menschen vollständig den Kiefer zu entfernen und ihn durch den eines Schafs zu ersetzen. Der Grund ist naheliegend: Der überzeugte Veganer Dennis Kokoschka aus Berlin wollte mit dieser einmaligen Transplantation seine Lebenseinstellung untermauern.

Mein erster Gedanke war, dass ich mir - diesem Beispiel folgend - vielleicht das Gebiss eines Löwen implantieren lassen könnte, um das zarte Fleisch junger Lämmer und Antilopen noch besser genießen zu können. Dann gewann aber schnell der Pragmatismus die Oberhand und ich gelangte zu der Überzeugung, dass ich mit einem Schafskiefer doch besser beraten wäre, da ich so auf Lebensmitteleinkäufe zukünftig gänzlich verzichten und mich stattdessen auf den Wiesen und Weiden der Umgebung mit der notwendigen Nahrung eindecken könnte. Außerdem dürfte ich in diesem Falle zumindest Schafskäse noch essen, sagte mir zumindest mein verzweifelter Verstand.

Die Anfrage bei meiner Krankenkasse ist bislang leider unbeantwortet geblieben.

Alternativ habe ich auch um die Implantation des Fresswerkzeuges der Buckelwale gebeten, die einfach mit geöffnetem Maul durchs Meer schwimmen und dabei Krill und kleine Fische in großen Mengen verspeisen. Das ist zwar ebenfalls nicht vegan, dafür aber vollkommen natürlich und vor allem gänzlich anstrengungslos.


Der Albtraum der Veganer: Die Natur

Montag, 9. Mai 2016

Wenn der Stumpfsinn zweimal klingelt: Die schrumpfende Mittelschicht


Die kapitalistische Mainstreampresse hat wieder einmal ein Glanzstück abgeliefert, das keine Fragen mehr offen lässt, ob es sich bei vielen Verlautbarungen aus jenen Kreisen nun um Dummheit und gnadenlose Inkompetenz oder doch eher um Vernebelung und bewusste Propaganda handelt. Am vergangenen Freitag im Jahre des Spaghettimonsters 2016 - satte elf Jahre nach der Einführung des Hartz-Terrors - verkündeten n-tv & Co. melodramatisch:

Mittelschicht schrumpft in Deutschland / Wenn man Mittelschicht sagt, schwingt in Wahlkampfzeiten schnell das Wort Abstiegsangst mit. Eine neue Studie zeigt: Deutsche und US-amerikanische Verhältnisse sind nicht mehr so weit voneinander entfernt.

Beim Barte des Propheten, dachte ich beim Lesen dieser Überschrift, haben die Enddarm-JournalistInnen nun doch endlich verstanden, wie Kapitalismus funktioniert und beginnen womöglich mit der so dringend notwendigen Aufklärung? - Okay, ich dachte das nicht wirklich, und selbstverständlich fand auch diesmal nichts dergleichen statt - dafür wirft der Autor des Beitrages mit albernen Plattitüden, Dummheiten und Nebelkerzen um sich, dass es nur so knallt und zischt. Er ist sich nicht einmal zu blöde, aus der - offenbar ebenso dämlichen Studie des "Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung" (DIW) - knallhart zu zitieren und diese Entwicklungen - ich musste arg an mich halten beim Lesen - gar "überraschend" zu nennen.

Jedem, der sich auch nur rudimentär mit den kapitalistischen Verwerfungen der Weimarer Endzeit und ihren heutigen Parallelen beschäftigt hat, ist seit langem klar, dass die Verarmung der unteren Schichten (und dazu gehört aus elitär-kapitalistischer Sicht selbstredend auch die so genannte Mittelschicht) eine logische und unausweichliche Konsequenz in diesem fatalen System sein muss. Selbst wer nur für 10 Cent kurz nachdenkt, muss angesichts der Faktenlage unweigerlich zu diesem Schluss kommen. Die abstürzende bzw. sich auflösende Mittelschicht - selbstverständlich in zunehmendem Maße insbesondere bei jungen Menschen, wie sollte das denn auch anders sein - in dieser Endphase des Kapitalismus ist ungefähr so überraschend wie unmittelbar auftretender Gehirnkrebs nach der Lektüre eines esoterischen Textes.

Aber damit nicht genug. Der "wissenschaftliche Mitarbeiter" Markus Grabka, der die in Rede stehende Studie beim DIW "begleitet" hat, plärrt laut n-tv allen Ernstes ins Mikrofon, dass die verarmten Menschen (in den USA) "verstärkt in den unteren Einkommensbereich abgewandert" seien. - Abgewandert. Sie haben also die Koffer gepackt, fröhlich "Adieu, Mittelstand!" gesagt und sind einfach verschwunden. Vollkommen freiwillig natürlich. Wahrscheinlich hatten sie keinen Bock mehr auf ein "Eigenheim", ein Auto, genug zu essen oder eine Krankenversicherung. Sie sind eben abgewandert, da kann man nichts machen.

Nach den tatsächlichen Ursachen für die selbstverständlich grassierende Verarmung auch in der Mittelschicht fragt in diesem Text niemand - das ganze liest sich wie ein Bericht aus dem göttlichen Reich des Sonnenkönigs, der nichts weiter als die alternativlosen, gottgewollten Entwicklungen beschreibt, die nun gefälligst zu ertragen seien, da es keine Gründe und damit auch keine Möglichkeiten zur Gegenwehr gibt. Ich frage mich ernsthaft, wer so etwas lesen kann, ohne sich die Haare bis zur Glatze oder gar bis auf die blutige Kopfhaut zu raufen.

Die radikale Zwangsverarmung der breiten Masse ist das erklärte, nicht einmal leicht verschleierte Konzept der neoliberalen Einheitspartei, um der grenzenlosen Profit- und Hortungsgier der selbsternannten "Elite" auch in der Endphase des kollabierenden Kapitalismus devot Rechnung zu tragen. Das war vor 90 Jahren so und findet heute in derselben Weise wieder statt.

Und morgen lesen wir in der Mainstreampresse auf Seite 13: "Unglaublich - Konzerne und Geheimdienste überwachen und kontrollieren alle Bürger! Welch ein obszöner Skandal!", während auf Seite 1 die Überschrift prangt: "Irre: So pimpt Heidi Klumpfuß ihre Brüste - mit diesen Wearables schaffen Sie das auch!"

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Der deutsche Mittelstand



(Radierung von Kurt Meyer-Eberhardt [1895-1977], in "Simplicissimus", Heft 39 vom 27.12.1922)