Montag, 9. Oktober 2017

Schlips-Borg-Nachrichten aus dem Paralleluniversum des sabbernden Irrsinns (6): Entwarnung


Am vergangenen Samstag war bei n-tv die hübsche Meldung zu lesen:

Auto fährt Fußgänger auf Bürgersteig an / Der Vorfall weckt böse Erinnerungen: In London erfasst ein Auto mehrere Fußgänger. Elf Menschen werden verletzt. Am Abend gibt die Polizei Entwarnung: Es war kein Terroranschlag.

Da atmen wir alle erleichtert auf: Es war nur ein herkömmlicher Unfall, wie er in der Welt alle paar Minuten irgendwo passiert, aber kein "Terroranschlag" – für die Verletzten ist das sicher ein feiner Trost. Merken diese Journalistendarsteller eigentlich selber noch, welchen Bockmist sie da in die Welt koten, oder ist ihnen der geschlossene Weltbildersatz dieser Bagage bereits in Leib und Blut übergegangen?

Bei aller Anteilnahme fällt mir angesichts solcher Meldungen nur noch lautes Gelächter ein, das den Sinn solcher "Nachrichten" noch weit überhöht. Wie man hier auf die völlig absurde Vokabel "Entwarnung" kommen kann, erschließt sich wohl nur einem fleißigen Jünger der Orwell'schen Zukunftsphilosopie (BWL-StudentIn und angrenzender Religionen). Welchen Unterschied macht es doch gleich aus, ob dieser Unfall von einem besoffenen Spießer, einem zurückgewiesenen Verliebten, einem Islamisten, einem AfD-Anhänger, einem bösen Zufall oder einem unfähigen Autofahrer verursacht wurde? Na?

Die Hauptsache für unsere "objektiven" Massenmedien scheint zu sein, dass es sich wohl nicht um einen "Islamisten" handelt. Dann ist nun alles gut und im grünen Bereich und es kann "Entwarnung" gegeben werden. Mein Gehirn schrumpft beim Lesen solcher Meldungen ganz von selbst und erklärt sich dazu: "Wenn ich gar nicht gebraucht werde, gehe ich doch lieber ins Exil zum Dummerich, während er Lapuentes kleinen Schrumpelsack krault und gewohnt dümmlich vor sich hin blubbert. Was soll ich hier?"

Wer zählt eigentlich die Menschen, die von ebenjener "freiheitlich-demokratischen" Bande kontinuierlich und zunehmend verletzt oder ermordet werden, beispielsweise in Griechenland oder in Afrika? Sind jene Polithuren, die dafür verantwortlich sind, denn nicht viel eher TerroristInnen?

Ich kann aber Entwarnung geben: Die Doofheit ist nicht auf dem Vormarsch in Kapitalistan – sie ist vielmehr seit jeher in Beton gegossene Grundvoraussetzung, damit ein solches System überhaupt Triumphe feiern kann, ohne auf der Stelle revolutionäre Zustände zu verursachen. Es ist also alles beim Alten in dieser verfallenden, einstmals schönen Welt. Ich wünsche einen fröhlichen, bunten Untergang.

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Rote Parabel



(Gemälde von Hans Hofmann [1880-1966] aus dem Jahr 1964, Öl auf Leinwand, Städel-Museum, Frankfurt a.M.)

5 Kommentare:

Bruno17 hat gesagt…

ENTWARNUNG: Hochrangige Personen der deutschen Politik sorgen zwar regelmäßig für neues Geld und Ansehen bei den Faschisten in Kiew, mit 10.000 Toten, aber sie müssen nicht neben Frau Zschäpe auf die Anklagebank im NSU-Prozess.

altautonomer hat gesagt…

Selbst als seriös geltende Medien wie die Aktuelle Stunde auf WDR bedient sich eines mehr und mehr euphemistischen Vokabulars: Wenn in der Wettervorhersage schwere Regengüsse ins Haus stehen, heißt das jetzt "es nähert sich im Laufe des Tages von Westen ein Frontensystem"! Geschmeidig und cremig, zergeht auf der Zunge.

Die Angst, durch einen Terroranschlag ums Leben zukommen ist völlig daneben. Die meisten Tötungen ereignen sich in der Familie und in Beziehungen, danach kommt der Strassenverkehr. Terror liegt an zweitletzter Stelle.

Troptard hat gesagt…

Hallo Charlie,

ich reite gerne auf meinem alten Gaul herum. Es wäre immerhin beruhigend für mich, wenn diese Leute einfach nur blöd wären und das stimmen würde, was meine Beste immer von sich gibt: "Es sind inzwischen die grössten Schwachköpfe, die in unserer Gesellschaft Erfolg haben."

Das Schlimme ist für mich eher dies, dass es sich eben nicht um ausgesprochene Dumpfbacken handelt, sondern nur um die Menschen, die alle gesellschaftlichen Verwerfungen ganz wohlfeil und ohne besondere Absicht ganz unfreiwillig auskotzen.

Die haben ihr Programm einfach im Kopf drin: Mehr als fünf Tote an einer Hand, dann
war der Sensenmann höchstwahrscheinlich im Auftrag von Terroristen unterwegs.

Dem bürgerlichen Bewusstsein ist es ziemlich scheissegal, wenn der Grossvater bei der Jagd seinen Enkel erschiesst oder zwanzig weitere Freunde der Jagd ins Gras gebissen haben, dass sind dann eben Unfälle, die es gerade für eine kurze Nachricht in die Medien geschafft haben und keine grossen strafrechtlichen Konsequenzen zur Folge haben.
Komm Charlie! Ich vermute mal ganz stark, dass die ganzen Aufreger uns nicht mehr viel nutzen werden? Gesellschaften die zwischen Tod und Tod die Unterschiede nicht mehr ausmachen können, die haben für mich ohnehin keine Zukunft mehr.

Ansonsten Danke für Deinen Text!

Troptard hat gesagt…

@Bruno 17,

ich sag's mal so: Wenn man mit Informationen auf sich allein gestellt wäre, dann würde man ziemlich blind durch die Gegend herumrennen. Wer da alles aus den deutschen Parteien und sonstigem Spektrum so mitspielt, um Europa neu aufzumischen, da kommt man wirklich aus dem Staunen nicht heraus.

Dieser deutschen Seele darf man doch nicht einfach schlechte Absichten unterstellen, wo stets der gute Wille für das Ganze überwiegt.


"Die Ökonomie der Sezession (II)
05.10.2017
BERLIN/BARCELONA/MILANO/ANTWERPEN
(Eigener Bericht) - Die gezielte Förderung einer exklusiven Kooperation deutscher Unternehmen mit wohlhabenden Regionen in Staaten mit verarmenden Landesteilen hat das Erstarken autonomistisch-sezessionistischer Bewegungen in Westeuropa systematisch begünstigt. Dies zeigt eine Analyse der Separatismen in Katalonien, der Lombardei und Flandern. Demnach haben Flandern sowie die Lombardei, zwei ohnehin wirtschaftsstarke Regionen, ihren Abstand zu ärmeren Gebieten in Belgien bzw. in Italien nicht zuletzt dadurch vergrößern können, dass sie für die Expansion der stärksten EU-Wirtschaft, der deutschen, eine wichtige Rolle spielten. Katalonien und die Lombardei haben in einer exklusiven Zusammenarbeit mit dem Bundesland Baden-Württemberg ebenfalls ihren Vorsprung gegenüber ärmeren Gebieten Spaniens und Italiens ausbauen können. Dies hat das Streben der jeweiligen Regionaleliten befeuert, den Mittelabfluss per staatlicher Umverteilung durch größere Autonomie oder gar Sezession zu stoppen. Die Folgen einer gezielten Kooperation nicht mit fremden Staaten, sondern lediglich mit wohlhabenden Regionen sind aus dem ehemaligen Jugoslawien bekannt."
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59689

Anonym hat gesagt…

Dazu passt Pink Floyd:

"So have a good drown, as you go down, all alone.
Dragged down by the stone."

(aus dem Song "Dogs", 1977)