Freitag, 28. April 2017

Song des Tages: Three Lives




(Octavision: "Three Lives", Single 2016)

Anmerkung: Ich habe selten zuvor ein Beispiel gehört, welches das progressive Rockmusikerbe der siebziger Jahre so konsequent, technisch erstklassig und musikalisch äußerst bewegend ins 21. Jahrhundert transferiert. Jeder einzelne Musiker in diesem Clip, der ein bald nachfolgendes Album ankündigt, ist ein Meister seines Instrumentes, während die Komposition – anders als so viele andere Beispiele aus diesem Genre – in sich schlüssig ist und an die großen Werke der siebziger Jahre (Yes, King Crimson, Gentle Giant u.v.a.) nahtlos anknüpft – und sie kreativ weiterentwickelt.

Das ist Rockmusik in ihrer artistisch reinsten Form – jenseits der großen Soundeskapaden oder anbiedernden Vereinfachungen: "Handgemachte" Musik, die jede Simplifizierung meidet wie ein intelligenter Mensch die Esoterik. Das ist ganz große Kunst und heute eine wahre Rarität!

Unachtsamkeit oder Absicht?


Vor einigen Tagen war beim WDR zu lesen:

Waldemar Becker konnte kaum glauben, was der junge Flüchtling aus dem Deutschkurs mitbrachte. Mit Sätzen wie diesem sollte der 25-Jährige aus Guinea die deutsche Sprache lernen: "Die Geiselnehmer ermordeten ihre Geiseln, ohne mit der Wimper zu zucken." (...) / [Bei der NRW-Regionaldirektion der Bundesarbeitsagentur] heißt es, der Träger des Deutschkurses – ein in Hennef beheimateter Verein – solle seine Lehrkräfte dazu anhalten, bei der Auswahl von Übungsmaterialien sensibler zu sein.

Nun ist es ja bekannt, dass viele Anbieter derartiger "Deutschkurse" oft unqualifizierte und zudem prekär (stundenweise) bezahlte Lehrkräfte einsetzen; dennoch will es mir partout nicht einleuchten, dass es tatsächlich lehrende Menschen geben soll, die solche Texte im Umgang mit Kriegsflüchtlingen bloß "versehentlich" benutzen. Sollte das dennoch der Fall sein, gehören solche Lehrkräfte allenfalls in eine Baumschule – und zwar als Setzling.

Was ist das bloß für eine verkommene, niederträchtige Zeit, in der wir leben.

Es ist ein Unglück, dass in der Welt mehr Dummheit ist, als die Schlechtigkeit braucht, und mehr Schlechtigkeit, als die Dummheit bewirkt.

(Karl Kraus, in: "Sprüche und Widersprüche", 1909)

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Lazy


(moonbeard.com)

Dienstag, 25. April 2017

... und die korrupte Bande ist entzückt


Das alberne Volkstheater der Wahlen, diesmal in Frankreich, hat zwei potenzielle "Gewinner" hervorgebracht und damit genau das Ergebnis erzielt, das allseits erwartet bzw. herbeigeschrieben wurde. Die Mehrheit der WählerInnen hat nun also zwei Kandidaten ins Rennen um die Präsidentschaft geschickt, die alle beide Konzepte verfolgen, die erstens nicht weit auseinander liegen und zweitens nicht das geringste mit dem Wohlergehen der Bevölkerung zu tun haben.

Die rechtsextreme Le Pen und ihren AfD-ähnlichen Verein von braunen Wirrköpfen muss ich wohl nicht näher beleuchten – den "parteilosen" Macron dafür umso mehr. Zur Einordnung hilft dabei ein Blick in die hiesige Systempresse, die fast einhellig von diesem Schlips-Borg schwärmt, als sei er der neue Europamessias (ich verzichte auf Verlinkungen – das haben sicherlich alle BesucherInnen dieses Blogs sowieso gelesen). Im Grunde reicht es schon, nur einen einzigen Artikel zu diesem Thema zu lesen, nämlich die Zusammenfassung bei n-tv unter dem bezeichnenden Titel "Macrons Erfolg entzückt deutsche Politik". Spätestens jetzt sollte der rote Alarm ausgelöst werden; und wenn man dann noch lesen darf, was Norbert Röttgen (CDU) über Macron gesagt hat, weiß man, dass der Menschenfeind Gerhard Schröder mindestens einen französischen Klon ausgebrütet hat:

Ich meine, dass es für Deutschland und Europa nicht besser geht: Emmanuel Macron ist wirtschaftsreformorientiert (...).

