Sonntag, 30. April 2017

Zitat zum "Tag der Arbeit"


Ich möchte [...] in vollem Ernst erklären, dass in der heutigen Welt sehr viel Unheil entsteht aus dem Glauben an den überragenden Wert der Arbeit an sich, und dass der Weg zu Glück und Wohlfahrt in einer organisierten Arbeitseinschränkung zu sehen ist. [...] Hätte man nach Kriegsende die wissenschaftliche Organisation, die geschaffen worden war, um die Menschen für die Front und die Rüstungsarbeiten freizustellen, beibehalten und die Arbeitszeit auf vier Stunden herabgesetzt, dann wäre alles gut und schön gewesen. Statt dessen wurde das alte Chaos wiederhergestellt; diejenigen, deren Leistungen gefragt waren, mussten viele Stunden arbeiten, und der Rest durfte unbeschäftigt bleiben und verhungern. Warum? [...]

Der Gedanke, dass die Unbemittelten [Besitzlosen, Anm.d.Kap.] eigentlich auch Freizeit und Muße haben sollten, hat die Reichen stets empört. Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts war ein fünfzehnstündiger Arbeitstag für den Mann das Normale; Kinder arbeiteten zuweilen ebenso lange und sehr häufig zwölf Stunden täglich. [...] Ich höre noch eine alte Herzogin sagen: "Was wollen denn die Habenichtse mit Freizeit anfangen? Arbeiten sollen sie!" So offen äußern sich die Leute heute nicht mehr, aber die Gesinnung ist noch die gleiche geblieben und hat weitgehend unsere chaotische Wirtschaftslage verschuldet. [...]

Guten Mutes zu sein, ist die sittliche Eigenschaft, deren die Welt vor allem und am meisten bedarf und Gutmütigkeit ist das Ergebnis von Wohlbehagen und Sicherheit, nicht von anstrengendem Lebenskampf. Mit den modernen Produktionsmethoden ist die Möglichkeit gegeben, dass alle Menschen behaglich und sicher leben können; wir haben es statt dessen vorgezogen, dass sich manche überanstrengen und die andern verhungern. Bisher sind wir noch immer so energiegeladen arbeitsam wie zur Zeit, da es noch keine Maschinen gab; das war sehr töricht von uns, aber sollten wir nicht auch irgendwann einmal gescheit werden?

(Auszüge aus: Bertrand Russell [1872-1970]: "Lob des Müßiggangs", London 1935)


5 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Lesetipp zum Thema:

http://www.rainertrampert.de/artikel/besinnliches-zum-1-mai-2012-rede-in-siegen

Auszug:
"Ein paar Bemerkungen Zum Schluss. Fast schon revolutionär wäre es, wenn das System nicht nur wegen seiner Krisen kritisiert würde, sondern wegen seines Normalbetriebs, und nicht nur wegen seiner Finanzen, sondern wegen des Ganzen. Marktwirtschaft ist permanente Selektion nach den Kriterien „stark“ und „schwach“. Für sie sind Arbeitslose, Rentner und Kranke eine überschüssige Last, weil sie Wert verbrauchen, ohne selbst Mehrwert zu produzieren. Die verteilbare Profitmasse wächst mit jeder Privatisierung von Lebensrisiken und mit dem früheren Tod dieser Menschen. Der Markt wird Holland schwimmende Städte verkaufen und in Bangladesch 200 Millionen Menschen dem Meer überlassen. Für ihn ist alles Unproduktive dem Untergang geweiht.

Das müsste eigentlich genügen, um dieses System beseitigen zu wollen und an seiner Stelle solidarische und behutsame Produktions- und Lebensverhältnisse zu versuchen. Aber das Bewusstsein spielt nicht mit. Das Bewusstsein hat sich heute an der griechischen Krankheit zu messen. Deutsche fuhren eigentlich immer ganz gern nach Griechenland. Da war’s so herrlich unproduktiv und man schien sich der Lebensfreude hinzugeben. Dann hörten sie, das sei eine Krankheit, und erschraken. Unter griechischer Krankheit fallen Gesang, Tanz, ein offenes Haus, fehlende Ehrfurcht vor der Arbeit, dem Sparen und dem Staat."

Eike Brünig hat gesagt…

Wie der Kiezschreiber schon klug anmerkte:

"Wenn es dieser Schlonz – oder wie jener Altfunktionär auch immer heißen mag, den uns die Spezialdemokraten als frische Ware anzudrehen versuchen – es mit der Kanzlerschaft und Rot-Rot-Grün wirklich ernst meint, kann er das jederzeit haben. Seine Wunschkoalition hat derzeit die Mehrheit im Bundestag, er könnte Frau Merkel also jeden Tag abwählen und sofort seine Ideen für ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzen."

Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Vielen Dank für den Link. Die Rede von Trampert ist eine höchst erbauliche Lektüre!

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Eike Brünig: Über den Lügen-Schulze und seine korrupte Verräterpartei muss man derzeit wohl keine Worte mehr verlieren - diese Bande zerlegt sich weiter selbst und wird bei der anstehenden Wahl im Herbst nicht über den üblichen Deppenanteil der Wählerstimmen hinauskommen. Für den miesen Job als Steigbügelhalter der CDU wird sie sich auch weiterhin eignen.

Weitaus schlimmer und bedenklicher finde ich ja den in gewissen linken Kreisen schier felsenfesten, semireligiösen Glauben an die "neue SPD", nämlich die Linkspartei. Die kann in Regierungsverantwortung offenbar tun und lassen, was sie will, ohne dass besagte Kreise ihren Glauben verlieren und mit der ständigen Reklame für diese nicht minder schauderhafte Truppe endlich aufhören. Das erinnert fatal an 1998, als ein Depp wie ich auch wild entschlossen die Grünen gewählt hat, um die dicke Bleibirne endlich, endlich aus dem Amt zu jagen - mit dem Ergebnis, dass Schröder, Fischer und Konsorten danach um ein Vielfaches (!!) schlimmer und zerstörerischer gewütet haben als Kohl und seine Räuberbande sich das je getraut hätten. Ich erinnere mich noch gut an eine Schlagzeile des Freitag, die irgendwann zwischen 2002 und 2005 in Bezug auf Schröders Zerstörungen lautete: "Dagegen war Kohl modern".

Wie kann man denn bloß auf den absurden Gedanken kommen, nach den desaströsen Regierungsbeteiligungen der Linkspartei in Berlin und Thüringen könne auf Bundesebene nun ein konträrer Kurs eingeschlagen werden? Die Deppen, die der SPD ihre Stimme geben, sind ja durchaus bemitleidenswert, weil sie den Folterknechten, die ihnen die rostigen Nägel in die Kniescheiben hämmern, immer noch brav folgen. Wer aber der Linkspartei seine Stimme gibt, muss ein echter und erklärter Masochist sein, der die Nägel nicht nur brav erduldet, sondern sogar um mehr bittet.

Liebe Grüße!

Eike Brünig hat gesagt…

Ich war leider damals auch an Schröder/Fischer schuld. Es war mir eine Lehre, aber ich wollte den "Dicken" endlich los sein und habe tatsächlich geglaubt, es könnte etwas Neues und vor allem Sozialeres und Gerechteres im Sein begriffen sein. Ich halte die Linkspartei auch nicht unbedingt für des Rätsels Lösung, jedoch teile ich halt viele Programmpunkte. Da Deutschland aber ohnehin Stammwählerland war, ist und bis zur nächsten Kapitulation auch bleiben wird, stellt sich die Frage nicht, ob andere Parteien etwas bewirken, sondern nur, wer da wieviel Kohle abgreift und wofür nutzt.
Mein Favorit bleibt natürlich trotzdem die Partei die Partei.