Samstag, 6. August 2016

Zitat des Tages: Freundschaft


Troi: "Haben Sie je gehört, wie Data Freundschaft definiert?"
Riker: "Nein ... ?"
Troi: "Wie definiert er es? 'Durch die Speicherung gewisser sensorischer Eingangsmuster werden meine mentalen Nervenbahnen an sie gewöhnt. Die Muster werden erwartet oder sogar vermisst.'"
(Beide lächeln.)
(...)
(Die Tür geht auf, Data steht im Turbolift. Schweigen.)
Data: "... Beispielsweise beenden viele abrupt ihre Gespräche, wenn ich auftauche. So wie Sie, als sich die Turbolifttüren öffneten. Ist dies eine korrekte Beobachtung?"
Riker / Troi (gleichzeitig): "Keineswegs." / "Ja."
Riker: "Ja."
(Schweigen.)
Riker: "Wir tun das nur, weil sich unsere mentalen Nervenbahnen an Ihre sensorischen Eingangsmuster gewöhnt haben."
Data: "Hm, ja ... ich verstehe. Ich mag Sie auch sehr gern, Commander. Und Sie auch, Counselor."

(Dialog aus "Star Trek: Das nächste Jahrhundert", Episode "Gefahr aus dem 19. Jahrhundert, Teil 1", 1992)


Freitag, 5. August 2016

Star Trek: Der Traum vom Kommunismus


Schon lange wollte ich mal etwas über mein Lieblings-Universum aus der Science-Fiction-Welt schreiben, dem durch die vergifteten Sargnägel der jüngsten drei Kinofilme endgültig das Leben entzogen schien. Spielfilme waren ja - bis auf wenige Ausnahmen - ohnehin eher eine minderwertige Randerscheinung in diesem Universum, aber seit dem "Reboot" 2009 kann man diesen Teil ohnehin nicht mehr ernst nehmen, sondern getrost in der Hollywood-Akte "Profit ist unser Gott, Halleluja" abheften bzw. in den Müll schmeißen.



Bezüglich der Serien war das - zumindest zu Beginn - noch anders. Die erste Serie will ich hier nicht weiter besprechen, dazu gibt es haufenweise lesenswerte Betrachtungen. Der erste Neustart mit der "nächsten Generation" und dem Captain Jean-Luc Picard in den 80er Jahren hat ein neues Zeitalter - und eine neue Qualität - in die Welt der Föderation der vereinten Planeten gebracht, die es zuvor in keiner anderen populären Nischenwelt gegeben hat. Sicherlich gab es auch hier manch redundante Folge und die eine oder andere Nerverei (beispielsweise den aalglatten Aktenkofferträger Wesley Crusher), unterm Strich aber kann man reinen Gewissens behaupten, dass die Charaktere und Geschichten dieser Serie wegweisend waren. Die Episoden, die sich beispielsweise mit den Menschenrechten des Androiden Data, mit den kapitalistischen Ferengi, mit den philosophisch-humorvollen Dialogen zwischen Picard und "Q" oder mit der Entwicklung des martialischen Klingonen Worf befassen, gehören zum besten, was Star Trek hervorgebracht hat.

Ein erster Dämpfer war dann bei "Deep Space Nine" zu spüren: Auch hier gibt es sehr viele gute, aber leider auch fast ebenso viele dämliche Folgen, die sich mit religiösem Tand und einer der uninteressantesten Spezies des Star-Trek-Universums, nämlich den Bajoranern und der gähnend langweiligen Figur der Kira befassen. Was haben dieses unsägliche Thema und diese religiöse, dumme Tusnelda samt allen mystischen Verklärungen hier verloren? Zum Glück gibt es aber auch hier genügend alternative Folgen - insbesondere die Stellvertreter unserer heutigen lächerlichen Welt, die Ferengi, haben hier wahre Glanzmomente, die man auf jedem "Wirtschaftstreffen" den albernen Schlips-Borg in Davos zeigen sollte.

Diese Fehler bügelt die nachfolgende Serie "Voyager" aber wieder aus und sie reiht sich uneingeschränkt wieder in die Qualitätsgeschichte ein. Hier gibt es aus meiner Sicht nur ganz wenige Folgen, die zu kritisieren wären - der überwiegende Teil greift wiederum - manchmal ernst, manchmal humorvoll, manchmal sehr subtil - bedeutende Themen auf, die ansonsten in solchen Serien und Filmen nicht vorkommen. Nervige Figuren wie Neelix kann man getrost ausblenden. Ich kann mir die gesamte Serie heute immer noch mit viel Gewinn ansehen.