Ähnlich hat sich die komplette Bagage der deutschen Politbande und selbstverständlich auch die angeschlossene Propagandapresse geäußert. Und niemand – tatsächlich: niemand! – erwähnt auch nur am Rande, dass Macrons Ziele weder "liberal", noch "erneuernd" oder gar "progressiv" sind, sondern – ganz im Gegenteil – nichts anderes als eine Betonierung der kapitalistischen Deformierungen darstellen, die von jener Bande unbekümmert, unverhohlen und natürlich falsch "Reformen" genannt werden. Macron ist das französische Äquivalent zur deutschen kapitalistischen Einheitsfront von FDP, CDU, SPD, AfD und den Grünen. Wen wundert's, dass quer durch alle Parteien – natürlich darf auch die Linkspartei nicht fehlen – der verhaltene Jubel losbricht?

Stets dasselbe Spiel

Was genau unterscheidet die beiden Rechtsradikalen Le Pen und Macron? Es ist exakt dasselbe Spielchen, dass überall zu beobachten ist, selbstverständlich gerade auch in Deutschland: Während die "Bösen" (Front National, AfD) sich auf die "Nation" und das "Völkische" berufen, ohne den Kapitalismus in Frage zu stellen, huldigen die "Guten" (Macron, CDUSPD & Co.) lieber der Kapital-"Elite" und erklären den grenzenlosen Kapitalismus zur einzig wahren Religion. Braun und menschenfeindlich – und gewiss alles andere als "neu" oder gar ein "Aufbruch" – ist beides gleichermaßen.

Ich empfinde es als besonders verstörend, dass ausgerechnet in Frankreich nun dasselbe widerwärtige Spiel vonstatten geht, das auch den Rest des verkommenen Europas längst heimgesucht hat. Wenn ich irgendwem eine wirksame Gegenwehr und vielleicht sogar einen Anstoß zur Beendigung des kapitalistischen Terrors zugetraut habe, dann waren es "die Franzosen". Diese Illusion ist nun ruinierte Geschichte.

In Claus Klebers kapitalistischem Propagandajournal im ZDF habe ich am Montagabend im Vorbeigehen die kuhjournalistische Feststellung aufgeschnappt, dass es in Frankreich beispielsweise noch immer so altertümliche, hemmende Dinge wie die 35-Stunden-Woche und ein "frühes" Renteneintrittsalter gebe, was Macron endlich "reformieren" (abschaffen) will. Die Vorleserin überschlug sich dabei in dem Bemühen, dieses zerstörerische Grauen als grandiose Neuerung und "Reform" zu preisen. – Gibt es eigentlich noch Menschen, die ihren Kopf nicht nur für dumpfen Nationalismus, menschenfeindlichen Kapitalismus oder zum Hütetragen mit sich herumschleppen? Ich bin da eher skeptisch.

Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen "Wirtschaftsliberalen" – also Kapitalisten – und Rechtsradikalen. Die braune Suppe feiert und blubbert Triumphe – und der Humanismus stirbt seinen letzten Tod.


Der redundante Einwurf (3): "Zeichen und Wunder" im Eso-La-La-Land


Ohne Worte – und darauf einen Schnaps:


(Screenshot von "Jenseits der Realität")

Montag, 24. April 2017

WDR: Flachverarscherei, oder: Der Sack Reis in China


Manchmal kann ich mich nicht entscheiden, ob manche Redakteure der Systemmedien einfach nur zugekokst sind und ständig schlechte Aprilscherze absondern, oder ob sie aus reinem Zynismus, purer Dummheit oder doch in gezielter Verdummungsabsicht handeln. So habe ich beim öffentlich-rechtlichen WDR, der bekanntermaßen durch im Zweifel auch zwangsvollstreckte Zwangsgebühren finanziert wird, vor einigen Tagen gelesen:

Dickes Portemonnaie? Aus dick mach flach! / Skinny Jeans und fette Portemonnaies – das passt einfach nicht. Oft steckt ein ganz schöner Klotz in der Gesäßtasche. Es gibt aber jede Menge Tricks, um den Po flach wirken zu lassen. Karten, die nicht oft gebraucht werden, können zum Beispiel mit dem Handy abfotografiert werden.

