Samstag, 1. April 2017

Song des Tages: Cold Cell




(Coil: "Cold Cell", aus dem Album "The Ape of Naples", 2005)

O Lord, save my sinful soul
From local punishment
From the far-away zone

From being frisked
From the tall fence
From the severe prosecutor
From the Devil or from the devil owner
From small rations
From dirty water
From steel handcuffs
From hidden obligations in a cold cell
And short haircuts

Save us from the death penalty
Amen
Amen
Amen



Anmerkung: Der Text dieses Songs ist laut CD-Booklet die ins Englische übertragene Version eines erhalten gebliebenen "Häftlingsgebets" aus der dunklen Zeit Stalins und der Gulags. Das Album wurde kurz nach dem tragischen Tod des Sängers John Balance [1962-2004] veröffentlicht und gehört nach meinem Empfinden zu den besten Arbeiten dieser großartigen, experimentierfreudigen Ausnahmeband.

Ganz am Rande: Wer auf dem Cover lediglich einen "brüllenden Affen mit zum Gebet erhobenen Händen" erkennt, sollte sich das Bild einmal auf dem Kopf stehend ansehen und dabei an das böse Szenario einer Kastration denken – das im Zusammenhang mit menschenfeindlichen "Lagern" nicht ganz absurd ist.

Donnerstag, 30. März 2017

Die Rückkehr der Lager


Während die Politik und die Medien des "goldenen Westens" nicht müde werden, beispielsweise der Türkei, Russland oder Nordkorea unablässig Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen, macht die kapitalistische, nationalistische Mörderbande mitten in Europa längst wieder Nägel mit Köpfen. Bei n-tv war kürzlich zu lesen:

Ungarn sperrt ab sofort alle Flüchtlinge für die Dauer ihres Asylverfahrens in Containerdörfer nahe der Grenze zu Serbien ein. Mit Inkrafttreten der neuen Bestimmung verloren Asylbewerber in Ungarn jegliche Bewegungsfreiheit: Sie dürften sich "nicht frei auf dem Staatsgebiet und dem Gebiet der EU bewegen, um die Gefahren im Zusammenhang mit der Migration zu reduzieren", erklärte das Innenministerium in Budapest. (...) / Von dem Gesetz betroffen sind alle neu ins Land kommenden sowie die bereits in Ungarn lebenden Flüchtlinge.

Die rechtsextreme Regierung Ungarns – man beachte das widerwärtige Luftbild des Lagerkomplexes im Artikel sowie die hanebüchenen Bezeichnungen "Containerdörfer" oder "Transitzonen" – setzt damit exakt das um, was hierzulande von ebenso rechtsextremen Menschenfeinden aus der AfD, CDU/CSU, FDP & Co. immer wieder lautstark gefordert wird. Diese offensichtliche Parallele wird im Text selbstverständlich nicht benannt – dort ist lediglich von einer diffusen "internationalen Kritik" die Rede. Damit sind freilich nur einige wenige Lippenbekenntnisse handverlesener, einflussloser Figuren gemeint und nicht etwa "Sanktionen", wie sie gegenüber Russland als völlig selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Wenn im kapitalistischen Paradies Europa nun also völlig unbescholtene Menschen, die vor Krieg, Hunger und Verfolgung aus ihrer Heimat fliehen mussten – was meist eben dieser "Westen" zu verantworten hat –, wieder in unsäglichen Lagern kaserniert werden, ist das offenbar weitaus weniger schlimm als beispielsweise Erdoğans Terror-Regime oder Putins größtenteils herbeifantasierte Kriegspolitik.

Was in der furchtbaren Bürokratensprache der deutschen Faschisten seinerzeit noch mit einem Begriff wie "Ab- oder Umsiedlung" unerwünschter Personen beschönigend und bewusst verschleiernd beschrieben wurde, heißt im heutigen kapitalistischen Terror nunmehr schlicht "Festsetzung" und man beruft sich selbstverständlich auf die "Sicherheit" und den "Schutz" der übrigen Bevölkerung. Das Gehirn schmerzt bei diesen Worten und jede Schamgrenze ist hier lange überschritten – die Bande bemüht sich nicht einmal mehr darum, das menschenfeindliche, kapitalistische Verhalten verbal irgendwie entschärfend zu umschreiben, sondern sagt direkt und ohne jede Umschweife, dass sie Flüchtlingen mit Stahlstiefeln die Fressen blutig treten will, wenn sie es wagen, nach Europa zu kommen. CDU und CSU nennen diese Vorgehensweise hierzulande ganz offiziell und selbstverständlich ebenfalls ohne jede Scham "Abschreckung" und begrüßen sie jubelnd.