Dann kam lange Zeit nichts - bis Captain Archer in der Serie "Enterprise" wieder auf große Fahrt ging. Das war ein Fehlstart, der sich gewaschen hat: Diese Crew ist viel zu "amerikanisch" und hat - völlig zu recht - am Anfang viele ZuschauerInnen vergrault. Erst ab der dritten Staffel wurde das Szenario besser und steigerte sich kontinuierlich - aber die vorzeitige Absetzung war trotzdem nicht mehr aufzuhalten. Hier hätten die Macher, sofern sie über ein gewisses Maß an Weitsicht verfügten, bereits erkennen können, was geschieht, wenn sie das kosmopolitische Konzept von Star Trek über Bord werfen. Von der Verballhornung der Vulkanier, die in dieser Serie fast schon absurde Ausmaße annimmt, will ich lieber schweigen.

Und nun gibt es also Pläne für eine weitere Serie, von der aber noch nicht sonderlich viel bekannt ist. 2017 soll es soweit sein. In der Süddeutschen war beispielsweise im November 2015 zu lesen:

Die Voyager-Kapitänin Kathryn Janeway war eine frühe weibliche Führungsfigur und der Klingone Worf gab über zwei Serien hinweg ein spannendes Beispiel für gelungene Integration. / Das war nicht alles, was Star Trek utopisch [sic! - gemeint ist wohl eher vorbildlich, Anm.d.Kap.] gemacht hat. Auch gesellschaftlich hatte es den großen Entwurf parat: Jeder Mangel ist überwunden, Geld abgeschafft, das Essen kommt aus dem Replikator, und in der Freizeit kann man auf dem Holodeck alle nur denkbaren Fantasien ausleben. Die Welt der Vereinigten Föderation der Planeten ist eine Art Luxus-Kommunismus [sic!], in der jeder seine Leidenschaft zum Beruf machen kann. Nur der Wissensdurst der Menschen ist nicht stillbar. Jede andere Form von Gier hat ihren Sinn verloren. / Utopien zu entwickeln, heißt, der Welt noch eine Chance zu geben. Sich für sie zu interessieren und darüber nachzudenken, wie man sie besser machen könnte. Star Trek hat das immer getan. Nicht nur mit Technik, sondern in seinen besten Momenten immer auch durch Begegnungen mit dem Fremden, das das Eigene herausfordert, in Frage stellt oder auch seinen Wert unterstreicht.

Das sind starke Worte. Den hirnzersetzenden Begriff "Luxus-Kommunismus" lasse ich hier mal unkommentiert - er dürfte von geneigten LeserInnen ohnehin als systemkonformes Bullshit-Bingo erkannt werden. - Ob die Star-Trek-Macher diesem formulierten Anspruch tatsächlich einmal mehr gerecht werden können, wird sich zeigen - ich habe leider arge Zweifel daran, lasse mich aber höchst gerne eines Besseren belehren.

Donnerstag, 4. August 2016

Song des Tages: Injun Joe




(Good Rats: "Injun Joe", aus dem Album "Tasty", 1974)

I wanna see this house burn
I wanna see it tumblin' down
I'm gonna watch the white
Burn from their eyes

Well, I'm gonna light the fuse
I'm through payin' my dues
I refuse to kick off my shoes

Hey Injun Joe - what you know?
Went to the city - to organize
Hey Injun Joe - what you know?
Went to the city - to organize

I'm gonna take their black robes
I'm gonna wipe my waste on them
Your honor, my ass, it's my honor
That's on the line

Well, this time I'll stand and fight
Like the suckers they are
I'll run them into the sea

Hey Injun Joe - what you know?
Went to the city - to organize
Hey Injun Joe - what you know?
Went to the city - to organize



Anmerkung: Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns die Revolution beginnen. Hier und jetzt. I wanna see this house burn! Vielen Dank, und nun zum Wetter. - What you know? Nix? Ah ja, dann geht ja alles seinen gewohnten Weg in den Abgrund. Gehen Sie einfach weiter und warten Sie ab.

Mittwoch, 3. August 2016

Die versaute Realitätsflucht (33): The Witcher 3: Wild Hunt


Zu diesem Ausflug in die virtuelle Welt kann ich nicht viel schreiben, da ich nicht sehr weit vorgedrungen bin. Das von vielen anderen hoch gelobte Spiel des polnischen Entwicklers CD Project Red aus dem Jahr 2015, das ich mir mühsam durch den wochenlangen Verzicht auf den Kauf von frischen Lebensmitteln vom Munde abgespart habe, hat mir von Anfang an dicke Knüppel zwischen die Füße geworfen.

Es begann mit einer unsäglichen Installationsprozedur: Die vier DVDs waren nach einigen sehr vielen Stunden endlich erfolgreich installiert, hatten nach dem Start aber zur Folge, dass erneut 11 Gigabyte (!!) an Daten aus dem Netz geladen werden mussten, um das Prozedere abzuschließen. Das dauerte länger als einen Tag. Ich hatte mich sehr auf das Spiel gefreut, also las ich währenddessen einfach ein gutes Buch und wartete brav. Diverse Gewaltfantasien, die mich schon zu diesem Zeitpunkt heimsuchten, konnte ich noch problemlos unterdrücken.

Dann war der Download irgendwann endlich abgeschlossen und die Installation komplett - und voller Vorfreude startete ich das "GOG-Tool", mit dem das Spiel gestartet werden sollte. Aber was soll ich sagen: Das Programm startete nicht, sondern mein Rechner teilte mir mit, dass diverse dll-Dateien fehlten und ich die Installation wiederholen solle. Da war mein Hals so groß wie die Leere in Merkels Gehirn, aber zum Glück schaffte ich es, die erforderlichen Datein aus dem bösen Internet herunterzuladen und in die entsprechenden Verzeichnisse zu kopieren, so dass eine erneute Installation doch nicht nötig war. Das dauerte indes ebenfalls einige Stunden Tage, da es multiple Lösungen für diesen offenbar nicht selten auftretenden Fehler gibt und ich sie allesamt durchexerzieren musste, bevor sich der Erfolg einstellte.

Nun war ich also endlich bereit für das angepriesene Spiel, startete das "GOG-Tool" ... und wurde belohnt von dem Hinweis, dass erneut 11 Gigabyte (!!) herunterzuladen seien, um das Spiel auf den "aktuellen Stand" zu bringen. Ich habe das unverzüglich und völlig entnervt abgebrochen und mir böse Systemmeldungen dafür eingehandelt, die mir zu diesem Zeitpunkt aber vollkommen egal waren - das Spiel ließ sich glücklicherweise auch so starten.

Ich durfte dann - nach so vielen Tagen (!) - ein langes, sehr schön und detailreich gestaltetes, freilich überaus sexistisches Intro genießen, das meine niederen Erwartungen nicht enttäuschte. Dieses - einzige - positive Erlebnis endete sodann in der Karikatur eines "Tutorials", wie ich es nie zuvor erlebt habe. Ich durfte einen Geralt (das ist der Spielcharakter) steuern, der sich bewegte, als glitte er unentwegt über ein Eisfeld und der ständig Befehle bekam wie "Drücke 'X' und halte 'Alt-links' gedrückt, um einer Attacke auszuweichen" oder "Drücke 'Umschalt-links' und gleichzeitig 'Ü' und 'ß', um Bomben zu werfen" und derlei Schmonzes mehr.

Die Steuerung der Spielfigur in den vorangegangenen Witcher-Teilen war ja ebenfalls alles andere als "intuitiv" oder benutzerfreundlich - aber hier haben die Entwickler tatsächlich den Vogel abgeschossen und ein System geschaffen, das den Irrsinn vollendet. - "Nun ja", dachte ich so bei mir, "vielleicht musst Du dich einfach ein wenig umgewöhnen?" - was mir auch von anderen Fans dieses Spiels nahegelegt wurde. Ich leistete mir also diese Zeit, probierte es nach einigen Wochen wieder, und wieder, und wieder ... das Resümee lässt sich hier nachlesen. Wenn das unsägliche "Tutorial" hinter mir liegt, habe ich schlichtweg keine Lust mehr, den schwammig auf unsichtbarem Eis gleitenden und stets verzögert reagierenden Charakter mit den unsäglichen Tastenkombinationen durch das Abenteuer zu begleiten - nach insgesamt vier Versuchen habe ich das nun aufgegeben und mich damit abgefunden, einmal mehr einen Griff ins tiefe Klo getätigt zu haben.

Da spiele ich doch lieber Schach - ganz ohne Schlittschuhe und kryptische Tastenkombinationen.


Eisrutschen in Rumänien, 1917

Film des Tages: Endstation Villa Bockschuss




(Originaltitel: "Another Fine Mess", Film von James Parrott mit Stan Laurel und Oliver Hardy aus dem Jahr 1930)

Anmerkung: Auch in diesem Meisterwerk der Filmkunst wirkt der unvergleichliche James Finlayson (in der Rolle des "Oberst Bockschuss") mit, ohne den so manches Kleinod des unerreichten Komiker-Duos nur noch halb so witzig wäre:



Bei aller Dunkelheit gilt es doch, das Lachen nicht zu verlernen - das einem allerdings gleich wieder im Halse stecken bleiben kann, wenn man bedenkt, dass es heutzutage hirnbefreite Vollpfosten wie Mario Barth, Atze Schröder oder "Cindy aus Marzahn" sind, denen die johlenden Massen - teils sogar in Stadien - zujubeln. Der Niedergang in die Gosse ist eben auch im Bespaßungsgenre mit Händen zu greifen.

"Früher war mehr Lametta", brummelt Opa Hoppenstedt leise und klopft mir heiser hustend auf die Schulter.

Dienstag, 2. August 2016

Realitätsflucht (32): Enclave


Die heutige Reise in die virtuelle Fluchtwelt führt einmal mehr ganz tief in die Mottenkiste der Computerspiele, wo sich Spinnweben und modernde Leichen gute Nacht sagen. Das Spiel "Enclave" (Gold-Edition) des schwedischen Entwicklerstudios Starbreeze aus dem Jahr 2002 (PC-Version 2003) kennt heute wohl kaum jemand mehr - und das völlig zu unrecht, wie ich meine.

Es handelt sich um ein Action-Spiel mit Rollenspielelementen im sogenannten "Third-Person-Modus", in dem der Spieler seine Figur ganz im Stile von Gothic oder The Elder Scrolls durch eine ziemlich abgefahrene Fantasywelt steuert und dabei vornehmlich damit beschäftigt ist, verschiedenste Gegner auf unterschiedliche Arten auszuschalten. Anders als in den erwähnten beiden Rollenspielen hat man es hier aber nicht mit einer offenen Welt, sondern mit einem streng linear aufgebauten, in Level unterteilten Szenario zu tun. Das ist aus heutiger Sicht etwas gewöhnungsbedürftig, war seinerzeit aber völlig selbstverständlich.

Dass das Spiel bereits satte 14 Jahre auf dem Buckel hat, merkt man ihm allerdings keineswegs an: Sowohl die Steuerung, als auch die für damalige Verhältnisse bemerkenswerte Grafik können sich mühelos mit so manch anderem Spiel, das erst viele Jahre später erschienen ist, messen lassen. Die Story ist, wie in Fantasy-Spielen üblich, gewohnt hanebüchen und sowieso eher nebensächlich, dafür aber professionell erzählt und mittels Videosequenzen auch visuell schlüssig umgesetzt. Die deutsche Sprachausgabe rangiert auf Filmniveau, die Musik unterstützt die Atmosphäre der jeweiligen Szenarien perfekt. Auf meinem Win7/64-System läuft das Spiel problemlos und ohne jeden Absturz.



Das Alter ist dem Spiel vor allem in einer Hinsicht anzumerken: Es ist - und das ist nicht übertrieben - sauschwierig. Nach einem sehr leichten Beginn steigert sich der Schwierigkeitsgrad stetig und schnell bis hin zu einer - auch im einstellbaren "leichten" Spielmodus - fast schon obszönen Härte. Die fehlende Speicherfunktion unterstützt das vortrefflich: Man kann den Spielstand zu keinem Zeitpunkt selbst abspeichern, sondern muss gewisse "Checkpoints" erreichen - aber auch diese greifen nur, solange man die aktuelle Mission nicht vorzeitig unterbricht. Anders gesagt: Wenn man sich eineinhalb Stunden durch irgendeine verfallene Ruine gekämpft und endlich einen "Checkpoint" erreicht hat, ist es eine sehr schlechte Idee, das Spiel zu beenden und zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen zu wollen, denn dann landet man jungfräulich wieder am Eingang jener Ruine. Ebenso sollte man sich nie in Sicherheit wähnen, denn auch nach dem heftigsten, manchmal nur mit Glück überlebbaren Kampf mit besonders zähen Gegnern macht sich das Spiel einen Spaß daraus, dem Spieler, der das helle Glänzen des ersehnten "Checkpoints" in der Ferne bereits erspäht und diesen mit letzter Kraft und nur noch einem kleinen Hauch von Lebensenergie zu erreichen trachtet, unverhofft noch einmal eine ganze Meute von aus dem Nichts auftauchenden Gegnern entgegen zu schleudern oder ihm eine "Jump-and-Run"-Passage zu offerieren, die es in sich hat.

Zu erwähnen ist noch, dass man sich zu Beginn für die "helle" oder die "dunkle" Seite entscheiden muss. Diese Entscheidung zieht einen jeweils anderen Spielverlauf nach sich, der sich durch andere spielbare Charaktere (mit entsprechend anderen Fertigkeiten) sowie teilweise völlig unterschiedliche Regionen, Missionen und Gegner auszeichnet. Man kann das ohnehin umfangreiche Spiel also mindestens zweimal durchspielen, ohne auf allzu viele Wiederholungen zu treffen.

Ich habe während des Spielens das gruseligste Fluchen ganz neu erlernt, wenn mein gesamter Spielfortschritt des aktuellen Levels wieder einmal kurz vor dem rettenden (Speicher-)Hafen fast beiläufig im Morast versunken ist.



Mit anderen Worten: Das Spiel macht einen Heidenspaß. Mein ständig wiederholter Standardsatz während des Spielens lautete schlicht: "Ihr wollt mich doch verarschen!" - Solche Werke gibt es heute nicht mehr - selbst ein Titel wie "Dark Souls", der bekanntermaßen mit dem ständigen Ableben der Spielfigur kokettiert, ist gegen die höheren Levels von "Enclave" nichts weiter als ein müder Kindergeburtstag. Wer nach einer wirklich anspruchsvollen spielerischen Herausforderung sucht, kann mit diesem Meisterwerk aus der Mottenkiste nichts falsch machen.


Montag, 1. August 2016

Hartz-Terror: Was der Mensch braucht, oder: Tausche Wählerstimme gegen Warenkorb


Ein Gastbeitrag des Altautonomen

Unter dem Deckmäntelchen der "Entbürokratisierung" und der "Verfahrensvereinfachung" hat sich Arbeits- und Armutsverwaltungsministerin Andrea Nahles (SPD) neue Grausamkeiten einfallen lassen, die in Form einer "Hartz-IV-Novelle" am Montag, den 01.08.2016 - also heute - in Kraft treten. "Rechtsvereinfachung" nennt es die große Koalition, wenn z.B. alleinerziehenden Müttern, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, der Lebensunterhalt für ihre Kinder gekürzt wird, weil diese sich für ein paar Tage beim umgangsberechtigten Vater aufhalten.

Aus dem umfangreichen Katalog der perversen Ideen möchte ich drei herausragende aufgreifen:

  1. Gegenwärtig werden Hartz-IV-Empfänger mit mindestens 35 Rentenversicherungsjahren aufgefordert, vorzeitig im Alter von 63 Jahren in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Renteneinbußen von bis zu 14,4 Prozent hinnehmen müssen und damit in aller Regel weit unter dem "Existenzminimum" landen. Kommen die Betroffenen der behördlichen Aufforderung nicht zeitnah nach, können die entsprechenden Anträge ersatzweise vom "Jobcenter" gestellt werden. Nötige Unterlagen würden die Betroffenen aber oft nicht vorlegen, heißt es in der Begründung des neuen Vorstoßes. Deshalb dürfen die "Jobcenter" in solchen Fällen künftig Hartz-IV-Leistungen teilweise oder vollständig versagen, bis die Betroffenen ihren "Mitwirkungspflichten" nachkommen.
  2. Der Zeitraum für die Verpflichtung zu "Ein-Euro-Jobs" wird von zwei auf drei Jahre erhöht. Die Hartz-Rebellin Inge Hannemann lässt grüßen.
  3. Einem Vermieter oder Nachbarn, der dem "Jobcenter" auf Anfrage eine falsche oder keine Auskunft über den Bezieher gibt, droht nunmehr eine Strafe von bis zu 5.000 Euro. Damit wird Deutschland - wieder einmal - zum Vorzeigeland des staatlich organisierten Denunziantentums.

Leider kann ich es mir nicht verkneifen, in diesem Zusammenhang an die PR-Debatte in der linksliberalen Bloggerfraktion zu erinnern, als nach dem Scheitern der ersten Petitionen zur Abschaffung der grundgesetzwidrigen Sanktionen mit großer Euphorie unter dem Titel "Was der Mensch braucht" eine aktualisierte "empirische Analyse zu Höhe einer sozialen Mindestsicherung" (Ermittlung des Regelsatzes) von Lutz Hausstein vorgestellt und verbreitet wurde. Die Nachdenkseiten, der Spiegelfechter und das Blog "ad sinistram" sprangen seinerzeit über das Stöckchen und kriegten sich vor Begeisterung kaum noch ein. Lapuente beispielhaft dazu:

"Wer länger im Bezug von Hartz IV steckt, [dem] merkt man es gemeinhin an. Die abgerissenen Gestalten, die in schaurigen Buden hocken und ab und an mal auf die Gassen kommen ..." oder "Wer verstehen will, warum viele Leistungsberechtigte in zerschlissenen Jeans und in ausgewaschenen Hemden zum Penny schlurfen und wieso ihre Wohnungen »in die Jahre gekommen« und abgewohnt wirken, der muss nur mal einen Blick auf die Zusammensetzung des Regelsatzes werfen."

Mit dieser "Studie" wurde ein hoher zeitlicher, finanzieller und energetischer Aufwand betrieben und kleinste Schritte in Gestalt minireformistischer Vorschläge der interessierten Leserschaft angeboten. Der politische Effekt war selbstverständlich gleich null, denn es gab weder eine Massenbewegung zum Thema aus dem Kreis der Betroffenen, noch interessierte das irgendeinen aus der politischen Klasse. (Oder vielleicht doch einen?)

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Verdacht, dass derartige Vorgehensweisen auch nach hinten losgehen können, und zwar so, wie wir es jetzt erleben. Denn es kümmert die Politik einen Dreck, was Verschlimmbesserer an Ideen entwickeln. Anstatt die Energie etc. in eine Kampagne wie "Hartz IV muss weg" (Eckstein des Programms der Partei Die Linke) zu investieren, begeistert man sich für ein theoretisches Projekt ohne praktische Konsequenzen. Für diejenigen, denen immer wieder vorgeworfen wird, zu spalten und die "einzigen Bewahrer des radikalen Linksseins" zu sein, weil ihr Fell noch nicht so dick ist, dass sie ohne Rückgrat laufen können, dürfte sich die SPD nunmehr endgültig als möglicher Koalitionspartner der Linkspartei verabschiedet haben. Der Rest ist offenkundig lernunwillig bzw. lernunfähig und wird weiter auf das Warenkörbchen warten wie auf den Weihnachtsmann.

Es ist der mit derartigen Diskursen verbundene, mehr oder weniger subtile Vorwurf der Spaltung, der mir immer wieder sauer aufstößt, wenn diese Form einer Protestkultur (ein "Warenkorb", den der Mensch "wirklich braucht") als "wahrer linker Fortschritt" und "Step-by-step"-Weg in eine sozialistische Gesellschaft beschrieben wird, während die Forderung "Weg mit Hartz IV!" als utopisch, radikal und nicht mehrheitsfähig denunziert wird.

Mit einer Partei Koalitionen schließen zu wollen, die strukturell, programmatisch, tagespolitisch und personell eine derartige Menschenverachtung, Demütigung und Schikanierung von unterprivilegierten Menschen betreibt und inzwischen sogar nur mittelbar Betroffene oder gänzlich Unbeteiligte mit willkürlicher Strafandrohung verfolgt (und das seit über zehn Jahren in verschärfendem Maße!), wäre nicht nur Verrat an den Wählern. Koalitionsverträge mit diesen Leuten wären im Grunde nichts anderes als einvernehmliche Vereinbarungen über die "alternativlosen" Opfer des Neoliberalismus (die von den Grünen scheinheilig auch gerne "zu schluckende Kröten" genannt werden).