Nein, das stammt nicht vom Postillon oder aus der Titanic-Redaktion, sondern tatsächlich vom WDR, nämlich von einem Horrorclown namens Philip Seitz – und es wurde auch nicht am 1. April veröffentlicht. Ich warne jeden nachdrücklich davor, den kompletten Text zu lesen, da es nicht auszuschließen ist, dass ein halbwegs gesundes Gehirn während der Lektüre jenes Irrsinns spontan beschließt, Selbstmord zu begehen, weil es offensichtlich kein intelligentes Leben auf diesem Planeten mehr gibt.

Gleichwohl habe auch ich einige Vorschläge für entsprechend Gepeinigte, wie man den "Po flach wirken" lassen kann:

  1. Fasten Sie. Der Arschspeck verschwindet dann irgendwann von selbst. Der Hartz-Terror eignet sich gut dafür.
  2. Machen Sie es wie ich und Millionen andere Zwangsverarmte und schmeißen Sie Ihre vielen EC- und Kreditkarten einfach in das nächste Lagerfeuer. Besonders schön und grell leuchtend brennt übrigens die "Goldene". Und vergessen Sie nicht, die staatliche Überwachungswanze ("Handy") gleich hinterherzuwerfen.
  3. Nehmen Sie die dicken Geldbündel aus Ihrer Börse und verschenken Sie sie an Obdachlose.
  4. Misten Sie Ihre Geldbörse hin und wieder aus, wenn sich zu viele Cent-Münzen angesammelt haben, die Sie sowieso nie wieder irgendwo loswerden. Ich habe bereits einen dicken Beutel angesammelt, den ich allerdings nirgends eintauschen kann, da ich bloß über ein reines Online-Konto verfüge.
  5. Gehen Sie zu einem Schönheitschirurgen und lassen Sie sich eine Delle in die Pobacke schneiden – dann kann Ihre Börse so dick sein wie sie will, ohne dass es jemand sieht, wenn Sie Ihre hautenge, sexy Wurstpelle mit den hübsch überquellenden Rändern tragen.
  6. Sie könnten auch – ganz "gentlemanlike" – einfach zur altbewährten Brieftasche greifen, aber derlei unmodernes Zeug benutzt ja heute niemand mehr, der sich für "hip" hält – selbst dann, wenn es sinnvoll wäre.
  7. Gehen Sie in eine geschlossene Psychiatrie, bitten Sie dort um unbefristetes Asyl und weisen Sie darauf hin, dass der WDR die Kosten übernimmt.
  8. Freilich können Sie auf den ganzen Schmonzes auch gepflegt scheißen und sich nicht darum scheren, ob Ihr "Po flach wirkt". Es soll tatsächlich vereinzelt noch Menschen geben, denen das in der Tat so egal ist wie der berühmte Sack Reis in China – auch wenn das in Kapitalistan kaum jemand glauben mag.

Ich persönlich fände ja sowieso die Frage weitaus interessanter, wie man es bewerkstelligen könnte, dass endlich weniger Menschen mit einer flachen Stirn und einem allzu leeren oder gar völlig fehlenden Gehirn stumpfsinnig durch die Welt stapfen wie gruselige Zombies – aber diese unmoderne Frage wird beim WDR ganz sicher nicht erörtert werden, denn zombieesker Stumpfsinn gehört dort selbstverständlich zum Markenkern.

Zu dieser Flachverarscherei passt übrigens vorzüglich der gerade zuendegegangene Parteitag der "Analplugs für Dummdödel" (AfD), bei dem sich – fast wie beim WDR – die Ärsche und die flachen Stirnen inniglich säuselnd "Gute Nacht" gesagt haben. Oliver Kalkofe hat das schon vor einiger Zeit so treffend kommentiert, dass ich dazu nichts weiter sagen muss: