Freitag, 24. Februar 2017

Song des Tages: War Eternal




(Arch Enemy: "War Eternal", aus dem gleichnamigen Album, 2014)

Friend or foe?
There's no way to know
Through the battlefield of life
It's kill or be killed
So many times
It's a matter of degree
From being up on your luck
To down on your knees

It's a hellish inferno
This is war eternal

They try to change you
Crush and break you
Try to tell you what to do
They'd like to have control of you
Back against the wall
In danger of losing it all
Search deep inside
Remember who you are

It's times like these
When lines are drawn
Which side of the fence
Are you standing on?
There will come a day
Not so far away
When the hunter
Becomes the prey

It's a hellish inferno
This is war eternal

They try to change you
Crush and break you
Try to tell you what to do
They'd like to have control of you
Back against the wall
In danger of losing it all
Search deep inside
Remember who you are

This is fucking war!




Der Hunger, der Tod und das Geld


Der Kapitalismus zeigt aktuell wieder einmal seine hässlichsten Fratzen. In den Massenmedien werden Krokodilstränen vergossen und hochemotionale Berichte veröffentlicht, die vermutlich zu einer gesteigerten "Spendenbereitschaft" der hiesigen Bevölkerung beitragen sollen. Bei n-tv heißt es exemplarisch:

Millionen Kindern droht der Hungertod / Bürgerkriege, Terror und anhaltende Dürre lassen das Hungersnot-Frühwarnsystem des UN-Kinderhilfswerks Unicef Alarm schlagen: Besonders dramatisch ist die Lage in Nigeria, dem Sudan, dem Südsudan und im Jemen.

Zuerst fällt bei der Lektüre die übliche mediale Emotionalisierung auf, die durch die Fokussierung auf "die Kinder" auch gewissenhaft erreicht wird – so als sei es irgendwie etwas weniger schlimm, wenn nicht Kinder, sondern 20-, 50- oder 80jährige Menschen verhungern. Direkt im Anschluss fallen die genannten Gründe für die Katastrophe ins Auge: Selbstredend wird hier nicht das kapitalistische System genannt, das letztlich ursächlich verantwortlich ist, sondern lediglich einige der Folgesymptome. Die Dürre wird beispielsweise durch den Klimawandel begründet; letzterer erscheint in diesen Berichten aber wie eine göttliche Prüfung, die vom Himmel gefallen und nicht etwa durch kapitalistische Profitgier zumindest begünstigt sei. Auch der "Bürgerkrieg" im Jemen ist eher ein Angriffskrieg Saudi Arabiens (unter tatkräftiger Unterstützung der USA). Es versteht sich von selbst, dass in diesem Zusammenhang auch das übliche Terror-Bingo nicht fehlen darf.

Eine "Lösung des Problems" wird an anderer Stelle auch gleich angedeutet: Man müsse bloß dem Beispiel Somalias folgen, denn dort gebe es "heute im Vergleich zu 2011 eine funktionierende Regierung, funktionierende Märkte" – und schon sei alles wieder in bester Ordnung. Wir lernen also von der Tagesschau: Der Kapitalismus ist beileibe nicht die Ursache, sondern die Lösung. Orwell rotiert derweil in Lichtgeschwindigkeit im Grabe und mir tropft beim Lesen das verflüssigte Gehirn tränengleich aus den Augen.

Nun war zufälligerweise am selben Tag noch eine ganz andere Meldung zu lesen, und ich möchte die beiden folgenden Textzitate einander direkt gegenüberstellen (Hervorhebungen von mir):

  1. Tagesschau v. 23.02.17: "Deshalb werben die Vereinten Nationen bei dieser Pressekonferenz um Geld – viel Geld. 5,6 Milliarden Dollar, davon allein 4,4 Milliarden bis Ende März."

  2. Tagesschau v. 23.02.17: "Das robuste Wirtschaftswachstum hat dem deutschen Staat im vergangenen Jahr den höchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung beschert. Trotz der Kosten der Flüchtlingskrise verbuchten Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen ein Plus von 23,7 Milliarden Euro."

Das muss man einige Zeit auf sich wirken lassen, bis sich die abgrundtiefe Perversion, die in diesen Zahlen und Formulierungen steckt, gänzlich entfaltet. Um 20 Millionen Menschen in vier Ländern vor dem unmittelbar drohenden Hungertod zu retten, sind von der "Weltgemeinschaft" 5,6 Milliarden Dollar aufzubringen – und Deutschland allein (!) hat in einem einzigen Jahr einen "Steuerüberschuss" (also zusätzlich zum ohnehin schon vorhandenen Staatsreichtum) in Höhe von 23,7 Milliarden Euro "erzielt" – natürlich auf Kosten der Ärmsten, aber das nur am Rande. Und niemand kommt auf den Gedanken, dass hier die unterste Bodenplatte der Perversion noch kilometerweit unterschritten wird, und erst recht stellt niemand öffentlich und nachhaltig die Systemfrage?!?

Angesichts der gnadenlosen, immensen Überproduktion von Nahrungsmitteln im kapitalistischen System ist allerdings auch die Höhe der angeblich erforderlichen Hilfszahlungen unmittelbar in Frage zu stellen. Wer zum Beispiel den Dokumentarfilm "Unser täglich Brot" aus dem Jahr 2005 gesehen hat, darf den nagenden Zweifel als ständigen Gast in seinem Schädel begrüßen: In Kapitalistan werden kontinuierlich mehr Lebensmittel vernichtet als zur dauerhaften Bekämpfung des kompletten globalen Hungers benötigt werden. Einen solchen völligen Irrsinn kann sich kein noch so fantasie- oder depressionsbegabter Literat ausdenken. Einzig kapitalistische – also gleichsam göttliche – "Marktgesetze" verlangen dies.

Ich will auch gar nicht auf Feinheiten eingehen wie beispielsweise die hanebüchene Behauptung vom "robusten Wirtschaftswachstum" oder die noch groteskere Formulierung "trotz der Kosten der Flüchtlingskrise", die sinnvollerweise eher "trotz des absurd hohen und weiter steigenden Militärbudgets" oder "trotz der grenzdebil gewachsenen Superreichtümer einiger Weniger" lauten müsste. Sind diese Kuhjournalisten, diese Politiker, diese Superreichen und Machtgeilen des "freiheitlich-demokratischen Westens" tatsächlich noch geistig gesund oder muss man sie allesamt längst als Psycho- und Soziopathen einstufen? Weshalb springen in den Medienhäusern, Parlamenten, Bankkathedralen und Luxusvillen eigentlich nicht jeden Tag einige verrückt Gewordene unter irrem Geschrei aus den Fenstern?

Allmählich schäme ich mich bis auf die Knochen, ein ("westlicher") Mensch zu sein.

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Der Hunger



(Lithografie von Max Beckmann [1884-1950], in: "Der Simpl", Nr. 11 vom September 1946)

Donnerstag, 23. Februar 2017

Zitat des Tages: Der Feind steht rechts!


Deutsche Rechtspartei
[oder: Die AfD]

Eine Seestadt, die ist lustig,
eine Seestadt, die ist schön,
denn da kann man bald schon wieder
mit Parteiabzeichen gehn.

Unser Staatsschiff, das noch leck ist
von der großen Havarie,
wird nach Steuerbord gesteuert.
(Links zu lenken, lern' wir nie!)

In der Mondnacht auf der Alster
glänzt die "Deutsche Rechtspartei".
Re- und andre Aktionäre
werfen Anker hier. Ahoi!

Eine nationale Woge
rauscht von Hamburg bis nach Kiel,
und die Mannschaft und der Käpt'n
tragen nur noch heut' Zivil!

Und an dem gebroch'nen Maste
weht die Flagge schwarz-weiß-rot,
und man lotst uns langsam, aber
sicher in die nächste Not ...

Man missbraucht die "große Freiheit"
drüben an der Reeperbahn,
und am "Tor zur Welt" fängt wieder
eine neue Tor-Heit an!

Uns gefällt sie nicht, die Rolle
eines dummen Ruderknechts.
Deutsche Voll- und Leichtmatrosen:
S.O.S. – der Feind steht rechts!

(Heinz Hartwig, in: "Der Simpl", Nr. 14 vom November 1946)

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(Zeichnung von Helmut Beyer [1908-1962], in: "Der Simpl", Nr. 6 vom April 1947)

Mittwoch, 22. Februar 2017

Der "Linksextremismus" in der Presse: Antikapitalismus ist Ketzerei!


Es ist immer wieder lustig, wenn sich systemtreue Kapitalisten über die "extreme Linke" auslassen. Der unfreiwillige Slapstick, der dabei logischerweise entsteht, ist ganz besonders in Deutschland zur höchsten Kunstform aufgestiegen: "Stammtische" (oder das, was zu diesem Boulevardthema medial verbreitet wird) können das ebenso gut wie pseudolinke Blogger (Lapuente, Berger, Sasse & Co.) und natürlich Journalisten.

Kürzlich habe ich bei Zeit Online wieder einmal ein solches Stück der Blut und Wasser schwitzenden Realsatire entdeckt. Dort lässt sich der Zeit-Autor Alexander Tieg über Antikapitalismus, Antifaschismus und generell "radikale" Kritik am vorherrschenden Katastrophensystem aus und macht das – wie sollte es in diesen grausigen Tagen auch anders sein – ausgerechnet am Aufhänger "Trump" fest. Um den nächsten amerikanischen Präsidenten geht es im Artikel aber gar nicht, auch wenn die Überschrift – wie so oft – etwas anderes suggeriert.

Tieg beschränkt sich in diesem Text darauf, einige wenige Positionen der "extremen Linken" herauszugreifen, sie zu wiederholen und in einen gewollt süffisanten Kontext zu stellen. Das ist seine "Kritik". Da wird inhaltlich nichts diskutiert, widerlegt oder auch nur ansatzweise irgendwelchen Gegenpositionen gegenübergestellt. Eine solche Mühe macht sich ein heutiger Propagandist gar nicht mehr, denn es ist aus seiner verqueren Sicht ja ohnehin klar, dass der Kapitalismus das beste aller möglichen Systeme sei, so dass es für solche Figuren schon völlig ausreicht zu schreiben: "Hihi ... er hat 'Antikapitalismus' gesagt! Wie lustig! Was für ein dummer Radikaler!"

Dabei ist bereits der Begriff der "extremen Linken" eine absurde, kapitalistische Neusprech-Verzerrung. Kapitalismuskritik ist also bereits "extrem" oder gar "radikal"? – Es verwundert nicht, dass Tieg hier stattdessen die reißerische, boulevardeske Formulierung "Sturz des Systems" benutzt – schließlich soll dem Leser eingebläut werden, dass "Linksradikale" nicht nur "der Omma ihr klein' Häuschen" wegnehmen, sondern selbstredend den "freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat" gleich komplett abschaffen wollen: Das sind alles Stalinisten!

Es lohnt sich, dieses Pamphlet aufmerksam zu lesen, sofern ein großer Brecheimer bereitsteht und die Fähigkeit und der Wille zu einem sehr schwarzen Humor vorhanden sind – ansonsten könnte die Lektüre böse intellektuelle und emotionale Auswirkungen haben. Tieg schreibt beispielsweise:

In den Pausen zwischen den Veranstaltungen werden im Foyer Flyer verteilt, auf denen vor der Gefahr eines weltweiten Faschismus gewarnt wird. Es gibt Buch- und T-Shirt-Stände, Kaffee gegen eine Spende und zu Mittag Kartoffeln mit Spinat.

Das ist ein repräsentatives Beispiel für seine Art der "Kritik" an "Linksextremen": Sie verteilen Flyer und bieten nur vegetarisches Essen an. Das muss reichen, um sie als weltfremde Spinner zu identifizieren – inhaltlich gibt es dazu aus der Sicht des sesselpupsenden Autors nichts weiter anzumerken. Dafür bemängelt er umso strenger:

Donald Trump? Ist nicht das eigentliche Ziel. Es geht Möller um das System, das große Ganze, nicht um einzelne Personen. Dass er und seine Mitstreiter damit vielleicht eine Chance verspielen? Egal, es geht ihnen um eine globale Revolution.

Wie können diese Kommunisten denn auch bloß auf den lächerlichen Gedanken kommen, dass es tatsächlich nicht um Trump oder andere Einzelpersonen geht – obwohl die versammelte Mainstreampresse doch seit Wochen wie irrsinnig auf dieser Personalie herumreitet wie Lucky Luke auf seinem albernen Gaul? Das kann der Autor beim besten Willen nicht fassen – da gibt es tatsächlich ein paar (leider viel zu wenige!) Menschen, die etwas weiter denken als von zwölf bis mittags und sich nicht einspannen lassen in das Themen-Setting der hiesigen Propaganda! Sapperlot – das müssen Extremisten, Putin-Freunde, Stalinverehrer, Terroristen, Kinderschänder sein! – Merke: Antikapitalismus ist Ketzerei, wenn es nach semi-religiotischen Kuhjournalisten wie Tieg geht.

Ich hatte beim Lesen dieses Artikels jedenfalls ebenso viel Spaß wie beim Ansehen einer blutigen Folge von "The Walking Dead". Andere Menschen müssen sicherlich kotzen, wenn sie das tun – und zu allem Überfluss soll es sogar – manchmal dumme, manchmal korrumpierte – Geister geben, die dem Gefasel dieses Schreiberlings tatsächlich zustimmen: Von der Lektüre der Kommentare bei Zeit Online rate ich daher dringend ab.

Eine Zeit, in der bereits das bloße Infragestellen des kapitalistischen Systems als "linksextrem" gebrandmarkt wird, muss logischerweise eine Zeit des aufkommenden bzw. bereits erblühenden Faschismus' sein. Und das ist ganz gewiss keine Zeit, in der irgendein halbwegs vernunftbegabter Mensch leben möchte – bzw. lange überleben kann. Der Irrsinn feiert einmal mehr braun-stinkende Triumphe.

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Lager



(Gemälde von Sigmar Polke [1941-2010] aus dem Jahr 1982, Dispersion und gestreute Pigmente auf Dekostoff und Wolldecke, Privatbesitz [sic!])

Montag, 20. Februar 2017

Kriegskonferenz: Aufrüsten für den Frieden


Mein Lieblings-Schlips-Borg aus den öffentlich-rechtlichen Propagandaanstalten, Christian Thiels, hat wieder einmal zugeschlagen und einen obrigkeitshörigen Text zur Kriegskonferenz in München, die er brav mit dem Orwell'schem Neusprechbegriff "Sicherheitskonferenz" belegt, erbrochen.


(Christian Thiels vom SWR, Screenshot von tagesschau.de)

Selbstverständlich darf man diesen Blödsinn nicht lesen, wenn man sich informieren möchte – jedenfalls dann, wenn das Informationsinteresse vornehmlich der gesellschaftlichen oder gar sozialen Sicherheit und damit der Kriegsvermeidung gilt. Hier werden lediglich kapitalistische Strategien erörtert, die nichts mit den betroffenen Menschen, dafür aber umso mehr mit den Profiten der habgierigen "Elite" zu tun haben.

Es versteht sich von selbst, dass ein Schlips-Borg wie Thiels gleich zu Beginn auf die "arische Herkunft" des nächsten US-Präsidenten hinweist, die inhaltlich völlig sinnfrei ist und die Trump zudem auch gar nicht zu "schätzen" weiß, was einer dumpfen Hohlbirne wie Schlips-Christian allerdings so gar nicht einleuchten will. Überhaupt dreht sich dieses Pamphlet in erster Linie um Trump und nur am Rande um die widerwärtige Zusammenkunft von profitgeilen Lobbyisten, Politikern und Pseudowissenschaftlern, die alljährlich in München die Kriegsstrategien des kapitalistischen Blocks "diskutieren". Das Fazit dieses unsäglichen Textes zu einem ebenso unsäglichen Thema überrascht also nicht weiter:

Ohne militärische Stärke kein Frieden / So sieht das auch Wolfgang Ischinger [der "Leiter" der Kriegskonferenz]: "Wenn wir unsere militärische Leistungsfähigkeit massiv verstärken würden (...), dann würden wir nicht nur Respekt in Washington ernten, sondern auch in Moskau und andernorts." Das stärke auch die Position Europas bei der Lösung von Konflikten. Ohne ein leistungsfähiges Militär dürfe man sich nicht wundern, so Ischinger, "wenn wir am Friedensverhandlungstisch dann nicht eingeladen werden. Und so ist die Lage leider im Augenblick."

Da schrillen die Ohren und da dreht sich das heftig blinkende Fragezeichen wild über dem Kopf: "Wir" müssen uns also bis an die Zähne bewaffnen, Bomben schmeißen und Mördertruppen in alle Welt schicken, damit "wir" zum "Friedensverhandlungstisch" eingeladen werden? Bin ich denn der einzige, dem angesichts dieser entwaffnend dämlichen Kindergartenlyrik aus dem frühen 20. Jahrhundert der Schädel zerspringt? Geht es hier nicht in erster Linie um Profite für die Rüstungsindustrie, die "Sicherung" kapitalistischer Ausbeutung und die Vorherrschaft des "freiheitlich-demokratischen" Westens über den Rest der Welt – also, anders gesagt, um den ewig gleichen Imperialismus?

"Nein!", beschwichtigt der seriöse Schlips-Kasper vom SWR den geneigten Propagandakonsumenten, während er noch immer sehr devot die Aktentasche seines Profs aus dem Grundstudium der Betriebswirtschaftslehre trägt. Alles ist gut. Der "Westen" will Frieden, Freiheit, Demokratie – und der Rest der Welt will selbstredend Krieg, Unfreiheit und Diktatur. Deshalb sind die "Sicherheitskonferenz" und die Ausbeutungskriege eine alternativlose Veranstaltung, die einzig dem Wohl der gesamten Menschheit dienen. – An dieser Stelle muss eigentlich selbst dem aalglatten Thiels in seiner übelriechenden Enddarmwohnung der allzu kleine Schädel platzen und ein heilloses, blutiges Fiasko hinterlassen, sofern er kein Roboter ist.

Ich sehe kein Blut. – Er ist ein Roboter ...

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Il faut cultiver notre jardin!


"Man muss sein Gärtlein hegen!" (Voltaire, in: "Candide")

(Zeichnung von Helmut Beyer [1908-1962], in: "Der Simpl", Nr. 7 vom Mai 1947)