Frei nach Hape Kerkeling bleibt mir da nur noch die Bemerkung übrig: "Ich bin dann mal kotzen."



("Nacht und Nebel", Dokumentation von Alain Resnais aus dem Jahr 1955, Text von Jean Cayrol, deutsche Übertragung von Paul Celan, Musik von Hanns Eisler)

Wer von uns wacht hier und warnt uns, wenn die neuen Henker kommen? Haben sie wirklich ein anderes Gesicht als wir? Irgendwo gibt es noch Kapos, die Glück hatten, Prominente, für die sich wieder Verwendung fand, Denunzianten, die unerkannt blieben; gibt es noch all jene, die nie daran glauben wollten – oder nur von Zeit zu Zeit.

Und es gibt uns, die wir beim Anblick dieser Trümmer aufrichtig glauben, der Rassenwahn sei für immer darunter begraben, uns, die wir dieses Bild entschwinden sehen und tun, als schöpften wir neue Hoffnung, als glaubten wir wirklich, dass all das nur EINER Zeit und nur EINEM Land angehört, uns, die wir vorbeisehen an den Dingen neben uns und nicht hören, dass der Schrei nicht verstummt.

---

Ironie des Schicksals



(Installation von Bernd Reiter aus dem Jahr 2016, wechselnde Orte)

Anmerkung: Die russische MiG-21 scheint in der Installation einen Kampf mit zwei pechschwarzen amerikanischen Straßenkreuzern auszutragen. Wie von Geschossen werden das Flugzeug und die beiden Limousinen dabei von Monitoren getroffen, auf denen Szenen aus heutigen Kriegsgebieten – u.a. Syrien – zu sehen sind. – Hier wird allerdings der Eindruck erweckt, dass es sich bei Russland und den USA um "gleichberechtigte" Parteien im Kampf um die Krone der imperialistischen Niedertracht handele. Das sehe ich indes ganz anders. Aber wer bin ich schon.

Dienstag, 28. März 2017

Die Esos und das Geld


Es ist ja nichts Neues, dass in Blogs gerne mal um Geld gebettelt wird: Die "NachDenkSeiten" tun es, die "Neulandsozialdemokraten" tun es, und auch ich habe das schon getan, als es mal wieder sehr eng wurde und der Gerichtsvollzieher vor der Türe stand. Daran ist aus meiner Sicht prinzipiell nichts auszusetzen.

Anders verhält sich das allerdings bei den Eso-Spinnern von "Jenseits der Realität". Auch dort hat mein guter Freund Faulfuß nun einen Text veröffentlicht, in dem er um "Spenden" bittet – und es ist durchaus lohnenswert, sich diesen Aufruf einmal etwas genauer anzusehen.

Zunächst fällt unweigerlich der Ausdruck "unabhängiger Journalismus" ins Auge, der jeden, der dieses obskure Blog kennt, direkt in den Slapstick-Modus versetzen muss, in dem er sogar über Torten, die irgendwem in die Fresse geworfen werden, lachen muss. Journalismus ist nun das letzte, das mit dieser Seite assoziiert werden kann; und unabhängig ist der Inhalt allenfalls vom logischen Denken. Der überwiegende Anteil der Postings bei den Esos beschränkt sich auf schnöde Verlinkungen zu anderen Webseiten – darunter auch so manche obskure Eso-Schleuder, die ich hier nicht näher benennen möchte. Dann gibt es gelegentlich Gastbeiträge irgendwelcher AutorInnen sowie Zweit- und Drittverwertungen älterer Texte der "Redaktion" (also von Faul- und Plattfuß) – und alle Jubeljahre erscheint auch wirklich mal ein redaktioneller, oft allerdings grotesk-esoterischer Beitrag, der eigens für diesen Anlass verfasst wurde. Im Wesentlichen handelt es sich also um fremde Inhalte und die gelegentliche Resteverwertung eigener, meist älterer Beiträge.

Für diese Tätigkeit, die hunderte andere BloggerInnen gleich haufenweise nebenbei erledigen und dabei immer noch eigene Texte schreiben, möchten die Esos nun also Spenden erhalten. Das ist schon irrsinnig genug, wird aber noch abstruser, wenn man bedenkt, wer der "Herausgeber" dieser ominösen Webseite ist. Der Schlagersänger Konstantin Wecker ist sicher kein "Superstar", zählt aber ganz gewiss auch nicht zu den Ärmsten. Wenn Faulfuß nun schreibt, dass "trotz jahrelangen großzügigen Sponsorings durch Konstantin Wecker" nicht genug Geld vorhanden sei, um dieses Blog weiter zu betreiben, stellen sich eine Menge Fragen:

  1. Wieso zahlt der Herausgeber bzw. "Ehrenvorsitzende" Wecker die Kleckerbeträge nicht auch weiterhin, die nötig sind, um ein solch laienhaftes, kleines Blog zu betreiben?
  2. Welche immensen Kosten fallen hier an, die Spenden nötig machten? Das Webhosting kann es nicht sein (es sei denn, die Betreiber sind strunzdämlich); die größtenteils kopierten Inhalte sind ebenfalls kein Indiz für irgendwelche anfallende Kosten.
  3. Weshalb sollte irgendwer für Eso-Kacke Geld spenden? Diese Frage ist allerdings redundant, ich weiß.
  4. Wenn Faulfuß schreibt, dass die lieben Menschenfreunde selbst den Gastautoren, die dem Hartz-Terror ausgesetzt sind, "liebend gern ebenfalls ein angemessenes Honorar zahlen würden", stellt sich unweigerlich die Frage, ob sie das in Bezug auf Autoren, die diesem Terror nicht unterworfen sind, bereits tun? Oder ist das wieder nur eine dieser radebrechenden, missverständlichen Formulierungen der "professionellen Redaktion"?
  5. Im Text benennt Faulfuß ausnahmsweise (vermutlich versehentlich) sogar das Ziel des Eso-Blogs: "PR". Dafür soll gezahlt werden?
  6. Eine unmittelbare Drohung ist ebenfalls zu finden, denn die Esos wollen ihr "Angebot auch ausbauen und verbessern." Es kann sich jeder selbst ausmalen, in welche geistige Ödnis das wohl führen mag.

Wenn ich weiterhin lese: "Wir haben uns daher entschlossen, Euch, liebe Leserinnen und Leser, um Mithilfe bei der Finanzierung zu bitten, einfach deshalb, um bei HdS in Zukunft noch besser und stressfreier für Euch arbeiten zu können" – dann liest sich das für mich wie eine verklausulierte Feststellung, dass Herr Faulfuß (und möglicherweise auch Herr Platta) gerne für die äußerst dürftige Tätigkeit als Blogger entlohnt werden möchten. Das ist eine grobe Mutmaßung, keine Unterstellung – vielleicht kann mir beim Verständnis dieser Bettelei ja auch jemand auf die Sprünge helfen.

Selbstverständlich besitzt auch dieser Betteltext aus der Faulfuß'schen Feder massiv humoristische Elemente. Ich möchte nicht ins Detail gehen und beschränke mich daher auf diese Aussage:

Die Seite soll helfen, den Wirkungskreis kritischer Stimmen zu erweitern, Inseln in den Seichtgebieten der Verdummungskultur zu schaffen (...).

Beim Lesen dieses Satzes fühlte ich mich sogleich wieder in den quälenden Dick-und-Doof-Modus versetzt und hatte glucksende Lachtränen in den Augen: Esoteriker schreiben nun schon gegen die Verdummungskultur an! Demnächst ist in jenem Blog sicher noch zu erfahren, dass Gott vom Mars stammt, in Wahrheit Krishnamurti oder E.T. heißt und nur deshalb Geld einsammelt, weil er es vernichten möchte. Glaubt das gefälligst!

In den Seichtgebieten der Esoterik lässt sich Geld noch leichter versenken als im Casino. Also haut mal ordentlich rein bzw. raus und spendet fleißig!

---

[Die esoterische Wahrheit]


(warandpeas.com)

Sonntag, 26. März 2017

Lapuente versucht zu denken, oder: "Alder, ich klopp dich in die Fresse!"


Das durfte nicht fehlen: Zusätzlich zu Epikurs gehalt- und kritikloser Lobhudelei auf Ken Jebsen muss nun auch der sozialdemokratische Oberschwurbler Lapuente sein wenig genutztes Gehirn öffnen und sich über einen fast vier Wochen alten Text von Thomas Ebermann auslassen, den er freilich als "aktuell" klassifiziert.

Zu irgendwelchen inhaltlichen Details der Lapuente'schen Pseudokritik will ich mich hier nicht äußern – es reicht eigentlich der Hinweis, dass es sich um billigste Propaganda auf ZDF- oder BLÖD-"Zeitungs"-Niveau handelt, einen journalistischen Text in dieser Art und Weise zu besprechen, der online (noch?) gar nicht verfügbar und daher der überwältigenden Mehrheit der LeserInnen unbekannt ist. Ich könnte jederzeit ebenso verfahren und aus irgendwelchen Büchern Fragmente zitieren, um dem jeweiligen Autor wahlweise Dummheit, sexuelle Abnormitäten, Genialität, eine Psychose oder sonstwas zu unterstellen. Diese Vorgehensweise ist ebenso seriös wie die SPD oder CDU.

Dummerweise ist dieser – eigentlich selbstverständliche – Umstand fast keinem der geradezu gemeingefährlichen KommentatorInnen, die sich bei den "Neulandsozialdemokraten" üblicherweise tummeln, aufgefallen. Ein Schelm, wer nun an Böses denkt! – Einen einzigen Lichtblick habe ich indes gefunden, nämlich die Kommentatorin "Sabine", die immerhin meinte:

Robertos Artikel ist nicht zumutbar. Wenn jemand auf Geisteswissenschaftler macht[,] obwohl er keiner ist, nennt sich das Hochstapelei. Ein sehr hochgestapelter Artikel mit unpassenden Synonymen und Fremdworten gespickt[,] um über inhaltliche Leere hinwegzutäuschen. So kennt man es von ihm. Hauptsache[,] die Linientreue wird deutlich. / Aber es ist ja nur sein Hobby und deshalb nicht so wichtig zu nehmen. Andere laufen mit ner Schaffnermütze im Keller herum[,] weil da eine Märklin steht. Roberto hingegen berauscht sich an seiner intellektuellen Schärfe und misst sie auf Augenhöhe mit Haustieren. / Drum sei dem Roberto die Schaffnermütze des Gesellschaftswissenschaftlers gegönnt.

Das ist polemisch, gewiss – trifft den Kern aber dennoch ins Schwarze. Ich werde es wohl nie verstehen, wieso irgendwer, der sich auch nur den Rest eines funktionierenden Geistes bewahrt hat, angesichts der unerträglichen Ergüsse des Roberto Lapuente nicht wahlweise in kopfschüttelndes Gelächter oder haarraufenden Irrsinn verfällt. Ich pendele ständig zwischen diesen Alternativen und kann mich noch immer nicht entscheiden, ob ich nun weinen, schreien oder lachen soll, wenn ich seine mühseligen, stets vergeblichen Schreib- und Denkversuche lese.

Über Ebermann kann man – sehr gerne auch kontrovers – diskutieren, wenn man ihn denn gelesen hat. Vorher ist das allerdings so sinnvoll wie das dümmliche Grinsen des Merkel-Monsters oder das wahlkämpferische Geschwafel des perfiden Schulzen, um nur zwei der Kasper aus den systemtreuen Parteien zu nennen, zu denen selbstredend auch die Linkspartei gehört. Exakt in diese Kategorie passt Lapuente allerdings wie "Arsch auf Eimer".

Ach, wenn Dummheit doch nur weh täte ...

---

[Das Leben des Lapuente]


(warandpeas.com)